Interview mit Lord Ahriman von Dark Funeral

Mit „We Are The Apocalypse“ haben sich DARK FUNERAL nach sechs Jahren der Stille erfreulich stark zurückgemeldet. Im Interview sprachen wir mit einem gut gelaunten Lord Ahriman über Neuerungen in seiner Musik und Schwierigkeiten beim Mischen, die Vorzüge und Nachteile von Perfektionismus und den Zusammenhang zwischen Vampiren und Satanismus.

DARK FUNERAL – © Tomasz Podgorny

Seit eurem letzten Album sind sechs Jahre vergangen, und wieder hattet ihr einen Besetzungswechsel, diesmal am Schlagzeug. Ist diese Unbeständigkeit des Lineups etwas, das euch ausbremst, oder siehst du darin wegen des neuen Inputs vielleicht sogar einen Vorteil für die Band?
Nein, das hat keinen Einfluss auf unser Arbeitstempo. Nicht jeder, der über die Jahre in der Band war, war ein festes Bandmitglied. Gut die Hälfte waren nur Sessionmusiker, Freunde, die eingesprungen waren, um uns für eine oder mehrere Touren auszuhelfen. Da war dann schon im Vorhinein klar, dass derjenige nur für eine begrenzte Anzahl an Touren oder auch nur Shows Teil der Band ist, während wir ein festes Bandmitglied suchen. Ich verstehe, dass die Leute den Eindruck bekommen könnten, dass bei uns ständig die Besetzung wechselt, aber das war nie der Fall. Natürlich haben wir über all die Jahre auch ein paar feste Bandmitglieder ausgetauscht, aber das war höchstens 50:50. Wenn du ein Bandmitglied austauschen musst, gibt es immer einen guten Grund dafür. Wenn wir als Band – wir entscheiden das gemeinsam als Band – ein Bandmitglied austauschen, sehen wir immer zu, dass wir mit dem Nachfolger noch einen Gang zulegen können. Manchmal machen wir dabei natürlich auch Fehler. Aber jetzt fühlt es sich an, als würden alle im gleichen Tempo laufen, jeder ist sehr professionell und hingebungsvoll, jeder arbeitet hart … kein Bullshit und Drama … es fühlt sich aktuell sehr gut an.

Euer Sänger Erik alias Heljarmadr ist euch treu geblieben. Hat euch das die Arbeit an den neuen Songs erleichtert, weil du jetzt mit seiner Art zu singen besser vertraut bist?
Wir haben schon für das letzte Album einen guten Arbeitsmodus gefunden, daran haben wir für das aktuelle Album eigentlich nichts geändert. Natürlich lernst du jedes Mal etwas neues, wenn du an einem neuen Album arbeitest, man lernt, bestimmte Dinge besser zu machen. Das war natürlich auch diesmal der Fall. Aber grundsätzlich haben wir genauso zusammengearbeitet wie beim letzten Mal – wir sind da gut eingespielt und ein gutes Team.

Dark Funeral - Tomasz Podgorny Promo Pic 3
Heljarmadr / DARK FUNERAL – © Tomasz Podgorny

Ihr habt dieses Mal besonders darauf geachtet, dass der Gesang und die Melodien besser zusammenarbeiten, und tatsächlich klingt „We Are The Apocalypse“ etwas dynamischer als euer letztes Album. Hast du die Art und Weise, wie du Songs schreibst, oder die Reihenfolge, in der du die Elemente zusammenfügst, verändert?
Ich wollte für dieses Album vor allem die Rhythmik meiner Kompositionen weiterentwickeln – hinsichtlich der Gitarren, aber auch auf das Schlagzeug bezogen. Ich wollte, dass die Songs etwas mehr Dynamik haben. Es gibt ein einige Neuerungen, wir haben ja cleane Gitarren auf dem Album, ein paar Riffs, die sich für uns neu anfühlen, etwa in „Let The Devil In“. Ich habe natürlich meinen Stil, was die Gitarrenarbeit angeht, aber ich denke, es ist auch genug Neues dabei, um das Album interessant zu machen.

