Interview mit Patrick Grün von Caliban

CALIBAN zählen zu den wichtigsten Bands in Sachen Metalcore „Made in Germany“ und deshalb haben wir die Gelegenheit genutzt und sprachen, anlässlich der kürzlichen Veröffentlichung von „Ghost Empire“, mit Schlagzeuger Patrick Grün. Neben dem neuen Album redeten wir ebenfalls über das Leben auf Tour, die Unterschiede bei Liveshows im In- und Ausland sowie über modische Zwänge im Metalcore.

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„Ghost Empire“ steht ja jetzt schon eine Weile in den Läden. Wie sehen denn die ersten Resonanzen aus?
Die Resonanzen sind spitze! Wir waren von Anfang an mit dem Album sehr zufrieden und wussten natürlich nicht, wie es die restliche Menschheit so aufnimmt. Aber in der Tat sehr gut. Sehr stolz sind wir auch, und ich denke das spiegelt auch ein wenig das Interesse der Leute und die Akzeptanz wider, dass das Album auf Platz #7 der Deutschen Media Control Charts gelandet ist. Wahnsinn!!! Dafür noch mal an alle herzlichen Dank!

Euer neues Werk unterscheidet sich ziemlich deutlich vom letzten Album. Besonders die Elektro-Einflüsse haben deutlich zugenommen. War dies so geplant oder wurde es erst bei den Aufnahmen so deutlich?
Wir planen ja nicht im Vorfeld was genau im Album sein soll und wie es zu klingen hat. Marc, unser Hauptsongwriter, fängt irgendwann an Riffs aufzunehmen und die dann weiter zu verfolgen und zu konkretisieren, zusammen mit Benny Richter unserem Produzenten. Sicherlich ist Marc beim Ideensammeln von seiner Umgebung und den Bands, die er vielleicht grad hört, beeinflusst, aber nie so, dass er sagt, wir müssen jetzt nach A oder B klingen. Im Schreibeprozess kommen dann immer mehr Ideen zusammen – auch die, die da so elektronisch klingen. Aber wie gesagt, das ergibt sich dann im Prozess.

Ihr habt mit „nebeL“ auch einen Song auf Deutsch eingesungen. War das eine einmalige Geschichte oder könnt Ihr euch vorstellen auch mal ein komplettes Album auf Deutsch zu machen?
Wir hatten ja schon auf „I Am Nemesis“ einen 50/50-Song auf Deutsch/Englisch – Dein R3.ich und haben Sonne von Rammstein gecovert. Uns gefällts auch mal was auf Deutsch zu machen, aber ob wir je ein Album komplett in Deutsch aufnehmen werden, bezweifel ich. Aber man weiß ja nie, was die Zeit bringt. Alles kann, nix Muss!!!

Press_Cover_IntiDer klare Gesang hat auf „Ghost Empire“ ebenfalls deutlich zugenommen. Wolltet Ihr den Songs somit geplant mehr Tiefe verleihen oder habt Ihr euch nur auf gemächlicheren Pfaden ausprobiert?
Ich finde nicht, dass der klare Gesang zugenommen hat – das, was ich an klarem Gesang verstehe. Sicherlich haben wir auch in der Hinsicht wieder experimentiert und diesmal auch Andy dazu aufgerufen, mal was anderes auszuprobieren. Ihn auch in die klaren Gefilde zu schicken, war schon lange bei uns im Kopf, leider hatten wir oft nie die Zeit das mal für eine Produktion zu versuchen. Die Tendenz war da … diesmal auch die Zeit dies zu vertiefen. Und sein klarer Gesang ist ja mehr ein melodiöses Schreien. Aber ich finde es steht ihm gut und wir sind sehr mit dem Ergebnis zufrieden.

Viele Metalcorefans der ersten Jahre stehen diesen Einflüssen sehr skeptisch gegenüber. Wie groß ist die Angst diese Fans zu verärgern? Spielt das für euch eine direkte Rolle?
Hier geht es ja nicht um verärgern. Wir als Künstler, Musiker – Band, wollen uns nicht wiederholen und 2-mal ein gleiches Album aufnehmen. Wir wollen uns weiterentwickeln, etwas Neues machen, uns etwas trauen. Wir klingen immer etwas anders, aber ohne den roten Faden, den Caliban ausmacht, zu verlieren. Sicher, der Eine findet das gut, der Andere dann halt Scheiße! Aber so ist es nunmal. In erster Linie machen wir für uns Musik. Das ist unser Ding uns auszudrücken. Aber klar, es ist immer schöner, wenn es anderen gefällt und man Komplimente bekommt. Nur ist das nicht unser primäres Ziel.

Könntet ihr euch vorstellen, noch mal ein „klassisches“ Album ohne Elektro-Einflüsse und ohne klaren Gesang zu machen?
Was heißt denn noch mal? Soweit ich das im Kopf habe, hat Caliban schon immer Clean-Vocals dabei gehabt, wenn auch am Anfang reduzierter. Ich weiß nicht wo der Hase langläuft. Auszuschließen ist nichts, aber grad der Kontrast, Geschrei/clean ist doch das, was Caliban ausmacht. Und wir sind 16 Jahre relativ erfolgreich damit am Start. Irgendwie scheint es ja doch angenommen zu werden. Aber klar, wie ich oben schon gesagt hab. Es kann alles mal anders werden; man wird sehen was die Zeit bringt.

PatrickIm Rahmen der Veröffentlichung von „Ghost Empire“ habt ihr spezielle Release-Shows gespielt. Wie kam das neue Material beim Live-Publikum an?
Wir hatten vor den Shows ja schon drei Songs veröffentlicht und das Album war zwei Wochen vorher zum Stream bereitgestellt worden. Von daher wussten die Leute ja, was auf sie zukam. Mich hat es überwältigt, dass auf den Shows schon sooo viele Fans am Start waren, die die Texte mitsingen konnten. Die Shows waren der Knaller! Toller Start für Ghost Empire und unsere Live-Saison.

Eure Tour in Russland ist vor kurzem zu Ende gegangen. Wie groß war die Vorfreude auf die Shows und in wie fern habt ihr euch dort vor Ort zu der politischen Situation geäußert?
Wir werden uns politisch nicht äußern oder vielmehr, wir haben es auch nicht getan. Ich glaube unser Erscheinen und nicht Absagen der Tour ist Statement genug. Wir lieben Russland. Es ist wirklich ein tolles Land und die Leute sind der Wahnsinn. Da wir ja grad zurück sind von der Tour, kann ich dir sagen, es war toll. Die Fans dort haben hungrig auf uns gewartet und uns mit offenen Armen empfangen. Shows waren voll und in den fünf Wochen dort auf Tour, haben wir viel erlebt und tolle Eindrücke mitgenommen. Immer wieder gerne!

Wer hat euch auf der Tour durch Russland supportet?
Wir haben auf der Tour keinen Support gehabt, zumindest keinen Festen. Hier und da haben mal lokale Bands eröffnet, aber 95% der Shows waren nur wir am Start.

Wie unterscheiden sich eure Auftritte im Ausland von den Shows in Deutschland? Gibt es Länder die euch besonders ans Herz gewachsen sind?
Der Unterschied ist, dass in vielen Ländern, die noch nicht so übersättigt sind, die Leute noch etwas steiler gehen. Aber grundsätzlich ist es hier und da relativ gleich. Wir geben immer alles und die Leute in der Regel auch. In Europa reisen wir meist mit einem Tourbus, was es sehr angenehm macht. In Ländern wie Südamerika, Australien wird zb viel mit dem Flugzeug gereist, was das Reisen oft anstrengend macht. Man bekommt hier und da wenig Schlaf, was einem dann schon mal auf die Nüsse gehen kann. Aber sonst macht es überall Spaß zu spielen. Und wir haben schon einige Ecken auf dem Planeten bespielt, wo Andere nicht wissen, dass es dieses Kaff überhaupt gibt. ;-)

Und welche grundsätzlichen Unterschiede konntet ihr beim dortigen Publikum zu dem in Deutschland feststellen?
Das erklärt sich sicher mit der Antwort oben. In heißblütigen Ländern und noch nicht so verwöhnten Ländern, drehen die Kids oft noch ein bißchen mehr am Rad, als in den Ländern, wo jeden Tag eine weitere Kombo auftritt.

Press_Photo_01_kleinWo wir bei diesem Thema sind. Immer häufiger bekommt man auf Metalcore-Shows den Eindruck, auf einer Modenschau zu sein. Viele Fans achten penibel auf das Styling und definieren sich darüber. Wie seht ihr diese Entwicklung? Welche Rolle spielt das für euch?
Ich denke einen gewissen „Modezwang“ gab es schon immer. Ich bin in den 80ern mit Metal und später mit HC groß geworden. Da war es auch klar, dass man lange Haare haben musste, Motorradlederjacke, enge Jeans (die ja, wie viele Dinge wiedergekommen ist in Sachen Mode), dicke Turnschuhe und am besten noch eine Jeansweste als Kutte über die Lederjacke. Da hat auch jeder drauf geachtet. Mir ist das gleich, wie die Leute rumlaufen. Jede Generation hat so ihre Macken. Solange es hauptsächlich um die Musik geht, ist alles gut.
Klar, es gibt genug Kids, die sind in der „Szene“ weil es geil ist so rumzulaufen. Das geht mir tierisch auf den Sack. Genauso wie jetzt jedes Szenekid anfängt sich erst mal den Hals und die Hände zu tätowieren, bevor es an andere Stellen geht, die von meinem Verstand doch erst mal sinniger wären zu tätowieren. Das kotzt mich dann schon an. Und für mich kam das nie in Frage. Ich meine, mein Körper ist zu 90% tätowiert, aber dennoch mussten mein Hals und die Hände noch nicht dran glauben. Aber selbst wenn, denke ich, ist das dann die logische Schlussfolgerung. Aber nicht rückwärts anfangen. Das ist albern und völlig doof!

Vielen Dank für Eure Antworten und weiterhin viel Spaß bei euren Liveshows. Habt Ihr noch eine spezielle Botschaft, die Ihr an unsere Leser richten wollt?
Bleibt so, wie ihr seid – ihr macht das schon richtig! Ansonsten, kommt mal rum auf eine unserer Shows und vielen Dank an alle, die uns seit so vielen Jahren supporten. Alone we are nothing – together we are crushin´.

Damit wären wir so gut wie am Ende des Interviews angelangt. Du musst dich nur noch dem Metal1-Brainstorming stellen. Ich nenne dir ein paar Begriffe und du sagst, was dir dazu einfällt.

Social Media – prinzipiell cool, aber auch ein schöner Schmerz im Arsch, durch das oftmals anonyme gehate und gedisse. Viele haben dadurch keine Eier mehr in der Bux. Früher hat man das einem ins Gesicht gesagt und ggf. die passende Antwort bekommen. Dem stellt sich heute keiner mehr…
Russland – tolles Land, tolle Leute, geile Shows!
ADAC – zum Glück noch nicht oft im Leben in Anspruch genommen.
TV-Unterhaltung – je dümmer, desto besser!
Caliban in 10 Jahren – hoffentlich noch existent.

Publiziert am von Christoph Ilius

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