Interview mit Heiko Khan von Runaway Dead

Metalcore ist ein Genre, das von vielen bereits als tot erklärt wurde. Gelegentlich schwingen sich aber junge Bands auf diesen sterbenden Gaul und hauchen ihm ein wenig frischen Wind ein. Das Augsburger Quintett RUNAWAY DEAD ist so eine aufstrebende Formation. Gitarrist Heiko Khan gewährte uns Einblicke in die Anfangszeit, die Entstehung der aktuellen EP „On Rooftops“ und den ganz normalen Alltagswahnsinn eines Musikers.

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Seit 2010 bist du nun mit RUNAWAY DEAD aktiv. Erzähl uns doch mal bitte ein wenig zur Entstehung der Band und wie die Namensfindung ablief.

Damals hing ich fast jedes Wochenende in der Rockfabrik in Augsburg ab. Das mache ich nebenbei immer noch. Dabei lernte ich unseren ehemaligen Sänger Grave kennen, welcher dort damals arbeitete. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft. Vor ca. 6 oder 7 Jahren, wenn ich mal auf den Kalender spicke, lernte ich unseren jetzigen Schlagzeuger Nese, ebenfalls in der Rockfabrik, kennen. Wir hatten auch vom ersten Moment an einen guten Draht zueinander. Dann kam was kommen musste, wenn man sich als wahrhaftiger Rock- und Metalfan treu bleiben wollte: Wir hatten alle zusammen ein paar Bierchen hinter der Binde und beschlossen, dass wir doch eine Band gründen sollten, da wir alle Bock hatten uns musikalisch auszuleben. Tags darauf war die Idee immer noch präsent und letztendlich am 17.01.2010 gründeten Grave, Nese und ich diese Band. Einen Monat darauf kamen als feste Mitglieder Alex an der Gitarre und Walter am Bass hinzu. Sie waren damals FOS-Schulkollegen von Grave.

Die Namensfindung lief eigentlich genau so ab wie sie auch ablaufen sollte. Wir hatten darauf keinen Einfluss, er entstand einfach. Als wir in der Anfangsphase ein paar Demotracks aufnehmen wollten – und wir damals noch weniger Geld zur Verfügung hatten als jetzt – ist uns unserer „High-End“-Laptop abgeschmiert. Als wir diesen neu starteten kam der berühmte blaue Bildschirm. In diesem Bluescreen standen viele verrückte Zahlen und Buchstaben, aber mittendrin stand zwischen dem ganzen Chaos die Zeile „runaway d3AD“. Wir wissen bis heute nicht wie diese Fehlermeldung zustande kam, aber da waren wir uns einig: Das wird unser Bandname!

Ihr präsentiert euch im Internet selbstbewusst als „Backstreet Boys der Metalwelt“. Worauf wollt ihr damit anspielen? Seid ihr so humorvoll oder so gutaussehend?
 Beides würde ich sagen. Ich hoffe du unterstellst uns nicht, dass wir das nicht sind. Aber Runaway Dead 2nun Spaß beiseite. Uns gefiel diese Metapher, da wir wie die Backstreet Boys komplett verschiedene Charaktere präsentieren. Jetzt natürlich nicht die Aufteilung von „Der Schönling“, „Der Rebell“, „Der Tiefgründige“ etc., sondern wir sind fünf Musiker aus normalerweise absolut nicht zusammenfassbaren Schichten. Ein kleines Beispiel dazu: Ich liebe Punk-Rock. Sei es Rotzpunk, Ska oder klassischer Drei-Akkord-Punk. Kennt man ja. Alex verabscheut diese Art von Musik. Ich glaube wir hatten noch kein Gespräch in dem wir uns wegen diesem Thema nicht gestritten hätten. Das ist teilweise zum Mäusemelken wie wir uns dann gegenseitig anpissen. Aber trotzdem oder gerade deswegen würde ich niemals mit einem Anderen den Bandraum oder die Bühne teilen wollen.