Dark Funeral - We Are The ApocalypseDu hast die Cleangitarren schon angesprochen: Zu welchem Zeitpunkt im Songwriting kam dir diese Idee – war das etwas, das du dir für dieses Album vorgenommen hattest, oder hat sich das im Songwriting als Idee herauskristallisiert?
Wenn ich Musik schreibe, schreibe ich sie meistens mit einem cleanen Gitarrensound. Ich sitze da nicht mit Verstärker und Verzerrung und schrammel herum – das ist nicht, wie ich arbeite. Ich sitze da mit meiner Gitarre, ohne Verstärker, und entwickle meine Ideen. Diese zwei Melodien beispielsweise, in „Leviathan“ und „When I’m Gone“ , wurden genau so geschrieben. Ich wollte sie dann nicht mit Verzerrung zerstören, sondern eben den Rhythmus und das Feeling, mit dem ich sie geschrieben hatte, erhalten – und das war eben mit einer cleanen Gitarre. Es kam also ganz natürlich, und genau so muss es sein. Ich denke nicht darüber nach, ob wir dieses oder jenes machen könnten – es kommt, wie es kommen muss. Die anderen Jungs haben sich auch nicht beschwert. Vielleicht waren sie am Anfang überrascht, als ich ihnen die Ideen vorgestellt habe, weil sie mit so etwas von mir nicht erwartet hätten, aber für mich war das eine ganz logische Entwicklung – es musste einfach so sein.

Für den Mix habt ihr wieder mit Daniel Bergstrand gearbeitet, aber das Album klingt ganz anders als sein Vorgänger – „Where Shadows Reign Forever“ klang eher „old school“ und verwaschen, das neue hat mehr Attacke in Höhen und Tiefen. Was hat dich dazu bewogen, diese Richtung einzuschlagen?
Ich wollte einfach die Produktion weiter verbessern. Ich habe Daniel direkt im ersten Gespräch gesagt: Ich will es nicht genau wie auf dem letzten Album machen. Ich will untenherum mehr haben und insgesamt einen „größeren“ Sound. Ich hatte das Gefühl, dass die neuen Songs das brauchen, dass eine solche Produktion besser passen würde. Aber natürlich weißt du auch nie genau, was dann im Studio passiert und wie sich die Dinge in Sachen Sound entwickeln, wenn du sie aufnimmst. Im Gesamtbild finde ich die Produktion verdammt großartig, aber natürlich gibt es auch ein paar kleine Aspekte, die ich aus jetziger Sicht ein wenig anders machen würde. Aber das ist etwas, was man nach jeder Platte sagt …

Also bist du nicht restlos zufrieden?
Ich bin zufrieden, aber das ist vielleicht ja auch eine gute Eigenschaft, dass ich immer auch Verbesserungspotenzial sehe. Wir können es nächstes Mal also noch besser machen! (lacht)

Dark Funeral - Tomasz Podgorny Promo Pic 2
DARK FUNERAL – © Tomasz Podgorny

In welcher Hinsicht, oder in welchem konkreten Aspekt hättest du es denn gerne anders?
Ich würde diesen kräftigen Sound untenherum behalten, aber ich hätte die Gesamtproduktion vielleicht lieber noch etwas sauberer. Nicht zu sauber natürlich, aber vielleicht mit etwas mehr Luft zwischen den verschiedenen Instrumenten, wenn du weißt, was ich meine. Aber das war immer schon ein bisschen ein Problem … jedes Mal, wenn wir im Studio waren. Das Material ist so komplex und geht die ganze Zeit mit Vollgas nach vorne. Um einen Vergleich zu haben, habe ich mir auch unsere alten Alben nochmal angehört – da war ich wirklich überrascht, als ich die Gitarrenmelodien gehört habe. Die waren da vielleicht mehr im Vordergrund, aber zugleich so verdammt dünn! (lacht) Da war ich wirklich baff. Da die richtige Balance zu finden ist wirklich schwierig. Aber ich glaube, man lernt jedes Mal etwas dazu. Das ist eine gute Eigenschaft von mir: Wenn wir ein Album gemacht haben, finde ich immer Dinge, die ich für das nächste Mal verbessern möchte. Wenn ich dieses Gefühl nicht hätte, wäre es witzlos, auch nur über ein nächstes Album nachzudenken.

Lord Ahriman live mit DARK FUNERAL; © Afra Gethöffer-Grütz / Metal1.info

Das stimmt sicher, aber ich könnte mir vorstellen, dass dich die Leute, mit denen du zusammenarbeitest, dafür auch manchmal hassen! (lacht)
Vielleicht … aber ich bin niemand, der sich auf dem ausruht, was er gemacht hat. Ich will weiterkommen – und es immer besser machen. Ich habe einen hohen Anspruch, aber den höchsten Anspruch habe ich an mich selbst. Wenn ich etwas tue, will ich, dass es wirklich verdammt gut wird. Das Resultat muss mehr als gut sein. Es ist natürlich einfacher, diese extrem hohen Ansprüche an mich selbst zu haben, und vielleicht fühlt sich jemand angegriffen, wenn ich an ihn die gleichen Ansprüche stelle. Aber ich versuche, die Leute, mit denen ich arbeite, zu inspirieren. Je härter du arbeitest, desto besser wird eben auch das Ergebnis, und umso zufriedener kannst du mit dir sein. Und vielleicht kann ja sogar ich eines Tages mal zufrieden sein. (lacht)

Ich hoffe es wirklich für dich! (lacht) Ihr habt das Album ja in der Pandemie aufgenommen – hatte das Einfluss auf eure Arbeit?
Wir haben das natürlich mit allen Beteiligten diskutiert, wie sich jeder mit dieser Situation fühlt, bevor wir ins Studio gegangen sind. Aber alle haben gesagt: Wir sind alle komplett durchgeimpft, lasst es uns einfach machen. Wenn sich jemand krank gefühlt hätte, hätte er natürlich einen Test gemacht, aber nachdem alle geimpft waren, haben wir da kein großes Thema draus gemacht, sondern uns gesagt: OK, vielleicht wird jemand krank, aber keiner wird daran sterben.

Schon mit eurem letzten Album habt ihr euch von lateinischen Albumtiteln verabschiedet. Wie kam es zu diesem Sinneswandel, hatte es etwas mit dem Sängerwechsel zu tun?
Das hat einfach damit zu tun, was du mit dem Album erzählen möchtest. „Vobiscum Sathanas“ zum Beispiel war ein Titel, den ich lange im Sinn hatte, bevor wir mit dem Album fertig waren. Das war, was ich damals über dieses Album sagen wolle. Für die folgenden Alben kam Calligula dann mit einigen Ideen – aber ich war es, der das das angefangen hat. Für die letzten beiden Alben kam uns das einfach nicht in den Sinn, wir hatten keine Idee in diese Richtung, wir haben das auch nie diskutiert. Das heißt nicht, dass das nie mehr wiederkommt, das hängt einfach davon ab, was uns in Zukunft inspiriert.

Wir haben deinen Prefektionismus schon thematisiert: Wieso stört es dich dann nicht, dass euer vielleicht berühmtestes Werk, „Attera Totus Sanctus“, einen grammatikalischen Fehler enthält und korrekterweise eigentlich „Atterat Totum Sanctum“ heißen müsste?
Das war Calligulas Idee. Du musst es auch so sehen: Künstlerische Freiheit heißt auch, dass nichts perfekt sein muss. Es geht ja nur darum, was du mit einem Titel und der Wortwahl ausdrücken möchtest. Ich weiß, dass es nicht perfekt konstruiert ist, aber es passt trotzdem zu diesem Album.

Jetzt also „We Are The Apocalypse“. Der Titel ist so „metal“, ich war wirklich überrascht, dass da vor euch niemand drauf gekommen ist. Du auch?
(lacht) Wir hatten den Song mit diesem Titel bereits fertig, und Heljarmadr und ich wollten einen Titel finden, der zur Musik und der Message des Albums passt. Als wir dann alle Songtitel, die wir hatten, durchgegangen sind, sind wir an „We Are The Apocalypse“ hängengeblieben, weil er zu unserem Empfinden über das Album passt.

Und für wen sind DARK FUNERAL nun also die Apokalypse?
Das muss der Hörer selbst herausfinden.

Mit „Nosferatu“ habt ihr auch einen Text über einen Vampirfilm auf dem Album. Wie kam es dazu?
Vor ein paar Jahren hat uns mal ein Typ wirklich dafür gehasst, dass wir auf einmal einen Vampirtext bei DARK FUNERAL hatten … Ich habe ihn gefragt: „Hast du jemals ‚Shadows over Transylvania‘ gehört? Du hast keine Ahnung von der Band, über die du sprichst!“ Natürlich war das ein Einfluss für uns, seit der ersten Mini-CD. Und das Cover dieser Mini-CD hat auch eine Verbindung in diese Richtung. Insofern ist das für mich nicht sonderbar oder neu. Aber als Heljarmadr vorgeschlagen hatte, das wir einen Song über „Nosferatu“ machen sollten, war ich zuerst etwas skeptisch, weil ich nicht verstanden habe, worauf er hinaus wollte. Ich habe mir ein paar Tage Bedenkzeit erbeten, und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto mehr habe ich es verstanden. Zum einen ist der Original-Film von 1922, und wir veröffentlichen unser Album 2022 – also zum hundertjährigen Jubiläum. Auch Horrorfilme generell feiern jetzt hundertjährige Existenz als Genre. Seine Idee war, das als Würdigung darauf zu machen, und die alte, düstere, kalte Atmosphäre des originalen Films im Song wieder aufleben zu lassen. Es ist also eine Hommage an etwas, das uns etwas bedeutet.

