Konzertbericht: ASP w/ Ally The Fiddle

2012-03-01 Roxy, Ulm

Nein, großer Andrang herrschte nicht am Einlass des Ulmer Roxys: Die Schwarze Szene an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg – sie steckt verglichen mit Stuttgart und München noch in den Kinderschuhen. Derweil hatte sich für den 01. März durchaus Namhaftes angekündigt: ASP legten auf ihrer „fremd 2“-Tour zusammen mit Ally The Fiddle einen Zwischenstopp im (schwarzen) Schwabenland ein. Und ab und an sind es genau diese kleinen, aber feinen Konzerte, die sich zu etwas wahrhaft Großem entwickeln. So auch in Ulm. Medien berichten bei solchen Shows vor rund 500-700 Besuchern meist von einer intimen Atmosphäre, um über die überschaubare Gästezahl hinwegzutäuschen. Doch nicht immer geht „intim“ einher mit „kaum Publikum“. Außerdem ist manchmal sogar weniger mehr.

Nachdem im vergangenen Herbst noch Lahannya den Abend für ASP eröffneten, begleitete Ausnahmeviolinistin Ally Storch mit ihrem Soloprojekt ALLY THE FIDDLE die Frankfurter Szenegrößen auf diesem Tourblock. In Ulm fehlte Stammgitarrist Robert mit einer Sehnenscheidenentzündung und wurde kurzfristig durch Simone ersetzt. Ein Umstand, der ohne separate Erwähnung nur den wenigsten aufgefallen wäre, denn Simone fügte sich hervorragend in die Band ein. Die musikalische Umsetzung der größtenteils instrumentalen Stücke aus den beiden Veröffentlichungen „Red Unicorn“ and „A Crumbling Autumn“ war ebenfalls gelungen. Lediglich der Opener – gleichzeitig Titeltrack und Namensgeber der ersten EP – geriet etwas lang als Einstieg. Leider spielte das Ulmer Publikum am frühen Abend nicht mit und die klassische Geigenmusik sorgte mit ihren Rockakzenten nur sehr selten für nennenswerte Reaktionen im Zuschauerraum. Mehr als Höflichkeitsapplaus war größtenteils nicht zu hören. Beim letztjährigen Festival Mediaval entfaltete sich das bemerkenswerte Soundspektrum unter freiem Himmel deutlich besser. So dauerte es für Ally und ihre Fiedel ein wenig länger, bis sie doch noch die verdiente Anerkennung für ihr flinken Finger bekam.

Doch auch ASP selbst brauchten eine Weile, um das gesamte Roxy zu vereinnahmen. Die Kombination aus dem schwelgenden Albumintro „A Prayer For Sanctuary“ und dem elektrorockigen „Wechselbalg“ hatte sich bei der letztjährigen Herbsttour bereits bewährt. Doch obwohl mit der Up-Tempo-Nummer „Wer sonst“ relativ schnell ein weiterer Szenehit und Livekracher rausgehauen wurde, dauerte es, bis die schwarze Meute vor der Bühne in Wallung kam. Auch ASP selbst wirkte bei „Wechselbalg“ noch ein wenig atemlos, bevor er mit der neuen Single „Eisige Wirklichkeit“ sowie – überraschend – dem Live-Urgestein „Und wir tanzten“ richtig Betriebstemperatur aufnahm. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die Band den gesamten Saal hinter sich.
Angenehm waren die leichten Veränderungen zur „fremd 1“-Tour: So fanden sich mit „Ich komm dich holn“ und der Vampir-Story „Sara“ gleich zwei sehr alte Songs in der aktuellen Setliste wieder. Entsprechend lohnenswert geriet der doppelte Tourbesuch somit besonders für langjährige Anhänger. „Sara“ nutzte ASP direkt für eindeutige Zweideutigkeiten über zu viel Saugerei in der heutigen Musikwelt, nachdem er kurz zuvor schnippisch anmerkte, er würde seine Konzerte „viel lieber für die schönen Menschen als für YouTube spielen“. Im zweiten Drittel lobte ASP schließlich trotz der überschaubaren Menge die wunderbare Stimmung im Roxy und deutete eine baldige Rückkehr an – keine bloßen Lippenbekenntnisse, gaben sich die Ulmer Fans doch erstaunlich feierwütig und laut. Als die Temperatur immer weiter anstieg und ASP sichtlich schwitzend dies gegen Ende ebenfalls in Worte packte, schrie ein Fan laut „Ausziehen!“ und wurde spontan spaßeshalber der Halle verwiesen, denn „Fasching ist vorbei“. Doch zurück zur Musik:
Der Mittelteil mit einer rockigen Mischung aus neuem („FremdkörPerson, erstens“) und altem („Kokon“, „Schwarzes Blut“) wurde eins zu eins aus der Herbsttour übernommen und brachte die Ulmer Fanschar in Wallung, meist bereits durch die ersten Synthesizerelemente. Lautstark wurde bei „Schwarzes Blut“ „Vorwärts, abwärts“ gebrüllt, während ASP grinsend seinen Chor von der Bühne aus dirigierte. Mit der hymnischen Komposition „Demon“ leiteten die Frankfurter balladesque den Endspurt ein, für den Ally noch einmal mit ihrer Geige auf die Bühne gebeten wurde. Im Vergleich zu Lahannya konnte sie mit ihrem Instrument im folgenden Block deutlich mehr Akzente setzen als die schwarze Sängerin beim „Werben“-Duett als weiblicher Gegenpart zur männlichen Leadstimme. Die um Livestreicher aufgemotzten Intros von „Duett (Minnelied der Incubi)“ und „Sing Child“ kennt man bereits vom akustischen „Zaubererbruder – Der Krabat-Liederzyklus“ und der „Horror Vacui“-Live-CD, doch Allys beeindruckendes Fingerspiel dabei zu sehen, wertet die Songs noch einmal auf. Hinzu kam, dass bei „Duett“ wieder einmal Bassist Tossi als Gesangspartner zu ASP diente und er seine ungewohnte Rolle mit einer Hand in der Hosentasche sowie reichlich unsicherem Gesichtsausdruck wieder einmal auf enorm sympathische Weise verkörperte. Stimmlich konnte sich das Duett durchaus hören lassen.
Nach einem grandiosen „Werben“ verabschiedete sich Ally vor dem ironisch-sarkastischen „Ich bin ein wahrer Satan“ und erntete begeisternde Publikumsreaktionen. Lautstark wurde ihr Name skandiert, ehe final ASP in (inzwischen gewohnter) Neubesetzung das große Finale einläuteten. Bei „Rücken an Rücken“ wurde schließlich ein glücklicher weiblicher Fan aus Reihe 1 vom ehemaligen Schwarzen Schmetterling persönlich auserkoren, seine Antenne zum ihm abgewandten Publikum zu sein. Wer anschließend trotz gegenteiliger Aufforderung frühzeitig einen Blick auf die Bühne erhaschte, konnte sehen, dass ASP auf intensive Tuchfühlung mit seiner auserwählten Dame ging. Der Song blieb dennoch blass, besonders im Vergleich zu „Ich will brennen“, dem krönenden Abschluss. Vor dem Rausschmeißer sprach ASP noch einige Takte darüber, dass der Song auch nach vielen Jahren nichts von seinem Zauber verloren hat, sondern er an den Augen der Konzertbesucher und deren Sprechchören merkt, wie wichtig er ihnen immer noch ist. Demnach wird „Ich will brennen“ auch erhalten bleiben – genau wie ASP selbst, die sich durch den fremden Zyklus musikalisch nicht neu erfunden haben, aber ebenso wenig wie ihre Songs zum alten Eisen gehören.

Setliste:
01. A Prayer For Sanctuary
02. Wechselbalg
03. Coming Home
04. Wer sonst
05. Ich komm dich holn
06. Eisige Wirklichkeit
07. Schwarzer Schmetterling
08. Me
09. Sara
10. Und wir tanzten (ungeschickte Liebesbriefe)
11. FremdkörPerson, erstens
12. Kokon
13. Schwarzes Blut
14. Demon Love
15. Duett (Minnelied der Incubi)
16. Sing Child
17. Krabat
18. Unverwandt

19. Werben
20. Ich bin ein wahrer Satan

21. Rücken an Rücken
22. Ich will brennen

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