Interview mit Lorenz Kandolf von Traitor

2022 feiern wir 40 Jahre Thrash Metal in Deutschland. Die Vorreiter und Thrash-Legenden Kreator, Sodom, Destruction und Tankard sind nach wie vor aktiv, aber der Nachwuchs schläft nicht. TRAITOR aus Balingen haben sich inzwischen einen sehr guten Namen im Underground gemacht und können auch mit ihrem vierten Album „Exiled To The Surface“ wieder voll überzeugen. Mit Bassist Lorenz Kandolf sprechen wir über die ungewöhnliche Zusammenstellung der Platte, die „New Wave Of Thrash Metal“ und Thrash Metal als Lebensgefühl.

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Hallo Lorenz, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie ergeht es dir dieser Tage und einige Zeit nach Albumrelease?
Hey Stefan, sehr gerne doch! Uns geht es super, das Album kommt sehr gut an und wir sind allgemein sehr zufrieden mit der aktuellen Situation! Auch live werden die neuen Lieder super angenommen und wir hatten bis jetzt super Shows damit – es gibt also keinen Grund für Beschwerden!

Das Cover von "Exiled To The Surface" von TraitorMit „Exiled To The Surface“ seid ihr erstmals auf Platz 44 der Albumcharts eingestiegen, Glückwunsch! Was bedeutet euch eine Chartplatzierung und was sagt das heutzutage über die Verkäufe eines Albums aus?
So eine Chartplatzierung ist natürlich was Tolles. Irgendwie bestätigt so etwas ja auch das eigene Schaffen. Dennoch muss man sagen, dass das ja nur eine Zahl ist und auch nicht wirklich repräsentativ für alle Belange einer Band ist. Siehe Mantar, die waren ja auf Platz 2, soweit ich mich richtig erinnere? Trotzdem mussten die Jungs ihre Tour einstampfen. Kurz und knapp: Ist ein schönes Gefühl und hat uns mega gefreut und auch überrascht – dennoch sehen wir das als weiteren Ansporn für uns, da so eine Chartplatzierung natürlich nicht mit einem Geldregen einhergeht.

Wie hast du die Resonanzen auf das Album allgemein wahrgenommen? „Knee-Deep In The Dead“ dürfte für euch der erste Schritt aus dem Underground heraus gewesen sein, die Scheibe kam ja allgemein extrem gut an.
Ich kann mich da absolut nicht beschweren! Jedes Album – sei es „Thrash Command“, „Venomizer“ oder auch „Knee-Deep In The Dead“ – wurde generell sehr gut aufgenommen. Wir hatten da nie einen totalen Verriss dabei, was natürlich super ist. Meiner Meinung nach ist „Exiled To The Surface“ eine natürliche Weiterentwicklung im Vergleich zu den anderen Platten. Aber auf der Platte haben wir, meiner Meinung nach, auch endlich „unseren“ Sound und Stil gefestigt. Die Songs klingen einfach wie TRAITOR. Klar, manch einer wird sagen „klingt wie Band XY“ usw., aber meines Erachtens kann man mittlerweile schon gut differenzieren, ob das ein TRAITOR Song ist oder ein Lied von einer anderen Thrash-Band.

Ich finde, „Exiled To The Surface“ ist genau so intensiv und brutal wie von euch gewohnt, dennoch sind die Songs eingängiger und abwechslungsreicher. Wie siehst du das und macht ihr euch beim Songwriting spezielle Gedanken, in welche Richtung ein Album gehen soll?
Vielen Dank! Wir machen uns natürlich Gedanken während dem Songwriting. Aber wir haben jetzt nicht so die Arbeitsweise nach dem Motto „…es muss genau in die Richtung gehen!“ Es gibt so ein paar „Rezepte“, was unseren Stil ausmacht bzw. einfach unser Songwriting hergibt, aber das passiert von alleine! Im Vergleich zu früher hören wir vermutlich unsere Demos kritischer durch und machen entsprechend viele Versionen und überarbeiten diese öfters als früher. Wobei das nicht heißen soll, dass das auf den anderen Platten nicht der Fall war. Möglicherweise war da nur der „jugendliche Leichtsinn“ stärker ausgeprägt und jetzt ist es eher so in die Richtung „Wir können das noch besser hinbekommen!“

Traitor Bandfoto
TRAITOR; © KUBO Fotoart

An der Neuaufnahme von „Teutonic Storm“ merkt man im Vergleich zum Original von 2015 deutlich, dass ihr euch vor allem in puncto Sound und Gesang verbessert habt. Warum habt ihr euch für den Track als Neuaufnahme entschieden und wie siehst du selbst eure Verbesserung in den letzten Jahren?
Eigentlich war die Neuaufnahme für die 7“-Vinyl von „Total Thrash – The Teutonic Story“ gedacht, da dieser Song auch im Film vorkommt. Schlussendlich haben wir uns dann aber für eine Split mit Rezet entschieden – wir fanden das cooler und das hat auch einen größeren Mehrwert. Beide Bands sind auch im Film und somit gab es ’ne tolle Split-Vinyl und zusätzlich jeweils ein Feature mit Tom Angelripper und Schmier!

Ich glaube, dass das noch nicht alles ist. Da gibt’s noch Luft nach oben. (lacht) Aber natürlich wollen wir uns generell verbessern und auch weiterentwickeln. Momentan klappt das auch noch super – Klopf auf Holz, dass das auch so bleibt!

Auf dem Album sind nur vier wirklich neue Songs vorhanden. Wieso habt ihr euch dazu entschieden, die neuen Tracks des „Decade Of Revival“-Boxsets nochmal mit drauf zu nehmen?
Decade Of Revival“ war ja unsere 10-Jahres-Geburtstagsbox. Der Schwerpunkt lag hierbei auf dem Live-Album und der DVD. Wir hatten die ja auch Ende 2019 veröffentlicht, aber nur mit einer kleinen Auflage von 500 Stück. Dann kam das böse C und die vier Studiotracks sind etwas unter dem Radar verschwunden – fand ich sehr schade.

Des Weiteren gab es leider kein Vinyl von den Aufnahmen, was auch der ausschlaggebende Punkt war, die vier Songs auf das jetzige Album zu packen. Wir haben da echt so ein paar „Hassmails“ bekommen, was uns denn da einfallen würde und blablabla. Jetzt gibt’s die Songs auch auf Vinyl mit einer größeren Auflage und ich freu‘ mich persönlich auch sehr darüber, da die Schallplatte natürlich nochmal anders gemastert wurde und somit auch einen anderen Sound hat!

Die vier Tracks gab es nicht nur in der Box, sie waren ja dennoch digital verfügbar. Der durchschnittliche Thrash-Fan dürfte aber noch sehr traditionell sein und sammelt nach wie vor leidenschaftlich CDs und Vinyl. Welchen Stellenwert haben die physischen Formate bei TRAITOR?
Ja, zum Glück! Physische Formate haben natürlich einen großen Stellenwert bei uns! Mittlerweile ist ja eine CD oder eine Schallplatte mehr wie so eine Art Merchandise, aber ich bin da immer noch ein großer Fan von! Aber ich verstehe auch den Komfort von Streaming und Co. Hat alles seine Pros und Cons. Aber Leute, kauft wieder mehr CDs und Schallplatten!

Traitor Bandfoto
TRAITOR; © KUBO Fotoart

Wie sieht es da bei euch bzw. dir persönlich aus? Sammelst du CDs, LPs und Special Editions und platzen die Regale aus allen Nähten?
Aus den Nähten platzt jetzt nicht alles bei mir – wobei ich jetzt auch wieder ein neues CD-Regal an die Wand dübeln musste! Unser Andi hat massig Schallplatten und CDs, Matze hat auch jede Menge und er hört auch zu 98 % alles im Auto mit der guten alten CD. Da bin ich beispielsweise anders und nutze mehr die Streaming-Angebote – spart auch Platz im Handschuhfach!

Wie kam es dazu, dass ihr „Total Thrash“ zur gleichnamigen Doku beigesteuert habt?
Ach, das war eigentlich eine ganz nette Geschichte. Daniel Hofmann, der Regisseur von „Total Thrash – The Teutonic Story“, hat uns da einfach gefragt und wir hatten natürlich Bock dazu. Wir kennen uns auch seit einigen Jahren und von daher war der Kontakt schon da. Er kam so fünf vor zwölf damit ums Eck und hat gemeint: „Jo, ihr seid doch ’ne Thrash-Band und auch in dem Film drin – macht mal ’nen Song!“ Gesagt, getan!

Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Tom Angelripper bei diesem Song?
Tom und allgemein die Gang von Sodom kennen wir bereits seit einigen Jahren persönlich und können uns auch ganz gut leiden. Ich glaub‘ auch, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. (lacht) Von daher hatte Daniel Tom einfach gefragt, wir hatten ihm ein paar Demos geschickt und ihm hat gefallen, was er gehört hat und er war dabei! Tom ist super und auch mega bodenständig. Er hätte freilich auch abgelehnt, wenn ihm der Song nicht gefallen hätte – zum Glück war’s ja genau das Gegenteil und wir sind alle sehr zufrieden damit!

Im September 2021 waren Sodom in der Kritik, weil sie ihren Auftritt beim umstrittenen Steelfest wegen NSBM-Bands im Billing nicht gleich abgesagt hatten und an der Zusage festgehalten haben. Wie hast du das aufgefasst und wie stehst du zu dem Thema?
Klar, hab‘ ich mitbekommen! Ich bin da so ein bisschen gespalten und kann da nur für mich sprechen. Einerseits muss man sehen, dass das Booking ja von einer externen Firma übernommen wird, die nun mal für Sodom zuständig ist. Da wurde man für 2020 gebucht und die Anfrage kam sicherlich 2019 rein. Dann war zwei Jahre Stillstand, das Billing vom Steelfest hat sich auch massiv geändert und war nicht mehr mit dem ehemaligen Billing vergleichbar. Hinzuzufügen muss man auch noch, dass man Tom bzw. Sodom eigentlich nicht vorwerfen kann den Überblick über jedes Festivalbilling zu haben. Zudem auch noch nach der Pandemie, man hat diese Nachholtermine aus 2019 und freut sich erstens live spielen zu können und zweitens wieder ein wenig Geld zu verdienen. Des Weiteren waren ja auch mega viele andere Bands dort, die bei Gott nichts mit rechten Spinnern zu tun haben. Ich glaube eher, dass das Steelfest sich damit komplett ins Aus befördert hat und zukünftig gemieden wird. Wobei man auch sagen muss, dass der Facebook-Kommentar ein wenig unglücklich formuliert war. Aber Sodom da in eine rechte Ecke zu drängen ist absoluter Bullshit – siehe „Bombenhagel“.

Worin liegt bei euch der Reiz von Gastbeiträgen für TRAITOR? Könntet ihr euch auch mal genrefremde Gäste vorstellen, wie es sie zuletzt z. B. bei Megadeth mit Ice-T oder Kreator mit Sofia Portanet gab?
Das gibt dem Ganzen nochmal so eine neue Würze! Wenn es zur Musik passt, dann kannst du eigentlich mit jedem was Tolles zu einem Song beitragen! Würde mich da jetzt nicht auf irgendwelche Genres beschränken. Ich mag so was!

Apropos genrefremd: Mit „Careless Whisper“ habt ihr einen Wham!-Song gecovert und der macht in dieser Version richtig Spaß. Man hört das Original noch durch, eure Version ist aber total eigenständig. Wie seid ihr auf die Idee dazu gekommen?
Ich glaube, dass das die Idee von Andi war. Auf der „Knee-Deep In The Dead“-Platte hatten wir bereits „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones gecovert. Aber da hat man irgendwie nicht so viele Freiheiten wie beispielsweise bei einem genrefremden Song. Daher hat sich angeboten, etwas komplett Eigenständiges zu machen und wir sind auch alle große 80s-Pop-Fans!

Dass Thrash ein eher konservatives Genre und klar definiert ist, hatten wir vorhin schon mal als Thema. Denkst du, eure Fans würden genrefremde Elemente annehmen oder geht das eher gegen den klassischen Old-school-Gedanken?
Wir nehmen das ja selber nicht komplett „bierernst“. Ich finde das eigentlich recht cool, auch andere Sachen mit einfließen zu lassen – muss halt stilistisch auch dazu passen. Ich weiß jetzt nicht, ob so dicke Hip-Hop-Beats zu unserer Musik passen würden. Aber hier und da mal was Frisches beizusteuern, macht es ja auch interessanter. Kann man mögen oder halt auch nicht.

Traitor Bandfoto
TRAITOR; © KUBO Fotoart

Ganz allgemein gefragt: Was bedeutet Thrash Metal als Musik, als Begriff, als Lebensgefühl für dich?
Diese „I don’t fucking care“-Einstellung. Ich sehe das nicht mehr als rebellische Phase oder so was. Aber einfach sein eigenes Ding zu machen, auch wenn das manche Leute nicht mögen, das ist es! Klingt irgendwie verdammt cheesy, aber so ein Gefühl habe ich bei der Musik. So etwas habe ich auch davon mitgenommen und lebe entsprechend so. Natürlich soll man nicht als komplettes Arschloch durch die Welt stapfen – aber einfach mal ein bisschen mehr einen Fick auf die Etikette geben und mehr sein eigenes Ding machen. Wie bereits eine semi-bekannte Punk-Band schon sagte: „Lass die Leute reden!“

Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein?
Aktuelles Lieblingsalbum:
Inhuman Condition – Fearsick.
New Wave Of Thrash Metal: Sehr coole Community mit vielen befreundeten Musikern und neuen Ideen! Verdammt geiles Konglomerat aus Old-School und moderner Interpretation unserer Lieblingsmusik!
Bestes Buch-/Film-/Serien-Universum: Frank Schätzling – „Der Schwarm“.
Natur: Sollte man umgehend und besser schützen! Der Mensch ist für den Klimawandel verantwortlich!
Zuhause: Ist dort, wo ich mit meinen Freunden bin – Band natürlich inklusive!
Ein Essen, das dich immer glücklich macht: Wraps mit ganz viel Schnickschnack drin!
Etwas, das einen schlechten Tag besser macht: Mehr Wraps, mit noch mehr Schnickschnack! (lacht)
TRAITOR in 10 Jahren: Album Nummer 9 oder 10 erscheint und wir sind immer noch wie eine kleine Thrash-Family und haben uns nicht die Köpfe eingehauen!

Nochmals vielen Dank für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir.
Vielen Dank für das Interview, Stefan. Checkt doch alle mal „Exiled To The Surface“ aus. Besucht mal unsere Homepage. Kommt auf ein Konzert und trinkt ein bis zwölf Bier mit uns. Don’t be a dick and stay Metal!

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