Konzertbericht: Long Distance Calling

16.05.2022 München, Backstage (Werk)

Bereits im Januar 2019 spielten LONG DISTANCE CALLING eine „Seats & Sounds“-Tour. Das Konzept dahinter erklärt der Tourname: Geboten waren atmosphärische Post-Rock-Sounds im Rahmen bestuhlter Konzerte, zumeist in Kirchen oder anderen besonderen Veranstaltungsorten.

Eine Pandemie und mehrere Verschiebungen später setzen die Münsteraner das Konzept nun fort und kommen erneut in „handverlesene Venues“, um diese, wie es in der Tourankündigung heißt, mit ihrer „einzigartigen audiovisuellen Liveshow in eine ganz besondere Atmosphäre zu tauchen.“

Lang Distance Calling Mai 2022 in MünchenDas Münchner Publikum hat dahingehend großes Pech: Statt wie ursprünglich geplant in der Matthäuskirche am Sendlinger Tor findet das Konzert nach der Verschiebung „nur“ im Backstage statt. So gemütlich diese Location auch sein mag – außergewöhnlich ist an der Konzerthalle lediglich die Bestuhlung. Inwieweit die Show in einer Kirche anders gewirkt hätte, lässt sich an dieser Stelle nur mutmaßen – vermutlich aber doch deutlich. Zwischen Pommesgeruch und Bierflaschengeklirre ist die „besondere Atmosphäre“ im Backstage Werk jedenfalls nicht wirklich „besonders“.

Lang Distance Calling Mai 2022 in MünchenAuch sonst ist das, was LONG DISTANCE CALLING ihren Fans bieten, nicht ganz das, was in der Tourankündigung versprochen wurde: „Neben einer eigens für diese Shows konzipierten Licht- und Videoshow wird die Band auch wieder mit Gastmusikern die Bühne teilen, die den Songs weitere spannende und dynamische Facetten verleihen und somit die Shows zu einem ganz besonderes Erlebnis für jeden Musik-Connaisseur werden lassen!“ hieß es so vollmundig wie vorfreudeschürend auf allen Portalen. Auf Gastmusiker wartet man am heutigen Abend allerdings vergeblich (im aktuellen Tour-Teaservideo ist ein Cellist zu sehen?) – und auch die „eigens für diese Shows konzipierten Licht- und Videoshow“ ist eigentlich nicht mehr als Showstandard im 21. Jahrhundert: Die „Screens + Special FX“ entpuppen sich als drei Mini-Leinwände als Bühnenelemente, von einem Dolby-Surround-Sound ist zumindest im Backstage heute nichts zu hören.

Lang Distance Calling Mai 2022 in MünchenUnter diesen Gesichtspunkten bleibt es jedem Fan überlassen, ob er den Ticketpreis von immerhin 45 € für gerechtfertigt erachtet – rein musikalisch betrachtet, also in Sachen Performance und Sound, lassen LONG DISTANCE CALLING jedenfalls kaum Wünsche offen: In zwei Sets von jeweils einer vollen Stunde geht die musikalische Reise quer durch die Diskografie der Band, wobei der Fokus mit insgesamt sieben gespielten Songs natürlich klar auf dem letzten Album „How Do We Want To Live?“ (2020) liegt. Die Ansagen hält Gitarrist Florian Füntmann knapp, aber nicht unsympathisch – warum dem Hinweis auf das im August erscheinende Album „Eraser“ (VÖ: 26.08.22) dann aber kein Song des Albums folgt – die bereits veröffentlichte Single „Kamilah“ hätte sich angeboten – ist nicht ganz nachvollziehbar. Den vehementen Zugabeforderungen und der dann vom gesamten Publikum im Stehen abgefeierten Dreingabe „Metulsky Curse Revisited“ nach zu urteilen ist auch das für die heute anwesenden Fans kein Grund, sich den Abend verderben zu lassen: Zu lange waren Konzerte nur blasse Erinnerung.

  1. Curiosity, Pt. 1
  2. Curiosity, Pt. 2
  3. Hazard
  4. In the Clouds
  5. Sundown Highway
  6. Voices
  7. Black Paper Planes
  8. Immunity
  9. Sharing Thoughts—
  10. Into the Black Wide Open
  11. Out There
  12. The Very Last Day
  13. Apparitions
  14. Ashes—
  15. Metulsky Curse Revisited

Lang Distance Calling Mai 2022 in MünchenObjektiv betrachtet liefern LONG DISTANCE CALLING zumindest in München wenig anderes als auf jeder ordinären Hallentour: Weder Licht- noch Videokonzept bieten mehr, als man von Bands wie The Ocean seit Jahren gewöhnt ist, und auch die Ankündigung von Gästen bleibt ein leeres Versprechen. Dass die Show trotz der heute obendrein angefallenen Verschiebung in eine alles andere als spezielle Location funktioniert, ist gleichermaßen Verdienst der engagiert auftretenden Band wie auch des Publikums, das mit dem festen Vorsatz gekommen zu sein scheint, den Abend zu genießen. Ein, zwei erklärende Worte seitens der Band zu alledem wären wünschenswert gewesen – ansonsten hat der fast zweijährige Konzertentzug im besten Sinne „wurschtig“ werden lassen: Setting egal – Hauptsache wieder Konzerte. Diese neue Wertschätzung von Livemusik ist vielleicht zumindest ein klitzekleiner positiver Aspekt von zwei Jahren Pandemie.

 

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