Interview mit Daniel Droste von Ahab

Acht Jahre haben AHAB auf ein neues Album warten lassen – doch „The Coral Tombs“ wird auch so lang gereiften Erwartungen gerecht. Was zu dieser Wartezeit geführt hat, warum er der Pandemie auch positives abgewinnen kann und welche Rolle ein Disney-Film für die Themenwahl hatte, erzählt Sänger und Gitarrist Daniel Droste im Interview.

Frohes neues Jahr dir – hast du Vorsätze fürs 2023?
Habe ich grundsätzlich nicht. Mit dem Rauchen habe ich schon vor einigen Jahren aufgehört. Die Geburt meiner Tochter war ein passender Anlass, diesen Mist endlich bleiben zu lassen.

Wenn du an dieser Stelle nochmal kurz auf 2022 zurückblickst – was waren dein Highlight und deine Enttäuschung des Jahres?
Ein Highlight für mich war unser Auftritt auf dem  Brutal Assault Open Air. Das war die erste AHAB-Show, bei der wir mit unseren beiden Aushilfen unterwegs waren. Wenn ich mich recht entsinne, war es auch die erste AHAB-Show seit fast 20 Jahren, bei der es während eines Auftritts durchgehend geregnet hat. Der Platz vor der Bühne war dennoch voll und die Stimmung war super.
Obwohl 2022 all unsere Konzerte gut besucht waren, hat es uns dann im Dezember doch erwischt und wir mussten eine geplante Show in Stuttgart absagen und auf März diesen Jahres verschieben.

Ahab - The Coral TombsFür AHAB startet 2023 gleich mit einem großen Ereignis: Mit „The Coral Tombs“ erscheint das erste Album seit 2015. Das heißt, die Fans mussten diesmal fast dreimal so lang warten wie sonst zwischen euren Alben. Wie kams?
Das hatte mehrere Gründe. Nach der Veröffentlichung von “The Boats Of The Glen Carrig” haben fast all unsere Familien Zuwachs bekommen. Da wir, wie bereits erwähnt, zwei Sessionmusiker haben, war es uns dennoch möglich, Konzerte zu spielen. Zusätzlich hatten wir dieses Mal doch eine ganze Weile gebraucht, um uns für eine lyrische Vorlage zu entscheiden. Wir hatten zwar schon neue Songs geschrieben, ohne Buch als Vorlage zeichnete sich jedoch kein Roter Faden ab. Wir hatten auch bei den Vorgängern von „The Coral Tombs“ schon Songs ohne Vorlage komponiert, diese dienen aber eher der musikalischen Neuorientierung und finden in der Regel nicht den Weg auf eine unserer Platten.

Hatte auch die Pandemie am Ende noch Einfluss auf die Albumentstehung, haben sich die Aufnahmen oder auch schlicht der Releaseplan des Labels deswegen verzögert?
Der Releaseplan hatte sich tatsächlich ein klein wenig nach hinten verschoben, meines Wissens war dies jedoch nicht durch die Pandemie bedingt sondern hatte andere Gründe. Auf die Albumentstehung wiederum hatte die Pandemie Einfluss – jedoch im positiven Sinne, wie sich rückblickend herausstellte. Da wir uns nicht, wie gewohnt, zu viert im Proberaum treffen konnten, um die Songs zu arrangieren, trafen sich Stephan und ich bei mir zu Hause, um einige Ideen, die ich noch auf meinem Laptop hatte, durchzuhören und zu komponieren. Vor unserem Treffen existierten lediglich Riffs und kleinere Arrangements. Nach unseren beiden Treffen standen die groben Strukturen dreier Songs für „The Coral Tombs“. Ich würde diese Umstände also durchaus als Initialzündung zur Entstehung neuen Albums sehen und kann der Pandemie daher im Nachhinein tatsächlich noch etwas Positives abgewinnen.