Euer Gründungsmitglied und Sänger Christopher „Grave“ Katzinski hat die Band Ende 2012 verlassen Wie hart hat euch der Verlust eines langjährigen Gefährten getroffen und was waren die Gründe dafür?
Das war schon ein harter Schlag. Wir waren zu der Zeit gerade mitten im Umzug in unsere neuen Räumlichkeiten in Augsburg-Haunstetten. Wände setzen, Strom verlegen, Streichen und noch viel mehr Dinge, die nicht gerade unsere absolute Lieblingsarbeit waren. Dann kam Grave auf uns zu und meinte er könne nicht länger ein Teil der Band sein. Er hätte einen Studienplatz in Ulm und würde auch dorthin ziehen. Von jetzt auf heute kam dieser Hammerschlag. So standen wir da: Halbfertiger Bandraum und keinen Sänger. Das war damals die Zeit in der wir alle darüber nachdachten die Band aufzulösen. Wir waren gestresst und erschöpft von der ganzen Arbeit. Wir konnten ja schließlich nicht proben, da der Raum noch nicht fertig war. Deshalb pfiffen wir uns auch immer öfter gegenseitig blöd von der Seite an, um unserem Unmut Luft zu machen. War keine schöne Sache. Umso erfreulicher war es als unser aktueller Sänger Moe den Weg zu uns gefunden hatte.

Mit dem soeben erwähnten Moritz konntet ihr ja bereits Anfang 2013 einen neuen Frontmann präsentieren, was ja doch relativ zügig ging. Wie lief dieser Prozess ab und wieso fiel die Wahl letztendlich auf ihn? Ich nehme mal an es gab noch mehr Bewerber.
Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt schon ein wenig Kontakt zu ihm. Wir kannten uns – wie könnte es anders sein – auch aus der Rockfabrik. Er hatte vor uns schon ein, zwei Bands und daher wusste ich, dass er das Shouting perfekt beherrschte und auch gesanglich top trainiert war. Da wir im Januar 2013 eigentlich ein Konzert auf dem Domination Festival geben sollten, welches wir aber durch den Weggang von Grave absagen mussten, hatten wir immer noch unsere fünf Gästelisteplätze für das Festival. So luden wir in salopp dazu ein mit uns das Festival zu besuchen. Gesagt, getan. So konnten wir uns schon mal ein wenig beschnuppern. Ein paar Tage nach dem Konzert hat er uns schließlich in unserem Proberaum besucht und sich sogleich das Mic geschnappt. Nach ein paar Songs im Improvisationsmodus sagte er schließlich: „Ich bin dabei!“. Ich muss dazu sagen, es gab keine Bewerber oder sonstige Rekrutierungsmaßnahmen. Er war da. Wir wollten ihn. Gespräch beendet.

Runaway Dead - On RooftopsDann kommen wir doch mal zu eurer neuen EP „On Rooftops“, die seit Ende August 2015 erhältlich ist und durchaus professionell klingt. Wie lange habt ihr insgesamt an den fünf Songs gearbeitet? Wo fanden die Aufnahmen dazu statt?
Ich glaube unser Plan war eigentlich, dass wir die EP schon Anfang 2014 raushauen wollten. Das haben wir schließlich mit „leichtem“ Verzug auch geschafft. Ich muss aber auch dazu sagen, dass wir ganz froh sind, dass wir erst so spät die EP wirklich veröffentlicht haben. Wir hatten dadurch genug Zeit genau auszuwählen welche Songs wir auf der Scheibe haben wollten. Außerdem konnten wir uns dadurch ein wunderbares Set erarbeiten, was erstens unsere Professionalität und zweitens unser Können beim Songwriting enorm gesteigert hat. Die Aufnahmen fanden in unserem eigenen Studio statt. Das war auch der Grund weshalb wir solange für den Umbau im Bandraum gebraucht hatten. Dadurch ist die Scheibe auch 100% RUNAWAY DEAD.

Und inwiefern würdest du selbst den Einfluss eures neuen Sängers auf den Stil von RUNAWAY DEAD einstufen? Ich finde schon, dass sich euer Stil seit der ersten EP „Run“ deutlich verändert hat.
Das kannst du laut sagen. Moe hat eine unglaubliche Professionalität in die Band gebracht. Er hat uns dermaßen auf Timing, Perfektion und Kreativität getrimmt, dass uns schon die Köpfe und Hände geraucht haben. Dies führte auch dazu, dass wir mit ihm zusammen unseren Stil neu erfinden konnten. Ich finde, dass wir während der „Run“-EP-Zeit unseren Stil noch nicht gefunden hatten. Das merke ich besonders jetzt im Nachhinein, wie komplett verschieden und oberflächlich unsere Musik damals war. Kein roter Faden, kein Wiedererkennungseffekt. Ohne diese Dinge kannst du als Band heutzutage keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich würde also nicht direkt sagen, dass der werte Moe unseren Stil stark in eine Richtung gedrückt hätte, sondern das er dafür gesorgt hat, dass wir selber unsere Mitte finden wollten. Dadurch machen wir jetzt den Sound den wir halt jetzt machen.

