Review Long Distance Calling – Boundless

Der Gesangsausflug mit dem norwegischen Sänger Petter Carlsen (Pil & Bue) im Rahmen des letzten Longplayers „Trips“ zeigte eine progressivere Seite der Instrumental-Rocker LONG DISTANCE CALLING, konnte aber dennoch qualitativ deutlich punkten. Ihr sechstes Studioalbum „Boundless“, das dieses Mal auch komplett ohne Gastsänger auskommt, widmet sich nun wieder den Wurzeln der Deutschen. Damit rückt die Band wieder näher an den Post-Rock heran, in dessen Spektrum sich die Musiker seit ihrem selbstbetitelten Album nicht mehr sehen.

„Out There“, das zweitlängste der acht neuen Stücke, kommt auf knapp neun Minuten Laufzeit und dient als Opener des Albums. Neben wuchtigen Riffs und dem knackigen Drumming, bestehen auch die filigranen Gitarrenparts und elektronischen Effekte in dem abwechslungsreichen Song. In den kürzeren Titeln sind dann aber doch die brachialeren Parts federführend, wie es beispielsweise „Ascending“ und „The Far Side“ eindrucksvoll beweisen. Es geht aber auch anders, wie das in sich ruhende „Like A River“ mit Gastmusikern an Cello und Trompete unter Beweis stellt, das als Hommage an Komponist Ennio Morricone zu verstehen ist. Dessen orchestraler Klang und Italo-Western-Charme wurden hier sehr gut eingefangen.

Eine der Bedeutungen des Albumtitels „Boundless“ ist laut Bassist Jan Hoffmann, dass er als Symbol für das Reisen steht, da für viele Fans der Band die Musik eine Art Reisen im Kopf sei. Dieser Faktor ist allgegenwärtig in der Musik von LONG DISTANCE CALLING. Dies steht auch im direkten Zusammenhang mit dem Artwork, dass die Band beim Wandern in den Dolomiten zeigt und die Reihenfolge der acht Songs, die für den Weg vom Grund bis zum Gipfel stehe. Vor allem „In The Clouds“ und das abschließende „Skydivers“ sind diesem Zweck mehr als nur dienlich. Gerade der Jam-Charakter, der auf „Nighthawk“ so unwiderstehlich funktionierte, wurde hier sehr gut eingefangen und mit einiger Kreativität angereichert.

LONG DISTANCE CALLING wollten zurück zu den Wurzeln und wieder freier musizieren – das ist ihnen mit „Boundless“ vollauf gelungen. So laden die Musiker nicht nur zu einer gedanklichen Reise einer mal mehr, mal weniger beschwerlichen Bergwanderung ein, sondern haben mit dem Schrauben am Härtegrad und einigen innovativen Ideen ihren typischen Sound auf ein neues Level gehoben. Diese Fülle an verschiedensten Details und Klängen macht das Album überaus spannend. „Boundless“ ist ohne Zweifel ein spannendes Instrumental-Rockalbum geworden, aber wohl auch das bisher stärkste und in sich stimmigste der Bandgeschichte.

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Christian Denner

Ein Kommentar zu “Long Distance Calling – Boundless

  1. „wohl auch das bisher stärkste und in sich stimmigste der Bandgeschichte.“

    Interessant. ich finde es das schwächste bisher. Auch bei mehreren Durchläufen bis auf eine Hand voll nette Ideen nichts hängengeblieben. Die Songstrukturen sind halt auch immer gleich und in Sachen Kreativität, Groove, Eingängigkeit und Atmosphäre kommt das für mich alles nicht mal annähernd an Alben wie „Satellite Bay“ oder „Avoid the Light“ ran. Vielleicht hab ich diesen Stil aber auch einfach langsam satt. „Trips“ fand ich super, weil die Songs mit Petter Carlsen traumhaft funktioniert haben. Ich hatte gehofft, sie machen in die Richtung weiter. Stattdessen nur more of the same. Und das zieht für mich heute einfach wesentlich weniger als das frühere Zeug. Klingt jetzt negativer, als es gemeint ist, ich find’s schon trotzdem ne schöne Platte, aber mehr als 7/10 wären da von meiner Seite aus nicht drin.

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