AHAB 2023; © Stefan Heilemann
AHAB 2023; © Stefan Heilemann

Musikalisch fällt natürlich direkt der Einstieg auf – so aggressiv hat man AHAB noch nie gehört. Was hat euch dazu motiviert, mal so komplett Band-untypisch in ein Album einzusteigen?
Das Anfangsriff von „Prof. Arronax …” entstand eher zufällig. Wenn ich mich recht entsinne, waren wir gerade dabei, im Proberaum an einem Song zu arbeiten und kamen nicht so recht voran. In einer Pause begann ich dann dieses Riff zu spielen, worauf unser Drummer unmittelbar mit Blast-Beats einstieg. Je länger wir spielten, desto mehr gefiel uns das Riff und wir nahmen es im Anschluss einfach mal auf, um es nicht zu vergessen. Einige Proben später fiel uns die Aufnahme dann wieder in die Hände und jemand meinte, dass das ein fulminanter Einstieg für die neue Platte nach achtjähriger Abstinenz wäre. Uns gefiel die Idee, die Hörerschaft erst mal etwas vor den Kopf zu stoßen – und so wurde aus Zufall der Opener von „The Coral Tombs“.

Also war erst das Riff da, und dann kam die Idee, dafür Ultha-Sänger Chris Noir ins Boot zu holen?
Ja, Das Riff war zuerst da. Die ersten Zeilen des Textes von Christian waren wie gemacht für ein Duett, für uns war daher schnell klar, dass wir dafür einen Gast an Bord holen wollten. Da der Auftakt der Platte schon etwas nach Black Metal klang und wir auf der Suche nach einem stimmlichen Kontrast zu meinen Vocals waren, suchten wir eine Black-Metal-Stimme. Eines Abends spielte ich Christian einen Ultha-Song vor und Chris Noir konnten wir uns sehr gut in Kombination mit meinem Gesang vorstellen. Wir kannten ihn bis dato nicht persönlich und hatten ihn daher mal auf gut Glück via E-Mail angefragt, ob er Interesse hätte, auf unserer Platte mitzuwirken … wozu es glücklicherweise dann auch kam.

Danach wird das Album bandtypischer, trotzdem fallen einige Veränderungen auf: Nicht nur die Gitarren sind öfter mal clean, sondern insbesondere auch dein Gesang. Das ist für einen Extrem-Metal-Sänger ja immer ein großer Schritt, für den es auch immer etwas Mut braucht. Musstest du dich dazu überwinden, oder hast du dich in den letzten Jahren sowieso vermehrt mit Klargesang beschäftigt, sodass es dann nur logisch war, dass das auch bei AHAB zur Anwendung kommen wird?
Überwinden musste ich mich nicht, da Klargesang für mich nichts Neues war. Auf unseren vorigen Veröffentlichungen entstanden meine Gesangslinien zu 90 Prozent spontan im Studio. Ich hatte irgendwie immer das Gefühl, dass es mir in einer Studioumgebung mit perfektem Sound wesentlich leichter fällt, kreativ zu sein. Meine Bandkollegen waren mit dem Ergebnis bislang auch immer zufrieden, baten mich aber, dieses Mal vorab Demos der Vocals aufzunehmen. Daraufhin habe ich mich einen Tag im Proberaum verschanzt und zumindest für drei Songs Gesangsdemos aufgenommen, die dann auch genau so auf der Platte landeten. Vermehrt cleane Vocals einzubauen war eigentlich nicht geplant. Ich habe, wie auch bei der Instrumentierung, etappenweise von Song zu Song gearbeitet und erst nach Abschluss der Aufnahmen realisiert, in welche Richtung sich die Gewichtung der Vocals verlagert.

Das Album klingt dadurch jedenfalls nochmal merklich melancholischer – wie das ja auch bei vielen Klassikern im Doom durch genau diesen Effekt, also den Einsatz von Klargesang, bewirkt wird. War das auch eine Motivation hinter diesem Schritt, mehr in Richtung Heavy/Classic Doom zu gehen – hast du dafür grundsätzlich ein Faible, oder ist hörst du selbst eher Death-Doom mit Growls?
Ich versuche immer, beim Schreiben von Musik nicht verkopft an die Sache heranzugehen. Musik ist etwas emotionales, daher verlasse ich mich auf mein Gefühl und entscheide so, wonach ein Part meines Erachtens nach verlangt. Die Art des Gesangs kann sich so beispielsweise an der Musik oder auch an Chris’ Texten orientieren.
Ich selbst höre sowohl Doom-Bands mit cleanen Vocals als auch Death-Doom mit Growls. Ich bevorzuge Abwechslung und würde daher beide Gesangsstile zusammen bevorzugen, da man hierdurch schön mit Kontrasten arbeiten kann, Gegensätze verstärkt werden und die Gefahr reduziert wird, dass sich Langeweile einschleicht.

