Konzertbericht: Decapitated w/ Aborted, Fleshgod Apocalypse

2011-12-04 Steinbruch-Theater, Darmstadt

Das Steinbruch-Theater in Mühltal in der Nähe von Darmstadt ist in Sachen Metal-Konzerte immer eine Empfehlung wert. Ob Swallow The Sun im Dezember 2010 oder Onslaught und Suidakra im April dieses Jahres: Schlechte Erfahrungen habe ich dort noch nicht gemacht, im Gegenteil, der Charme des gemütlichen Kellergewölbes sorgt stets für eine angenehme Atmosphäre im Rahmen von Konzerten. Anfang Dezember war es also Zeit für einen absoluten Extreme Metal-Rundumschlag, bei dem neben den symphonischen Death Metallern von FLESHGOD APOCALYPSE, dem belgischen Abrisskommando ABORTED und natürlich DECAPITATED aus Polen mit CYANIDE SERENITY und ARCHSPIRE noch zwei weitere Prügelkombos angeboten wurden.

Letztere eröffneten den Abend pünktlich um 19.30 Uhr: Beim Anblick der kurzhaarigen Herren aus Kanada, achtsaitiger Gitarren und eines Bassisten mit einem Siebensaiter in der Hand wurde schnell klar, wohin die Reise gehen sollte: Technical Death Metal. Und den spielten ARCHSPIRE gar nicht mal schlecht. Zwischen massig Taktwechseln und ultraschnellen Blasts gab es da nämlich eine ganze Menge griffiger Tapping-Melodien und coolen Slap-Einlagen, die ARCHSPIRE geschickt in ihre Songs zu integrieren wussten. Zwar ließ der Sound zu Beginn des Gigs zu wünschen übrig, sodass es die ersten fünf bis zehn Minuten etwas mühsam war, dem Treiben der Band zu folgen. Nicht zuletzt auf Grund der sympathischen Art von Frontmann Oli Peters dürften ARCHSPIRE ihre Chance an diesem Abend aber gut genutzt haben.

Weiter ging es nach kurzer Umbauphase mit CYANIDE SERENITY aus dem vereinigten Königreich. Warum sie allerdings im Gegensatz zu Archspire mit einem späteren Slot gesegnet wurden, verstanden wohl die wenigsten, denn hier passte auch ziemlich wenig zusammen: Klangen die ersten zwei Songs noch nach einer (gut hörbaren) Mischung aus Death und Thrash mit sattem Groove-Anteil, so zimmerten die fünf Briten im weiteren Verlauf einen doch ziemlich anstrengenden Mix auf die Bretter, der sich vor allem durch krude Songstrukturen, sehr primitive Leersaiten-Riffs und endlose Breakdown-Passagen „auszeichnete“. Dazu jagten beide Lead-Gitarristen (abgesehen von ihrem völlig abwesenden Stage Acting) recht planlos irgendwelche Harmonics durch die Verstärkerboxen und die scheinbar nicht enden wollenden Ansagen des Sängers, der locker ein Viertel der Spielzeit der Band am Reden war, machten auch nichts besser.

Gut, dass mit dem Abtreten von Cyanide Serenity die Aussicht verbunden war, dass die nächste Band FLESHGOD APOCALYPSE sein würden. Gegen 20.30 betraten die in schwarze Gewänder gehüllten und im Gesicht schwarz bemalten Italiener die Bühne, nachdem es bei der Installation des Keyboards erhebliche Probleme gegeben hatte. Die setzten sich in der Abmischung fort, FLESHGOD APOCALYPSE eröffneten unverschuldeterweise mit mehreren Minuten Soundbrei, aus dem man eigentlich nichts wirklich heraushören konnte, außer der Tatsache, dass Gitarren und ein Schlagzeug bedient wurden. Als sich das jedoch besserte, wurde die ganze Klasse der Italiener deutlich: Ein perfekt durchchoreographierter Auftritt kam zu Tage, mit gesprochenen Interludia als einzigen Ansagen zwischen den Songs, die quasi fließend ineinander übergingen. Dazu kam eine gesanglich hervorragende Leistung des sehr charismatischen Sängers Tommaso Ricardi, der auch das Publikum sehr gut miteinbezog, sowie von Bassist Paolo Rossi, dessen epische Gesangspassagen allerdings ruhig etwas stärker hätten durchkommen dürfen – am Ende das Einzige, was es am Sound noch auszusetzen gab, erstaunlicherweise gelang es nach den beschriebenen anfänglichen Schwierigkeiten auch sehr gut, die Pianos in den Soundmix zu integrieren.
Die Band spielte, davon abgesehen, eine ausgewogene Mischung aus Songs von ihrer neuen CD „Agony“, dem ersten Album „Oracles“ und der „Mafia“-EP, dessen Opener „Through Our Scars“ letztendlich den fulminanten Abschluss eines grandiosen Auftritts darstellte.

Dann war es endlich Zeit für die Band, auf die ich persönlich mich am meisten gefreut hatte: ABORTED. Bevor der Gig begann, wurden die anwesenden Menschen im Steinbruch jedoch Zeugen des wohl weirdesten Soundchecks seit langer Zeit: Während Bandchef Sven (stilecht mit Adidas-Turnschuhen und zerrissener Jeans) einfach nur mit verschränkten Armen in die Gegend starrte, versuchten seine Gitarristen klimpernd irgendwie ihre Gitarren abzustimmen. Ein kaputtes Soundkabel an den Drums beschleunigte den Prozess auch nicht gerade, und so war man erleichtert, als Sven begann, sein Mikro mit den Worten „Shit, shit, fuck, fuck, shitfuck“ auszurichten.

Als jedoch mit den American Psycho-Samples („Howard, I think you should know I’ve killed a lot of people“) und dem darauf folgenden Song „Dead Wreckoning“ der Gig eröffnet wurde, gab es kein Halten mehr: Die Stimmung im Publikum erreichte binnen Minuten einen Höhepunkt nach dem anderen, de Caluwé brachte es scheinbar mühelos und unglaublicherweise fertig, noch(!) brutaler zu klingen als auf Platte und die Band demonstrierte einmal mehr eindrucksvoll, dass ihr gnadenloser Brutal Death mit seinen groovenden Hardcore-Passagen live einfach abnormal viel Laune macht. Ob aktuellere Songs („Coronary Reconstruction“, „Global Flatline“, „Cadaverous Dissertation“) oder ältere („Blood Fixing The Bled“, „Engineering The Dead“) – jedes Mal, wenn die Band das Tempo drosselte und zum Groove ansetzte, schien der Steinbruch in seinen Grundfesten erschüttert zu werden. Ein glänzend aufgelegter Sven de Caluvé, der mit makaberen Späßen für Lacher sorgte („The next song is for all the women who came out tonight: It’s called ‚Meticulous Invagination‘)“ und ein verdammt guter Sound taten ihr Übriges. Der Titel des letzten Tracks „The Saw And The Carnage Done“ verkörperte ganz gut, was ABORTED an diesem Abend geleistet haben. Saustark war das.

Nach vergleichsweise kurzer Umbauzeit kamen schließlich die Headliner DECAPITATED zum Zuge. Und sei es, weil das Publikum nach Aborted einfach genug brutalen Death gehört hatte oder weil die Band an diesem Abend nicht in Hochform war: So richtig wollte der Funke einfach nicht überspringen. Zum einen war es deutlich leerer als noch bei Aborted (ich schiebe das an dieser Stelle mal nicht auf das schlechte Wetter, strömenden Regen, und die Tatsache, dass manche deswegen früher nach Hause wollten), zum anderen wollten die, die noch da waren, sich auch nicht so richtig auf die Band einlassen: Kreisende Haarprachten oder auch Begeisterung waren wenig bis gar nicht zu sehen und so machte sich auch in der Miene von Sänger Piotrowski leichte Unzufriedenheit breit, als auch nach der vierten oder fünften Aufforderung, mal Lärm zu machen, sehr wenig zurückkam.

Klar, zwei bis drei Songs hatten an diesem Abend eine Menge Durchschlagskraft und sorgten im Publikum für gute Laune und eine kurzzeitig sehr gute Stimmung. Für die Höhepunkte haben an diesem Abend aber andere gesorgt.

Publiziert am von Pascal Stieler

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