Wer nimmt denn hauptsächlich das Songwriting in die Hand? Gibt es da bei einer fünfköpfigen Band nicht auch mal Unstimmigkeiten?Heiko Khan Runaway Dead 3
Goldig, dass du es nur Unstimmigkeiten nennst. Wir haben uns beim Songwriting schon angefetzt und beleidigt wie die Gestörten. Bei uns lautet die Devise: Wenn der Groove und der Flow bei einem neuen Riff von Anfang an nicht gegeben ist, dann brauchen wir gar nicht versuchen ihn irgendwie aufzupeppen. Dann kann es nur beschissen werden.

Ich erzähl dir mal wie bei uns meistens das Songwriting läuft: In der Regel pfeffert Alex einen Riff raus. Ich steige darauf ein und verspiel mich tausendmal. Nese motzt dazwischen, dass der Riff kacke ist. Alex motzt Nese an, dass dieser sich nicht so anstellen soll und es doch mal versuchen solle. Inzwischen kann ich den Riff und versuche die beiden zu beruhigen. Walter ist alles scheißegal. Moe trinkt Bier. Anschließend diskutieren wir es aus und sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. Alex spielt dann einen neuen Riff, den er ganz spontan geschrieben hatte und tausendmal geiler war als das was er davor tagelang vorbereitet hatte. Nese, Moe und ich steigen darauf ein und wir schreiben einen geilen Song. Walter ist immer noch alles scheißegal, aber er freut sich.

Woher nehmt ihr eure Inspiration für eure Songtexte und eure Musik? Gibt es Vorbilder, die euren Stil geprägt haben oder an denen ihr euch orientiert?
Unsere Inspiration ziehen wir eigentlich aus allem was wir hören. Wir finden das man sich niemals selber zensieren sollte, sondern das machen soll was man machen will. Ich zitiere da gerne einen Herrn aus einem Workshop an dem wir mal teilgenommen haben: „Alles ist erlaubt“. Wenn ich aber präziser sein sollte, dann würde ich als instrumentale Inspiration gerne die Bands Parkway Drive, The Ghost Inside und A Day To Remember nennen. Ich finde diese Bands haben es geschafft, trotz ihres relativ harten Sounds, ein breitgefächertes Spektrum zu bieten. Unsere Songtexte kommen zu 100% von unserem Sänger Moe. Er schreibt das was ihn momentan beschäftigt oder Geschichten die ihn berühren. Wir wollen keine Texte über Politik, Welthass oder Religion. Solche Themen lehnen wir strikt ab. Das wären einfach nicht wir.

Wann kann man denn mit einem ersten Album von euch rechnen? Arbeitet ihr schon daran oder gibt es Planungen?
Momentan nehmen wir schon wieder fleißig auf. Wir wollen im Frühjahr die erste Single unseres Albums veröffentlichen. Unser Plan ist, dass wir unser neues Album im Herbst veröffentlichen. Hoffentlich haben wir diesmal nicht so viel Verzug wie bei unserer EP.

Heiko Khan Runaway DeadDann kommen wir doch mal zu deiner Person: Deine Hauptaufgabe innerhalb der Band ist der Platz an der Gitarre. Wie lange spielst du dieses Instrument schon und auf welche Art hast du es gelernt? Hast du vielleicht einen Lieblingsgitarrenhersteller?
Also Gitarre spiele ich seitdem ich 17 bin, wenn ich mich richtig entsinne. Ich hatte damals Gitarrenunterricht an der Akustikgitarre. Zupfen und solche Sachen. Dann hab ich mir eine richtig miese E-Gitarre geholt, an der ich kläglich gescheitert bin. Ich bin einfach nicht vorangekommen mit meinem Können. Dann lag sie ca. ein Jahr herum. Zwei Monate vor der Gründung der Band hatte ich mir eine neue E-Gitarre geholt. Diese Gitarre spiele ich im Übrigen immer noch. Dementsprechend schlecht war ich am Anfang auch, aber ich denke ich habe mich ganz gut an der Gitarre entwickelt. Jetzt fällt es zumindest nicht mehr auf, wenn ich mich verspiele.

Einen richtigen Lieblingsgitarrenhersteller habe ich nicht. Ich kann nur sagen, dass mir die ST-Modelle ziemlich zusagen. Ganz zum Missfallen von Alex der mir immer predigt, dass die Les Paul-Modelle so geil sind. Eventuell werde ich mir in näherer Zukunft eine neue Gitarre von Ibanez rauslassen.