AHAB 2023; © Stefan Heilemann
AHAB 2023; © Stefan Heilemann

Für den Albumabschluss habt ihr dann mit Esoteric-Sänger Greg Chandler eine echte Doom-Legende als zweiten Gast gewinnen können. Wie kam es zu dieser großartigen Zusammenarbeit, und wie lief diese dann konkret ab? Habt ihr ihm den Text inklusive konkrete Stelle im Song vorgegeben, oder hatte er gestalterische Freiräume?
Greg und ESOTERIC kennen wir bereits seit unserer gemeinsamen Tour 2012. Er bekam von uns hierzu den entsprechenden Text und Part vorgegeben – die Einteilung wie auch die Wahl seiner Effekte haben wir ihm überlassen. Neben einer Freundschaft, die uns verbindet, waren ESOTERIC auch eine der Bands, die maßgeblich dafür verantwortlich waren, dass in Chris und mir der Wunsch wuchs, eine eigene Doom-Band zu gründen. Es ist eine Ehre, ihn auf unserer Platte zu haben.

Viele Bands wechseln mit jedem Album den Produzenten, um frischen Wind in ihre Produktionen zu bekommen – ihr seid jetzt zum dritten Mal in Folge zu Jens Siefert gegangen. Habt ihr hier einfach euren Partner in Crime gefunden, der AHAB versteht wie niemand anderes, oder wolltet ihr keine Experimente mehr beziehungsweise kein Risiko eingehen?
Es gab für uns mehrere Gründe, erneut mit Jens Siefert im Rama Studio zusammenzuarbeiten. Der auschlaggebendste Grund war selbstverständlich der hervorragende Sound, der sich unserer Ansicht nach von gängigen Metal-Produktionen absetzt und mit dem wir daher stets mehr als zufrieden waren. Des Weiteren ist das Rama für uns logistisch gut erreichbar, für mich in einer Autostunde, Stephan wohnt noch etwas näher. Die anderen beiden fahren zwar deutlich länger, können sich dafür aber bei uns über die Aufnahmetage einquartieren. Jens war zudem sehr flexibel, sodass wir die Aufnahmen auf Wochenenden schieben konnten. Sollten wir aus irgendwelchen Gründen für kommende Aufnahmen das Studio wechseln, bin ich mir absolut sicher, dass ich für die Gesangsaufnahmen dennoch mit Jens im Rama Studio zusammenarbeiten wollen würde. Ich hatte selbst nie Gesangsunterricht und Jens hat einfach ein gutes Ohr und die passenden Tipps, um das Bestmögliche aus mir herauszuholen.

Ahab - The Boats Of The Glen CarrigAuch bei der optischen Inszenierung habt ihr mit einem langjährigen Partner zusammengearbeitet – wie Jens Siefert begleitet euch auch Sebastian Jerke bereits seit „The Giant“. Und wie schon auf „The Boats Of The Glen Carrig“ hat er auch „The Coral Tombs“ in einem fast comichaften Stil illustriert. Warum ist das aus deiner Sicht genau das, was AHAB optisch brauchen?
Durch die Zusammenarbeit mit Sebastian Jerke sind wir in der Lage, unsere Vorstellungen der optischen Gestaltung eines Albums bis ins kleinste Detail zu verwirklichen. Sebastian bereitet sich akribisch auf gemeinsame Projekte vor und liest zunächst die Romane, bevor er mit dem Zeichnen beginnt. Wir sind während des gesamten Entstehungsprozesses in ständigem Austausch, um uns mittels seiner umfangreichen Skizzen schrittweise der Umsetzung unserer Vision zu nähern. Obwohl wir eine sehr genaue Vorstellung von der Szenerie als auch der Farbgebung des Covers zu „The Coral Tombs“, hatten, blieb Sebastian meines Erachtens noch eine Menge Spielraum um sich kreativ zu entfalten, wodurch auch dieses Artwork wieder einmal mit vielen Details die Stimmung der Platte bildgewaltig einfängt.

