Konzertbericht: Deep Purple w/ Edguy

30.11.2012 München, Olympiahalle


Es gibt einen Punkt in der Karriere einer Band, ab dem diese nicht mehr kaputt zu kriegen ist. Die Rolling Stones haben ihn ebenso erreicht wie Running Wild, AC/CD oder eben: DEEP PURPLE. Gebeutelt durch diverse, teils gravierende Besetzungswechsel und eigentlich bereits 1976 aufgelöst, gibt es wohl nichts mehr, das die Rock-Legende noch aufzuhalten vermag.
So ist es, nach dem kurzen Moment des Staunens – die gibt’s immernoch?! – eigentlich keine echte Überraschung, dass die Truppe auch 44 Jahre nach Bandgründung noch um den Erdball tourt. Mit im Gepäck haben die Briten mit EDGUY einen der wohl etabliertesten deutschen Metal-Acts, welcher – ganz im Gegensatz zu Bullet For My Vallentine im Vorprogramm von Ozzy Osbourne im vergangenen Jahr – musikalisch sogar überraschend gut ins Konzept des Konzertabends zu passen verspricht.

Dem entsprechend gut ist die Münchner Olympiahalle bereits kurz nach Einlass um 19:00 gefüllt. Die Tatsache, dass das Publikum heute, wie bei einer Theatervorführung, durch einen dreimalig ertönenden Gong zum Einnehmen der Plätze aufgefordert wird, ist hier nur eines von vielen kleinen Details, die den durchschnittlichen Rocker irritieren dürften.

Pünktlich um 20:00 geht es mit EDGUY los, welche sich bereits mit ihrem Intro in Zirkusmusik-Stil betont heiter zu geben versuchen. Und genau hier liegt, wie sich bald zeigt, das Problem. Denn was folgt, ist musikalisch ganz gewiss nicht schlecht – als Auftritt jedoch dennoch mehr als enttäuschend.
Zum Teil mag das sicherlich an der Setlist liegen, welche, auf das Publikum einer alt-ehrwürdigen Rockband abgestimmt, nicht unbedingt als Hitfeuerwerk zu bezeichnen ist.
Viel mehr jedoch liegt es hier an der Band selbst … allen voran Sänger Tobias Sammet, welcher den Auftritt im wahrsten Sinne des Wortes kaputt redet: So wirken die in einer Tour gedroschenen Phrasen wie „Ihr müsst jetzt laut sein, Deep Purple hinter der Bühne hören alles, was ihr jetzt sagt oder eben nicht sagt“ oder „Wir sagen das ja immer, aber heute meinen wir’s ernst mit dem ‚Ihr seid die Besten!’“ durch die Bank aufgesetzt und unglaubwürdig.
Schlimm wird es jedoch erst bei den so plumpen wie vollkommen unnötigen Anbiederungsversuchen an das Münchner Publikum über das Thema Fußball: Zunächst wird ein Sieg des FC Bayern gegen Dortmund am Folgetag prognostiziert, sodann das Publikum neben anderen grenzdebilen Mitsingspielchen zu „Bayern!“-Chören animiert und zu guter Letzt der Mikroständer mit einem Fanschal des FCB „verziert“. Mag sein, dass dies Gebaren von Tobias Sammet für EDGUY-Fans nicht weiter verwunderlich ist – beim unbedarften Konzertbesucher sorgt es eher für Kopfschütteln.

Von der Spontaneität und dem Witz, für die ich EDGUY als Liveband stets geschätzt hatte, ist augenscheinlich nur wenig übrig geblieben – ob das am fortgeschrittenen Alter der Herren liegt, oder daran, dass die Band aus Fulda mit der Aufgabe des Anheizers für eine Legende wie Deep Purple schlichtweg überfordert ist, vermag wohl erst der nächste Auftritt der Band klar zu stellen.

Setlist EDGUY:
01. Nobody’s Hero
02. Rock Of Cashel
03. Tears Of A Mandrake
04. Pandora’s Box
05. Lavatory Love Machine
06. Save Me
07. King Of Fools

Während der Stagetech in der Umbaupause die Bühne staubsaugt und der Pausengong, zu diesem Ambiente passend, die Leute zurück auf ihre Plätze bittet, und man sich den sarkastischen Kommentar, ob die Bühne jetzt wohl erst noch barrierefrei gemacht werden müsse, nicht verkneifen kann, machen sich DEEP PURPLE bereits sympathisch, ohne überhaupt anwesend zu sein: Denn wo andere Bands mit deutlich geringerem Status auf bombastische Bühnenaufbauten setzen oder durch monströse Boxentürme zeigen müssen, wie große Rocker sie sind (und ja, der findige Leser entdeckt hier tatsächlich einen weiteren Seitenhieb auf Edguy), begnügen sich DEEP PURPLE schlichter Bühnengestaltung sowie dem Nötigsten an Technik … wie sich später zeigen wird, hält Gitarrist Steve Morse sogar ein Wireless-System für seine Gitarre für überflüssig.