Das Leben als Musiker ist bekanntlich ein hartes und somit gehe ich mal davon aus, dass du hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nachgehst. Was machst du denn, wenn du dir nicht gerade die Gitarre um den Hals hängst?
Ich bin gelernter Mechatroniker und bin derzeit im 7. Semester im Studiengang Mechatronik an der Hochschule Augsburg. Momentan muss ich aber nicht die Zeit im Hörsaal totschlagen, da ich mich im Praxissemester befinde. Dort arbeite ich von sieben Uhr bis ca. 16 Uhr. Am Wochenende arbeite ich in der Rockfabrik in Augsburg. Dort bin ich DJ am TGIF-Abend (Thank God It’s Friday, Anm. d. Red.) am Freitag und weiteren Partys, welche alle paar Wochen am Samstag stattfinden. In der Rockfabrik arbeite ich seit ca. sieben Jahren. Bis vor einem Monat hatte ich auch einen Nebenjob als Stage-Hand in einer Veranstaltungstechnik-Firma. Dort war ich auch sechs Jahre angestellt. Ich bin also schon immer mit Musik und Konzerten in Tuchfühlung. Wenn ich mal nicht arbeite, kümmere ich mich um die ganze Öffentlichkeitsarbeit und das Booking für unsere Band. Falls dann noch Zeit ist, liege ich gerne auf der Couch, zocke PS4, sehe einen guten Film oder gönne mir ein Bierchen mit Freunden.

Mit RUNAWAY DEAD konntet ihr ja mittlerweile einige Liveauftritte bestreiten. An welches Konzert hast du persönlich die beste Erinnerung? Gibt es eventuell auch einen Auftritt, der eine lustige oder peinliche Anekdote bereithält?
Also eines unserer geilsten Konzerte, meiner Meinung nach, hatten wir bei dem Release unserer EP in der Rockfabrik in Augsburg. Das war eine so heftige Stimmung. Ich kam mir vor wie ein großer Rockstar. Zeitgleich gab es da aber auch eine ziemlich peinliche Aktion meinerseits. Als wir bei dem letzten Song von der Bühne gingen riefen die Leute laut Zugabe und machten richtig Radau. Wir sind ja natürlich nicht so und gingen zurück auf die Bühne um unsere Zugabe zu geben. Unglücklicherweise war ich äußerst geschickt, blieb am Bühnenaufgang hängen und schmiss meine In-Ear-Funke auf den Boden. Das witzige war daran, dass erstens die Funke nicht mehr am Gürtel hing und zweitens die Halterung der Funke nicht mehr zu finden war. Gottseidank fand Walter den Bügel relativ flott und gab ihn mir. Trotzdem musste ich es über mich ergehen lassen, dass ich auf der Bühne, vor allen Leuten, meine Funke wieder an meinen Gürtel zu montieren. Dies erwies sich aber als relativ schwierig. Die Lacher waren auf meiner Seite.

Eine zweite Aktion, an die ich mich sehr gut erinnere, war unser allererster Gig in München in der Garage Deluxe. Dort fiel bei dem ersten Solo von Alex seine komplette Effektstrecke aus und keiner wusste warum. Auf einmal war kein Strom mehr auf der Leiste. Das kann man natürlich sehr gut gebrauchen auf seinem ersten Live-Konzert.

Runaway Dead
Okay, danke dir an diesem Punkt nochmal für deine Zeit und das Interview. Wenn du nichts dagegen hast würde ich das Interview mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was fällt dir spontan zu den folgenden Begriffen ein?

Wacken: Bier
Dein Lieblingsalbum: Momentan Brainwashed von While She Sleeps
Killswitch Engage: Howard Jones
RTL: Familien im Brennpunkt
Erdmännchen: ALAN
Dein Plan die Welt zu retten: Mit Koks und Nutten kann man alle Problem lösen

Die letzten Worte gehören dir. Gibt es noch etwas, dass du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Ich könnte jetzt groß und breit erklären weshalb man uns hören sollte und weshalb wir die geilste Band auf der Welt sind, aber solche 0815-Aussagen gibt es schon zu genüge. Wir sind auch nicht die Typen die sich FB-Likes kaufen oder sonstigen Mist veranstalten. Wir sind normale Typen die ihre Leidenschaft in ihrer Musik ausleben und vielleicht manchmal zu viel Bier trinken und zu viele Zigaretten rauchen, aber ich sag jetzt mal ganz simpel was ihr tun solltet: EP kaufen, anhören, geil finden!

Bilder von ACP – Augsburg City Photographers

Publiziert am von Christian Denner

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