Thematisch dreht sich das Album um Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“, was neben „Moby Dick“ vielleicht der bekannteste nautische Roman überhaupt ist. Es ist also eigentlich eine völlig offensichtliche Themenwahl für euch als „Nautic Doom“-Band – viel offensichtlicher als die vergleichsweise „nerdigeren“ Themen der letzten Alben. Ist genau das der Grund, warum ihr euch so lange um dieses Thema gedrückt habt, war euch das zu offensichtlich, oder woran liegt es, dass ihr euch erst auf eurem fünften Album dieses Klassikers angenommen habt?
Wir hatten Jules Vernes Roman tatsächlich bereits vor einigen Jahren schon auf dem Zettel, doch vermutlich war es damals einfach nicht der richtige Zeitpunkt, sich diesem Werk zu widmen. Ich hatte das Buch zu dieser Zeit noch nicht gelesen, kannte die Geschichte nur aus dem Disney-Film aus den 1960ern, den ich als Kind zwar geliebt habe, zu dem ich mir unsere Musik aber nicht so recht vorstellen konnte. Es ist durchaus so, dass das Werk, das wir vertonen, maßgeblich für die Stücke einer Platte verantwortlich ist und diese prägt – dennoch muss eine Vorlage auch eine gewisse Basis bieten, um Boden unserer musikalischen Wurzeln sein zu können. Das Potenzial der Geschichte erschloss sich schließlich beim erneuten Lesen des Romans.

Wie seid ihr an die Thematik herangegangen, wie habt ihr selektiert, welche Teile der im Original ja zwei Bücher füllenden Story für euer Album „relevant“ sind und wie habt ihr diese dann in Songtexte überführt?
Chris ist für die Lyrics bei AHAB verantwortlich. Da eine Zusammenfassung der gesamten Geschichte zu umfangreich wäre, hat er sich auf die prägnantesten Szenen beschränkt und diese in seinen eigenen Worten umschrieben, als auch zitiert. Szenen, in denen Kapitän Nemo näher beschrieben wird, hat er zusammengefasst und dessen Charakterzüge als auch seine Sicht auf die Welt außerhalb des Meeres in seinen Texten verarbeitet.

Und habt ihr noch weitere Bücher im Hinterkopf, mit denen sich ein weiteres AHAB-Album bestreiten ließe? Wäre für dich auch ein vergleichsweise moderner Roman wie Frank Schätzings Meeres-Thriller „Der Schwarm“ als Vorlage Ahabdenkbar?
Ich erinnere mich, dass wir uns irgendwann mal nebenbei über Schätzings „Der Schwarm“ unterhalten hatten. Da wir uns bislang aber eher mit Klassikern befasst hatten, stand dieser Roman noch nicht in der engeren Auswahl. Es aber gibt tatsächlich noch ein wichtiges Werk, das wir in der Zukunft noch angehen müssen. Ob dies bereits mit der nächsten Platte der Fall sein wird, wird sich zeigen.

Zurück ins hier und jetzt: Wie geht es weiter, was sind eure Pläne für 2023? Dürfen wir auf eine Tour hoffen, nachdem eure letzte ja pandemiebedingt abgesagt werden musste?
Statt Touren mit vielen Stationen am Stück ist es für uns als Familienväter wesentlich einfacher, Gigs an ausgedehnten Wochenenden zu spielen. Aufgeschobene Konzerte durch die Corona-bedingte Pause erschweren die Planung dabei zwar, da viele Clubs bereits ausgebucht sind – wir werden dennoch versuchen, 2023 ein paar Konzerte in Süddeutschland zu spielen. Zudem werden wir auf dem ein oder anderen Festival in Deutschland und dem europäischen Ausland vertreten sein.

Vielen Dank für deine Antworten – zum Abschluss unser obligatorisches Brainstorming, heute in maritimer Edition:
Off-Shore-Windparks: notwendig
Jacques-Yves Cousteau: trug rote Mützen
Great Pacific Garbage Patch: unfassbar, unwirklich, leider real
„Findet Nemo“: sollte ich meinen Kindern mal zeigen
Grindadráp, der tradititionelle Walfang auf den Färöern: widerwärtig
Eine Tiefseetauchfahrt – dein persönlicher Traum oder Alptraum? eher Letzteres

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Ein Kommentar zu “Ahab

  1. So kann es auch gehen. Gute Fragen, interessante Antworten. Ahab verdienen wirklich jeden Erfolg, das neue Album hatte ich jetzt schon einige Male im CD-Schacht und dieser irrsinnige Schwenk vom Ultrabrutalen zur unheimlich tiefsinnigen (haha) Schönheit des Openers, begeistert mich jedes Mal wieder.

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