Review Unreqvited – Mosaic II: La Déteste Et La Détresse

Wenn es im Post-Black-Metal aktuell ein Projekt gibt, das man als Senkrechtstarter bezeichnen kann, dann ist es UNREQVITED. Schon mit seinem 2016er Debüt „Disquiet“ und sogar noch mehr mit den in kürzester Zeit nachgelegten Werken – dem opulenten „Stars Wept To The Sea“ und dem näher am Post-Rock orientierten „Mosaic I: L‘Amour Et L‘Ardeur“ – traf der dahintersteckende, kanadische Solokünstler mit dem Pseudonym 鬼 (Geist) den Nerv der Szene. Dass UNREQVITED mit seiner angenehm nahbaren Internetpräsenz und seinem markanten, von Electronic- und Symphonic-Einflüssen durchzogenen Stil inzwischen bei Prophecy Productions gelandet ist, verwundert daher kein bisschen. Über ebendieses renommierte Label erscheint nicht einmal eineinhalb Jahre nach „Mosaic I“ dessen Fortsetzung: „Mosaic II: La Déteste Et La Détresse“.

Man muss kein Interview mit UNREQVITED gelesen haben, um vorab zu erkennen, dass das vierte Album des Einzelmusikers das düstere Gegenstück zu seinem Vorgänger darstellt – der Titel, der sich als „Hass und Verzweiflung“ übersetzen lässt, und das auf finstere Weise kunstvolle Coverbild sprechen eine deutliche Sprache. Konnte man UNREQVITED die Kategorisierung als Black-Metal-Projekt auf der letzten Platte noch durchaus mit Recht absprechen, so verhält es sich auf „Mosaic II“ wieder ganz anders. Scharfkantige, polternde Gitarrenriffs, nicht selten in unheilvollem Tremolo-Stil gezupft, und heftige Blast-Beats („Wasteland“) halten hier wieder Einzug ins instrumentale Repertoire und mit seinen wortlos gekreischten Screams bringt 鬼 sein Leid einmal mehr auf die denkbar direkteste Weise zum Ausdruck.

Anders als bei vielen anderen Bands, die versuchen, ihren Sound zusätzlich zu verhärten, geschieht die Steigerung der Klanggewalt im Fall von „Mosaic II“ jedoch glücklicherweise nicht auf Kosten der kompositorischen Kreativität und Eleganz. Eher das Gegenteil ist der Fall: Mehr noch als auf dem ersten Teil trägt UNREQVITED dem Charakter des Albums als tonales Mosaik Rechnung. Jedes einzelne der neuen Stücke hat etwas Besonderes an sich, das es von den anderen abhebt – seien es nun unergründlich düstere Keyboards („Nightfall“), mysteriöse, an Opeth erinnernde Leadgitarren oder betont synthetische Electro-Beats („Wasteland“).

Die emotionale Bandbreite der Musik hat UNREQVITED zudem keineswegs auf negative Empfindungen eingeschränkt, wie sich etwa im herzergreifend hoffnungsvollen „Pale“, das ebenso gut auf „Mosaic I“ gepasst hätte, und im wundervoll anmutigen Klavierspiel auf „Disorder“ zeigt. Mit dem abschließenden Ambient-Dreiteiler „Transience“, in dem 鬼 schließlich sogar eine vollständige Abkehr von Rock und Metal wagt, lässt UNREQVITED den zwischenzeitlich gefassten Mut allerdings jäh verpuffen. Desolate Pianoklänge („Transience II – The Gentle Void“) und niederschmetternd bedrückendes Gitarrendröhnen, das klingt, als habe Xasthur sich nie dem Neofolk zugewandt („Transience III – The Static“), lassen das Album zum Schluss noch einmal in schwärzestem Pessimismus ertrinken.

„Mosaic II: La Déteste Et La Détresse“ ist gewiss ein Album, das die Gemüter spalten wird. Zum einen dürfte es sicherlich einige Fans freuen, dass UNREQVITED hier wieder deutlich druckvoller musiziert und zugleich seine bis dato stilistisch facettenreichste Sammlung von Songs geschaffen hat, zum anderen führt vor allem letzteres jedoch dazu, dass das Album in seiner Gesamtheit nicht so stringent wie „Mosaic I“ ist. Insbesondere die drei abschließenden Ambient-Nummern werden den einen oder anderen mit einem dicken Fragezeichen über dem Kopf zurücklassen. Letzten Endes gehen einem die einzelnen Songs jedoch allesamt derart nahe, dass „Mosaic II“ trotzdem auch als Einheit funktioniert, womit UNREQVITED seinen Status als Innovator des Post-Black-Metal ein weiteres Mal unter Beweis stellt.

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Wertung: 8 / 10

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2 Kommentare zu “Unreqvited – Mosaic II: La Déteste Et La Détresse

  1. Prophecy ist gestorben. Mein einst so geschätztes und geliebtes Label, fuck yeah, ist gestorben. Die Graphomanie eines Soroka und das Kinderzimmer-Auskotze eines Unreq… als DIE Zukunft der extremen Musik anzupreisen… ich bin sprachlos, Leute. Mit Metal haben die Ergüsse nichts zu tun.

    1. Hey Jeff,
      jetzt wollen wir doch nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Um auf deine Kritik einzugehen:
      1. Selbst, wenn dir die erst kürzlich bei Prophecy aufgenommenen Bands nicht zusagen, gibt es doch noch immer viele aktive Bands aus den Anfangstagen des Labels, die immer noch dabei sind – allen voran Empyrium und Dornenreich, die beide bereits an neuen Alben arbeiten. Mag sein, dass die schon etwas lange auf sich warten lassen, aber auch für alteingesessene Fans hat das Label nach wie vor viel zu bieten. Von gestorben kann hier also wirklich nicht die Rede sein.
      2. Sorokas Projekte und Unreqvited haben Schreigesang, Gitarrenriffs und fetzige Drums. Ob du sie nun magst oder nicht, es ist unbestreitbar Metal. Und selbst, wenn es nicht so wäre: Muss etwas Metal sein, um gut sein?
      3. Von Sorokas Projekten finde ich Aureole und Drown ja selbst noch sehr unausgereift, aber Tchornobog hat mich wirklich beeindruckt. Und Unreqvited ist sicherlich Geschmackssache und oft hart an der Grenze zum Kitsch, aber dass das Projekt in so kurzer Zeit so bekannt geworden ist, kommt aus meiner Sicht nicht von ungefähr. Es hat einen markanten Stil, der bereits einige wirklich schöne Kompositionen hervorgebracht hat. Und selbst, wenn du den Stil im Allgemeinen nicht magst, findest du wirklich, dass selbst der letzte Ambient-Track des neuen Albums nichts taugt? Der ist doch mindestens so pechschwarz wie die Musik der angesehensten Depressive-Black-Metal-Bands. Von „Kinderzimmer“ höre ich da gar nichts – zumindest würde ich meinem Kind ein solches Kinderzimmer nicht wünschen.
      Vielleicht möchtest du deine Kritik noch ein wenig detaillierter ausführen? Was genau findest du an diesen neuen Prophecy-Bands denn so schlecht?

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