Um 21:15 verdunkelt sich die Halle schließlich und zu den wohlbekannten Klängen von „Montagues and Capulets“ aus dem Ballett „Romeo und Julia“ des Russischen Komponisten Sergei Prokofiev betreten DEEP PURPLE die Bühne.
Und die Überrschung ist perfekt: von Rockstar-Gehabe, wie man es von einer Band dieses Kalibers fast erwarten würde, keine Spur – ebenso wenig betritt hier jedoch eine Greisentruppe die Bühne, die den Herausforderungen einer Rock-Show nicht mehr ganz gewachsen ist, wie es bei Ozzy Osbourne mittlerweile den Anschein hat. Statt dessen treten hier fünf Männer ins Rampenlicht, die völlig abgeklärt und ohne viel Gehabe nur eines wollen: Musik machen.

Diesen Drang merkt man der Band nicht nur daran an, dass sie mittlerweile all ihre Stücke ein wenig verjazzt und verjammed haben, sondern auch an ihrem anscheinend unbändigen Drang zu solieren. So bekommt jeder der Musiker im Verlauf des Sets umfangreich Zeit für ein Solo eingeräumt, welches diese mit sehr unterschiedlichem Unterhaltungswert zu füllen wissen.
Während Steve Morse an der Gitarre, sowie der als einziges Gründungsmitglied verbliebene Ian Paice am Schlagzeug durch virtuoses Spiel zu begeistern wissen, ist es neben dem eher unspektakulären Bass-Solo von Roger Glover kurz vor Ende des Sets vor allem der 2002 für den unlängst verstorbenen Jon Lord in die Band gekommene Don Airey an der Hammond-Orgel, der enttäuscht: Statt mit seiner unbestritten großen Fingerfertigkeit besticht dieser scheinbar lieber mit umfassender Gassenhauer-Kenntnis im Bereich Klassik und Folklore und lässt sein viertelstündiges Solo in einem Medley gipfeln, in welches er unter anderem den mit Alla Turca überschriebenen dritten Satz der Sonate Nr. 11 A-Dur KV 331 (300i) von Mozart sowie das deutsche Volkslied „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ einfließen lässt. Äh ja…
Auch im Konzert-Kontext fällt Don Airey (diesmal jedoch unverschuldet) negativ auf – ist sein Instrument im Gesamtmix doch über weite Strecken deutlich zu laut abgemischt und verschluckt mitunter sowohl die Gitarre als auch den Gesang.

Dass man bei derlei Kritik von „Jammern auf hohem Niveau“ sprechen muss, ist klar – denn im Großen und Ganzen ist das, was DEEP PURPLE heute zeigen, nicht nur beeindruckend tight, sondern als Gesamtkunstwerk auch äußerst unterhaltsam.
Dass der 1972 veröffentlichte Welthit „Smoke On The Water“, welcher für seine wohl als „bekanntester Riff der Rockgeschichte“ zu bezeichnende Akkordfolge rund um den Globus von angehenden Gitarristen so verehrt wie von Gitarrenlehrern und Musikladenbesitzern verdammt wird, nicht spektakulär als Zugabe inszeniert wird, sondern sich schlicht und bescheiden ins Set einfügt, passt hier perfekt ins Bild: DEEP PURPLE wissen ganz genau, was sie können – sind jedoch abgeklärt genug, das nicht noch zu jeder sich bietenden Gelegenheit herausarbeiten zu müssen.
Nach den Zugaben „Speed King“, „Hush“ und „Black Night“ ist um 23:10 schließlich Schluss – auch von den somit gebotenen zwei Stunden Spielzeit könnte sich so manche junge Band noch etwas abschauen.

Setlist DEEP PURPLE:
— Intro (Montagues And Capulets)
01. Fireball
02. Into The Fire
03. Hard Lovin‘ Man
04. Maybe I’m A Leo
05. Strange Kind Of Woman
06. The Battle Rages On
07. Contact Lost
— Gitarren-Solo
08. Wasted Sunsets
09. The Well-Dressed Guitar
10. The Mule (mit Schlagzeug-Solo)
11. Lazy
12. No One Came
— Keyboard-Solo
13. Perfect Strangers
14. Space Truckin‘
15. Smoke On The Water

16. Speed King
17. Hush (Billy Joe Royal-Cover)
— Bass-Solo
18. Black Night


Zum Konzert der vergangenen Tour im Jahre 2010 resümierte Kollege Marius Mutz:
„Wer nicht dabei war, sollte sich, falls DEEP PURPLE deutsche Bühnen weiter derart beackern, sputen und die möglichst nächste Gelegenheit wahrnehmen – 2010 funktioniert die Band noch optimal, aber es steht zu befürchten, dass sie irgendwann doch deutlich abbaut.“

Um DEEP PURPLE mache ich mir nach diesem Auftritt keine Sorgen, so kann mein Schlusssatz 2012 nur heißen:
„Wer nicht dabei war, sollte sich, falls DEEP PURPLE deutsche Bühnen weiter derart beackern, sputen und die möglichst nächste Gelegenheit wahrnehmen – 2012 funktioniert die Band noch optimal und ich wüsste nicht, warum das bei der nächsten Tour anders sein sollte.“

Einzig EDGUY kamen heute nicht sonderlich gut weg – ist es doch schon ein wenig bedenklich, wenn es nicht der Rock-Dinosaurier, sondern die an die 30 Jahre jüngere Supportact ist, der abgehalftert wirkt…

Konzertphotos von: Thomas Meyns

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