Es ist sicherlich düster, aber er bezieht sich auf Kunst, nicht auf eine Ideologie. Ist das für euch noch Satanismus, würdest du DARK FUNERAL heute noch als eine satanistische Band bezeichnen, wie du es früher getan hast?
Natürlich, ja. Aber ich denke, wir fassen das heute persönlich etwas weiter. Aber die meisten Songs und Ideen entstehen daraus. Einige Leute greifen ein paar Worte hier und da aus den Texten heraus, aber verstehen die Texte nicht und was wir damit sagen wollen. Das ist irgendwie schräg. Die Leute sollten wirklich versuchen, zu verstehen, was wir mit den Texten sagen wollen.

Dark Funeral - Tomasz Podgorny Promo Pic 4
Lord Ahriman / DARK FUNERAL – © Tomasz Podgorny

Wir hatten gerade Horrorfilme als Einfluss angesprochen – wie steht es um Black Metal als Einfluss? Erstaunlich viele Musiker aus dem Black Metal erklären in Interviews, dass sie privat keinen Black Metal hören. Wie ist das bei dir, läuft bei dir daheim Black Metal?
Nicht sonderlich viel, nein.

Noch so einer …! (lacht) warum hören die Leute, die den besten Black Metal machen, selbst keinen Black Metal?
(lacht) Vielleicht, weil ich im Geist frei bleiben möchte. Natürlich höre ich Black Metal, heute hatte ich zum Beispiel Immortal in der Playlist – das ist einfach immer noch so verdammt gut! Also ich höre schon noch einige Black-Metal-Bands. Aber normalerweise höre ich eher andere neuere, düstere Musik. Nicht unbedingt Gothic, mehr in Richtung Industrial-Goth … aber ich weiß nicht, wie man das Genre korrekt nennt. Und natürlich höre ich nach wie vor viele der Bands, mit denen ich groß geworden bin. Alter Thrash und Heavy Metal … Judas Priest, Destruction, Exodus, Testament. Mit diesen Bands bin ich aufgewachsen, und die ich immer noch höre. Natürlich höre ich auch einige neue Bands, auch Black Metal. Aber wenn du diese Musik selbst spielst, und DARK FUNERAL 24/7 lebst, ist es auch mal nett, nicht noch ähnliche Musik laufen zu lassen.

Und kommen wir zum Abschluss noch auf das Thema Livemusik und Corona zu sprechen – ihr habt bald eure Release-Show, generell hat Schweden schon etwas früher geöffnet und es gab schon wieder einige Konzerte. Was erwartest du: Werden eher mehr Leute kommen als vor der Pandemie, weil alle „ausgehungert“ sind, oder eher weniger, weil sich viele an ein Leben ohne Shows gewöhnt haben?
Ich weiß es nicht. Ich habe mit ein paar Bands aus dem extremen Metal gesprochen, die in den letzten Wochen hier in Stockholm aufgetreten sind, da waren die Zuschauerzahlen wohl ziemlich schlecht. Ich habe das auch aus Amerika gehört – ich habe mit ein paar Freunden dort gesprochen: Das Interesse an Shows dort ist gut, aber noch nicht wieder so groß wie vor der Pandemie.Vielleicht sind die Leute einfach noch nicht wieder in der Stimmung, auf Konzerte zu gehen. Ich kann das auch bei mir selbst feststellen: Ich war zwar bei ein paar Veranstaltungen – keine Konzerte, aber andere Events – aber eben auch nicht auf so vielen, wie ich es vor der Pandemie gewohnt war. Ich  glaube, jeder hat es vermisst – aber man muss dann eben auch den Schritt tun und wieder auf Konzerte gehen, wie man es gewohnt war. Vielleicht braucht es etwas Zeit, bis sich das wieder einpendelt. Aber ich werde trotzdem rausgehen und spielen! Man kann nur hoffen, dass die Leute merken: Livemusik ist zurück, jetzt ist es Zeit, auf die verdammen Konzerte zu gehen!

Ich wünsche jedenfalls viel Erfolg für eure Release-Show und alle kommenden Touren. Vielen Dank für deine Zeit!
Danke, schönen Abend!

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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