Konzertbericht: Long Distance Calling w/ Maybeshewill

22.02.2011 München, Hansa 39 (Feierwerk)

Für Freunde des gepflegten Instrumental-Postrock wohl ein Pflichttermin: Die deutsche Genre-Vorzeigeband LONG DISTANCE CALLING lädt zum Konzertabend, begleitet von den Engländern MAYBESHEWILL – und das für einen wirklich fairen Eintrittspreis von 12€ (VVK).

So wundert es auch nicht, dass sich das Hansa39 stetig füllt, bis um 21:00 mit MAYBESHEWILL die einzige Vorband des Abends die Bühne entert. Und was soll man groß sagen: Die Briten aus Leicester bieten dem geneigten Fan genau das, was man sich unter „Instrumental-Postrock“ eben so vorstellt: Gefühlvolle Melodien, getragenes Riffing und – so zumindest die Theorie – viel Atmosphäre. In der Praxis gelingt – metaphorisch gesprochen – das Gericht dabei, obwohl streng nach Rezept gekocht, nicht ganz so perfekt, wie es das Kochbuch versprochen hat, wirkt das, was MAYBESHEWILL abliefern zumindest für mich einfach einen Tick zu durchschnittlich und unindividuell. Sicherlich, viele Postrock-Elemente sind nicht eben derart charakteristisch, dass sich Bands automatisch unterscheiden, wie Tag und Nacht, und MAYBESHEWILL machen ihre Sache insofern gut, als dass sie das, was sie tun, durchaus kompetent tun – etwas mehr inspirierte Ideen oder Innovationen dürften es aufs große Ganze gesehen aber dann doch sein. Dass zu guter Letzt das Auftreten der Band, das sich irgendwo zwischen totaler innerer Hingabe ohne Regung nach Aussen (John Helps & Robin Southby, Gitarre) und wenig anturnenden Bewegungen (Jamie Ward, Bass) abspielt, trägt zu guter Letzt auch nicht unbedingt zur Unterhaltsamkeit der Darbietung bei.
Ob das Münchner Publikum das genauso sieht, oder schlicht zu faul ist, seine Begeisterung für die Briten zu zeigen, ist natürlich nur schwer auszumachen – Fakt ist, dass heute MAYBESHEWILL zwar höflich, jedoch nicht eben euphorisch empfangen werden… dass die Alben der Band am Merchandisestand jedoch bereits vor Konzertbeginn ausverkauft sind, beweist wohl zumindest, dass sich die Band einer gewissen Beliebtheit erfreuen kann.

[Moritz Grütz]

Bei LONG DISTANCE CALLING sieht dann alles etwas anders aus, nicht zuletzt der Zuspruch des Publikums ist von Anfang an merklich wohlwollender als noch bei MAYBESHEWILL. Die Münsteraner fackeln dann auch gar nicht lange, sondern legen direkt los mit einem Set, das dominiert ist von den Songs des aktuellen, selbstbetitelten Albums. Die vergleichsweise ebenso kantigen wie dynamischen Nummern entfalten dabei begünstigt durch klaren Sound eine Energie, wie man sie von rein instrumentaler Musik so gar nicht erwarten würde. Besonders hervorstechend sind hierbei beinahe selbstredend „Timebends“, das von starkem Slap-Bass dominiert wird, sowie „Arecibo“, der mit seinem etwas aufgekratzten Charakter quasi zum Mitgehen zwingt. Bisweilen sind da selbst die beiden Vertreter des Debut-Albums gefährdet, in Sachen Stimmung von ihren aktuelleren Kollegen ausgestochen zu werden. Auffallend ist hier, dass die Songs, so verschieden der Charakter der Alben sein mag, live wunderbar harmonieren, durch den angeglichenen Sound könnten „Fire In The Mountain“ und „Into The Black Wide Open“ auch von der selben Scheibe stammen.

Was ihre Songs angeht, so machen LONG DISTANCE CALLING alles richtig, was MAYBESHEWILL zuvor eben falsch oder zu inkonsequent machten: Die Songkonstrukte wirken durchdacht, suggerieren aber dennoch Spontanität und stammen eben offensichtlich nicht aus dem Post Rock-Fertigbausatz. Jedes Instrument hat deutlich seinen eigenen Platz im Sound und spielt dort auch eine tragende Rolle. Und während die Emotionen bei MAYBESHEWILL entweder rührselig oder aufgesetzt wirken, ergeben sich diese bei LONG DISTANCE CALLING eher hintergründig aus der Atmosphäre der Musik, als dass offen drauf gepocht würde. Technisch gesehen also ein perfekter Abend, die anderthalb Stunden Spielzeit sind auch durchaus sehr amtlich. Was diesen Eindruck dann leider deutlich schmälert, ist zum einen die viel zu hohe Lautstärke, die selbst nach Minderung um 25 Dezibel noch unangenehm ist.
Zum anderen, eigentlich paradox, ist es genau diese volle 90-Minuten-Breitseite, die den Genuss der Show auf Dauer nachhaltig erschwert. Vielleicht liegt es daran, dass ich mir immer schwer getan habe, LONG DISTANCE CALLING-Songs wirklich auswendig zu kennen, aber nach spätestens 60 Minuten hat man beim 10. Groove-Riff und der 20. Gitarren-Lead, wenngleich für sich ja jeweils keinesfalls schlecht, das Gefühl, dass die Unterschiede zwischen diesen eben teilweise doch nur marginal sind. Sicher spielt da wiederum die Lautstärke mit rein, die die Aufnahmefähigkeit des Hörers abschwächt, aber selbst der „Metulsky Curse Revisited“ macht, als er irgendwann im zweiten Drittel des Sets um die Ecke biegt, nicht mehr ganz so viel Spaß wie sonst.

Nun kann man der Band aber natürlich keinen Strick daraus drehen, zu lange gespielt zu haben, zumal sich bei mir sowieso mehr und mehr die Erkenntnis einstellt, dass eine Band auch in einer Dreiviertelstunde das meiste sagen kann, was sie zu sagen hat, auch insofern ist das kein Kritikpunkt, der sich speziell an LONG DISTANCE CALLING richtet. Die Instrumente waren auch gut abgemischt, aber eben zu laut. Wenn das nächstes mal korrigiert werden kann, ist gegen einen weiteren Besuch eines Konzerts der Truppe nichts zu sagen, die Performance ist konstant stark und am Eintrittspreis sowieso nichts zu meckern. Alle Kritikpunkte stellen sich im Angesicht der Publikumsresonanz aber als Hirngespinst von Redakteursseite da, denn das komplette restliche Feierwerk feiert LONG DISTANCE CALLING von Anfang bis Ende ohne wenn und aber ab. Irgendwie ja auch zu Recht.

[Marius Mutz]

Publiziert am von Marius Mutz und

Fotos von: Moritz Grütz

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