Konzertbericht: Anvil w/ Trance

17.03.2018 Münster, Sputnikhalle

41 Jahre und kein bisschen leise. Nachdem das kanadische Metal-Urgestein ANVIL im Januar diesen Jahres mit „Pounding The Pavement“ ihr mittlerweile 17. Studioalbum veröffentlicht hat, befindet sich das Trio seit Februar auf Europa-Tournee. Unterstützt werden sie dabei von TRANCE, die ihre Karriere ebenfalls bis in die Anfangstage des Heavy Metals zurückverfolgen können. Der Abend verspricht also – trotz der arktischen Temperaturen, die an diesem Samstagabend in Münster herrschen – musikalische Unterhaltung vom Feinsten.

Verblüffend pünktlich betreten TRANCE die Bühne der um kurz nach 20 Uhr bereits gut gefüllten Sputnikhalle und sorgen, zumindest bei mir, kurzzeitig für Irritation. Denn auf der durch zwei Schlagzeuge doch arg beengten Bühne steht ein neuer Sänger – wie sich später herausstellen sollte, hat Joe Strubel (der das Reunionalbum eingesungen hat) aus nicht ganz geklärten Ursachen kurz vor Tourbeginn die Band verlassen. Statt seiner stand Nick Holleman (ex-Vicous Rumors; Powerized) auf der Bühne, der, wie er lachend erzählt, die Songs in drei Tagen einstudiert hat. Davon merkt man hingegen nichts; sowohl die Präsenz als auch das gesangliche Können des gerade einmal 26 Jahre alten Sängers sind umwerfend und es gelingt ihm in kürzester Zeit das Publikum in seinen Bann zu schlagen. TRANCE spielen an diesem Abend hauptsächlich Songs aus früheren Tagen, wobei vor allem das längere „Loser“ im instrumentalen Mittelteil live eine besondere Atmosphäre zu erzeugen vermag. Die Band ist bestens aufeinander eingespielt und darf mit einem zunehmend klareren Sound  ihren geradlinigen, melodischen Heavy Metal auf die Zuhörer loslassen. Neben der witzigen und charismatischen Art von Sänger Holleman, der auch schon einmal längere Spaziergänge durch die Reihen der Zuschauer unternimmt, fällt vor allem das agile Bühnenverhalten von Gitarrist Eddi St. James auf, der sich und seine schwarze Gitarre gekonnt in Szene zu setzen weiß. Leider fallen die Lichtverhältnisse eher bescheiden aus (etwas weißes Licht, etwas rotes, fertig) und vor allem Gitarrist und Kopf der Band, Markus Berger, verschwindet immer wieder im Dunkel des Bühnenrandes. An der Präzision und Treffsicherheit seiner Soli geht dies allerdings spurlos vorbei. Nach zehn Songs beschließt die Band mit „Loud & Heavy“, leider dem einzigen Stück vom aktuellen Output „The Loser Strikes Back“, ihren in jederlei hinsicht gelungenen Auftritt. Und ganz ehrlich: Man hätte den fünf Herren durchaus noch ein paar Minuten Spielzeit gönnen können. Sie wären es wert gewesen.

  1. Intro
  2. Heavy Metal Queen
  3. Sensation
  4. We Are The Revolution
  5. Break Out
  6. Confession
  7. Burn The Ice
  8. Break The Chains
  9. Loser
  10. Shock Power
  11. Victory
  12. Loud & Heavy

Nach einer kurzen Umbaupause betreten sodann ANVIL die mittlerweile weitaus geräumigere Bühne und starten ihr Set mit dem obligatorischen „March Of The Crabs“, das von Lips inmitten der ihn umstehenden Fans gespielt wird. Überhaupt hat der ganze Abend einen geradezu intimen Charakter, Berührungsängste gibt es keine. ANVIL haben das Publikum von Anfang an auf ihrer Seite und zeigen, obwohl sie bereits seit Anfang Februar unterwegs sind, keinerlei Ermüdungserscheinungen. Lediglich Lips Stimme wirkt ab und an angeschlagen – und das in puncto Gesang Abstriche gegenüber der Vorband gemacht werden müssen, war von vornherein klar. Der Vergleich mit dem stimmgewaltigen Holleman mag unangebracht sein, aber er verweist zumindest auf eine sprechende Tatsache: der junge Holleman ist 26, Lips seit Anfang März 62. Mittlerweile hat sich das Alter auch tiefer in sein Gesicht gegraben, was dem Lausbubencharme des Kanadiers keinen Abbruch tut. Lips grinst und lacht wie eh und je und schüttelt ein Solo nach dem anderen aus dem Ärmel, ohne allzu viele Blicke auf das Griffbrett zu richten. Flankiert wird das Dauergrinsen an der Gitarre von Bassist Chris Robertson, der in Sachen Gesichtsgymnastik ähnlich versiert agiert und vor allem technisch begeistert – selten klangen ANVIL so tight. Dass es nach 41 Jahren Bandgeschichte einiges zu erzählen gibt, versteht sich von selbst und so plaudert Lips (der extrovertierte Gegenpart zum eher schwiegsamen, aber unfassbar präzisen Schlagzeuger Robb Reiner) zwischen den Songs ausgiebig  aus dem Nähkästchen. Egal ob er von ausschweifenden Partys mit dem verstorbenen Lemmy Kilmister berichtet, von den eigenen persönlichen Verlusten spricht oder die Hintergründe zu einzelnen Songs erläutert („Bitch In A Box“ vom aktuellen Album handelt von frustrierenden Erfahrungen mit Navis), das Publikum hängt an Lips‘, nun ja, Lippen.

Die Setlist bietet neben Klassikern eine Vielzahl von Songs neueren Datums, darunter zwei Songs vom Hit-Album „Juggernaut Of Justice“, zudem das grandiose „This Is Thirteen“ und eine Handvoll Stücke vom neuem Album „Pounding The Pavement“. Natürlich gibt es wieder ein langes Schlagzeug-Solo und natürlich packt Lips wieder den Vibrator aus, um damit seine Gitarre zu malträtieren; man kennt das bereits alles, aber es kommt so frisch, unverbraucht und grundehrlich rüber, dass man einfach Spaß haben muss. Zudem spielen ANVIL ihre Songs absolut treffsicher runter und bieten eine schweißtreibende und zutiefst ironische Show. Nach gut 90 Minuten verabschieden sich die Kanadier mit einer Cover-Version von „Born To Be Wild“ – besser konnten sie den Abend nicht beschließen.

  1. March Of the Crabs
  2. 666
  3. Oh Baby
  4. Badass Rock ´n´ Roll
  5. Doing What I Want
  6. Winged Assassin
  7. Free As The Wind
  8. On Fire
  9. This Is Thirteen
  10. Mothra
  11. Bitch In The Box
  12. Daggers And Rum
  13. Swing Machine (inkl. Drum Solo)
  14. Ego
  15. Die For A Lie
  16. Metal On Metal
  17. Running
  18. Born To Be Wild

Kurz und gut: Wer an diesem Abend traditionellen Metal gesucht hat, hat ihn in höchster Qualität serviert bekommen. Sowohl ANVIL als auch TRANCE sprühten vor Spielfreude und die sympathische Atmosphäre in der Sputnikhalle sowie die sehr moderaten Bierpreise trugen ihr Übriges zu dem gelungenen Konzert bei. Wer es noch nicht wusste, der hatte an diesem Abend Gelegenheit zu erfahren, warum der Heavy Metal eben doch die schönste Musik der Welt ist.

Publiziert am von Manuel Förderer

Fotos von: Manuel Förderer

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