Review Tanzwut – Weiße Nächte

  • Label: Teufel
  • Veröffentlicht: 2011
  • Spielart: Electronic

Was lange untrennbar schien, ist nun entzweit: TANZWUT und Corvus Corax gingen 2011 getrennte Wege. Die Line-Ups wurden separiert und musikalisch traten Teufel und Co. mit ihrem Mittelalterwerk „Morus Et Diabolus“ im Juli in direkte Konkurrenz mit den neu formierten Königen der Spielleute. Die „Weiße Nächte“ betitelte Rockscheibe ließ einige Monate auf sich warten. Doch mit ihrem ersten Rockalbum seit 2006 wissen Tanzwut zu überraschen.
Zweifellos: Stimmlich und gesanglich hat Teufel anno 2011 seinen Zenit überschritten. Das merkte man besonders bei den letzten Liveauftritten der Band. Doch „Weiße Nächte“ überzeugt dennoch auf ganzer Linie: Ohne vollmündige Vorankündigungen liefern Tanzwut ein straightes Mittelalterrock-Album ab, welches besonders durch seine Eingängig- und Zugänglichkeit glänzt. Im Vergleich zu „Ihr wolltet Spaß“ und „Schattenreiter“ wurde dabei der experimentelle Elektronikanteil durch krachende Dudelsäcke in Verbindung mit eingängigen Gitarrenriffs ersetzt.

Bereits der Opener „Weiße Nächte“ als marktgeschwängerte Midtempo-Rocknummer über opulente Feste mit reichlich Alkohol im Schatten der Anonymität verweilt angenehm im Ohr. Solch einfache wie gelungene Kompositionen hätte man dieses Jahr eher von charttechnisch erfolgreicheren Genrevertretern erwartet. Dazu greift Teufel lyrisch an passenden Stellen auf längst vergessene Worte wie „Pomeranze“ zurück, die besonders Sprachästheten ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Der Spagat zwischen Alt und Neu: Er funktioniert bereits direkt zu Anfang, sowohl sprachlich als auch musikalisch. Auch sonst wissen manche Texte zu gefallen: Sei es „Rückgratreißer“, bei dem mit brachialen Klängen untermalt die Unterwürfigkeit der meisten Menschen anprangert wird, oder auch „Folge deinem Herzen“, bei dem der Sänger ein diabolisches „…oder meinem Rat“ folgen lässt. Verschnaufpausen wie beim aufgemotzten Marktstück „La Filha Dau Ladre“ gibt es nur selten. Das Tempo ist durchweg auf einem hohen Level, wenngleich man wahlweise immer angenehm im Takt mitwippen kann, ohne sich groß in die Musik oder Inhalte reindenken zu müssen.

Demnach spielt es eine untergeordnete Rolle, dass viele Inhalte wie Tanz, Frauen und verschiedene Facetten des Spielmannslebens bereits mehrfach so oder so ähnlich vertont wurden. „Weiße Nächte“ prägt sich als Gesamtes bis auf wenige Ausnahmen beinahe unmerklich ein. Maßgeblich dabei bleibt Teufels charakteristische Stimme, u.a. auch bei der Schneewittchen-Hommage „Gift“ und der Ballade „Bei Dir“. Sein Organ ist zwar auch in der neuen Studioproduktion nicht mehr grenzenlos flexibel, aber für die Ausrichtung von „Weiße Nächte“ sehr zweckdienlich. Oktavensprünge und Chorgesänge sucht man vergebens, dafür verkauft der Sänger die eindringlichen und simpel gehaltenen Inhalte überzeugend.

Der Besetzungswechsel mit einigen alten Bekannten und neuen Gesichtern hat Tanzwut als Kollektiv ebenfalls gut getan. So gerät „Weiße Nächte“ in sich ungemein homogen und geschlossen. Ein Rockalbum von Rockmusikern, die moderne Inhalte gekonnt mit traditionellen Melodien schmücken. Weniger Elektro und Industrial ist hier eindeutig mehr. Das Resultat ist allerdings auch, dass entweder das gesamte Album überzeugt oder eben nicht. Einen Mittelweg gibt es nicht. Aber den wollten Tanzwut mit „Weiße Nächte“ auch nicht anbieten.

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert