Konzertbericht: Blind Guardian w/ Steelwing

2010-10-08 Bamberg, Jako-Arena

Ich hätte es ja nie für möglich gehalten, aber ich bin enttäuscht aus einem Blind Guardian-Konzert gegangen. Doch dazu später.

Erst mal galt es, sich den Vorbands in der JAKO-Arena in Bamberg zu widmen. Die erste war STEELWING aus Schweden und man bekam genau das, was man sich vom Bandnamen auch erwarten konnte, nämlich sehr lederlastigen Heavy Metal der alten Schule. Hier verhielt es sich so, wie überlicherweise bei BG-Vorbands: Hauptsache schnell über die Bühne bringen. Die Jungs um den hühnerbrüstigen Sänger (ich vernahm lautstarke weibliche Kritik an ihm neben mir) bemühten sich zwar und konnten auch einige Besucher zum Bangen animieren, doch es war schon alles sehr 0815. Typischer Fall von keine eigene Identität und Tribut an die eigenen alten Helden der 80er. Nach ner halben Stunde wars rum und im Kopf werden sie nicht bleiben.

Wesentlich eigenständiger wurde es bei Vorband Nummer 2, den selbst erklärten Blind Guardian-Fans VAN CANTO, eine A-capella-Metal-Band, die als einziges Instrument ein Schlagzeug verwenden, während die vier Sänger und eine Sängerin sich um die „Instrumente“ und eben den Gesang kümmern. Das macht auf CD schon Spaß und live erst recht, auch wenn der Sound etwas dünn war und mehr Druck vertragen hätte können. Neben Coverversionen von „Wishmaster“, „Rebellion“, „Master of Puppets“ und „Fear oft he Dark“ – welche wenig überraschend am besten beim Publikum ankamen – wurden auch ein paar eigene Songs wie „Lost Forever“, To Sing A Metal Song“ und „The Mission“ zum Besten gegeben. Sehr beeindruckend waren vor allem die gesungenen Gitarrensoli, die von den beiden „Gitarristen“ und dem „Bassisten“ übernommen wurden. Ist von Platte schon sehr verrückt, das live zu sehen steigert das Erlebnis aber noch mal. VAN CANTO haben ihre Sache wirklich gut gemacht, sicher ist es Geschmackssache, aber mit und vielen anderen haben sie viel Freude bereitet.

Nach über einer halben Stunde Wartezeit war es vorbei und BLIND GUARDIAN kamen nach dem orchestralen Intro von „Sacred Worlds“ auf die Bühne und der Opener des aktuellen Albums „At The Edge Of Time“ kommt in der Liveversion gleich mal mächtig mächtig daher, das Lied passt perfekt auf die große Bühne. Gleich danach wurden auch die alten Fans beglückt und mit „Welcome To Dying“ und „Born In A Mourning Hall“ zwei Klassiker der härteren Gangart geschmettert. Einen Mangel an Klassikern gab es an diesem Abend wahrlich nicht. Die unverzichtbaren und auch heute oft geforderten „Valhalla“ und den „Bard’s Song“ wurden ebenso präsentiert wie „Traveler In Time“, „Bright Eyes“ oder die wieder mit Feuerschalen präsentierte Ballade „A Past And Future Secret“. Überhaupt war die gesamte optische Präsentation durchaus gelungen: Vor dem schicken Hintergrund mit Pyramiden und Wächtern hing eine Videoleinwand, auf die mehr oder weniger sinnvolle Unterstützung zu den jeweiligen Songs projiziert wurde. Bei „Fly“, dem „Bard’s Song“ (hier gab es schlicht das Bild eines düsteren Waldes) oder „A Voice In The Dark“ (mit Szenen aus dem dazugehörigen Video) etwa passte es sehr gut und unterstützte die Atmosphäre, „Nightfall“ etwa bekam eher sinnfreie Bilder spendiert, teilweise war das Ganze leider auch recht mangelhaft inszeniert und sah oft sehr billig aus. Zusammen mit der Lichtshow war das aber schon recht ansehnlich. Freudig überrascht war ich, dass „Mirror Mirror“ endlich den Spot als letztes Lied abgeben musste, das wurde ebenso Zeit wie das Verabschieden von „War Of Wrath“ als Intro. Im Vergleich zur 2006er Tour war Hansi stimmlich wieder besser auf der Höhe, ohne Erkältung konnte er viel mehr Aggressivität und Kraft in die Stimme legen. Die Instrumentalfraktion war wie gewohnt wieder Weltspitzenklasse, um in Guardian-Sprache zu bleiben. Nicht zuletzt dank einem guten Sound war das inklusive Pausen fast zweistündige Konzert ein wie gewohnt gutes.

Hier setzt aber nun meine persönliche Kritik an, die sich auf den letzten Satz bezieht: „Wie gewohnt“ und „gut“. „Gut“ ist ja nicht schlecht, aber gut ist bei Blind Guardian einfach irgendwie zu wenig. Und das liegt vor allem am „wie gewohnt“, denn bis auf wenige Ausnahmen ist die Setlist halt Business as usual. Während des Zugabeblocks überkam es mich: Was, noch kein Lied von meinem Lieblingsalbum, der ANATO? Kann nicht sein, da muss noch was kommen. Nach dem heutigen Rausschmeisser „Imaginations From The Other Side“, welcher an und für sich echt gut an diese Stelle passt, brauchte ich erst mal ein paar Minuten um zu realisieren, dass es das nun war, ich konnte es erst glauben, als das Abbaukommando bereits die Bühne übernahm. Statistisch betrachtet sieht es so aus: 16 Lieder wurden gespielt, 13 abgesehen vom neuen Album. Vom 2006er Album gab es gerade mal ein Lied, vom 2002er kein einziges! 8 von 16 Liedern sind gar 15 Jahre oder älter und das ist in meinen Augen viel zu viel an Klassikern. Die neuen Lieder kommen live doch richtig gut, ich liebe die Umsetzungen von „Under The Ice“, Punishment Divine“, „And Then There Was Silence“, „Otherland“ oder „Another Stranger Me“. Meine großen Highlights bei diesem Konzert etwa waren „Sacred Worlds“ und vor allem „Wheel Of Time“, das war ein Riesenerlebnis. Die Band selbst gibt ja auch zu, dass sie wenig Handlungsspielraum hätten und auch die alten Fans zufrieden stellen müssen. Meinetwegen, will ich ihnen ja nicht verbieten und die alten Sachen werden ja auch nicht schlecht, ganz und gar nicht, ich hab auch immer wieder meinen Spaß damit. Aber muss man dafür die neuen Alben dermaßen ignorieren? Darf man eigentlich nicht, irgendwie sind BLIND GUARDIAN ja auch selbst schuld dran, wenn 75% des Konzerts stets ein Best Of der 90er sind. Da bräuchte es mal eine radikale Änderung der Setlist, das Grundgerüst ist halt seit vielen Jahren das gleiche, und wenn man vier Jahre auf ein Konzert wartet, darf man doch wohl auch ein paar Änderungen erwarten. Da ist es im Endeffekt halt auch nicht genug, mal die Positionen von „Mirror Mirror“ und „Imaginations From The Other Side“ zu tauschen.

Das klingt jetzt vielleicht kritischer als es sollte, aber sowas ärgert mich halt. Man muss es weder den Neueinsteigern noch den Ewig Gestrigen rechtmachen wollen. Ich kaufe des Hansi und seinen Freunden nämlich einfach nicht ab, dass sie Tour um Tour mehr Spaß daran haben, immer die relativ gleiche Setlist mit dem alten Zeug zu zocken, als die neuen Lieder. Ihre Alben zeigen es ja, BLIND GUARDIAN macht stets einen Schritt nach vorne, entwickelt sich weiter. Diese Innovation müsste nur endlich mal bei den Konzerten ankommen. Und ich denke, da spreche ich für viele Guardian-Fans, die eben alle Alben und auch die Neuen gut finden. Aber um nicht falsch verstanden zu werden: BLIND GUARDIAN ist nach wie vor eine geniale Liveband, ich kann nur jedem empfehlen, ein Konzert zu besuchen.

Setlist:

Sacred Worlds
Welcome To Dying
Born In A Mourning Hall
Nightfall
Fly
Time Stands Still (At The Iron Hill)
Traveler In Time
Valhalla
A Past And Future Secret
Bright Eyes
A Voice In The Dark
Mirror Mirror
——————————————–
Ashes To Ashes
The Bard’s Song (In The Forest)
Wheel Of Time
Imaginations From The Other Side

Geschrieben am 8. Oktober 2010 von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert