Konzertbericht: Long Distance Calling w/ Tiny Fingers, Petter Carlsen

05.05.2016 München, Backstage (Halle)

Long Distance Calling Tour Header

Die Post-/Progressive-Rocker von LONG DISTANCE CALLING sind wieder auf den Bühnen Europas unterwegs und haben auch in der Backstage Halle in München haltgemacht. Es ist die Tour zu ihrem aktuellen Album „Trips“, das gerade erst im April erschienen ist. Neben TINY FINGERS, einer Electronic-Rock-Band aus Israel, ist auch Singer-Songwriter PETTER CARLSEN mit dabei und darf den Abend mit ein paar seiner Solostücke eröffnen. Das bot sich geradezu an, hat er doch auf „Trips“ einigen Songs seine Stimme geliehen. Die Halle ist dabei, wohl auch dank des Feiertages, durchgehend gefüllt und verspricht einen Abend mit guter Stimmung.

Petter Carlsen SirensUm 20:30, betreten zwei Männer die Bühne. Einer von ihnen ist der schüchtern lächelnde PETTER CARLSEN, der andere von Long Distance Calling. Nach kurzer Begrüßung und Vorstellung durch letzteren beginnt PETTER CARLSEN sein Set und lässt dabei reihenweise Kinnladen herunterklappen. Was für sanfte, bedrückend traurige Songs dieser Mann nur mit einer mit Delay unterstützten Gitarre und seiner markanten, wundervollen Stimme auf die Bühne zaubert, ist schlicht beeindruckend. Leider hört man im Hintergrund durchgehend Leute, die sich im hinteren Teil der Halle unterhalten. Das stört nicht nur die Zuhörer, sondern auch PETTER CARLSEN selbst immens. Sein letztes Lied unterbricht er, um genervt einen besonders lauten Zuschauer aus der Menge zurechtzuweisen und schlägt ihm vor, er könne ja raus gehen, wenn es ihn nicht interessiert. Dafür erntet er Beifall vom Rest der Halle und beendet dann trotzdem noch sehr charmant sein Set. Vielleicht nicht der passendste Auftakt für die beiden folgenden Bands, aber musikalisch ein Auftritt, vor dem man nur niederknien kann.

Direkt im Anschluss, da es wegen fehlender Vorband kaum Umbauzeit benötigt, betreten TINY FINGERS aus Israel die Bühne. Das Quartett spielt eine sehr eigenständige und einzigartige Mischung aus instrumentalem, groovigem Rock und atmosphärischen Elektrosounds. Das macht ob der enormen Fähigkeiten der Band auch ziemlich viel Spaß, was man auch am großen Jubel der Zuschauer nach jedem Song merkt. TINY FINGERS experimentieren viel mit Groove und auch Dynamik herum. Immer wieder wird die Band wellenartig plötzlich lauter und wieder leiser, was vor allem beim ohnehin technisch sehr versierten Schlagzeuger faszinierend zu beobachten ist. Bei all der verspielten Musik vergessen sie aber glücklicherweise auch nicht, dass sie ja auch für eine optische Show auf der Bühne stehen und bewegen sich daher sehr energiegeladen zu ihren Rhythmen. Musikalisch passen TINY FINGERS besser zu Long Distance Calling, weshalb das Interesse der Besucher auch deutlich höher zu sein scheint. Bevor die Musik Gefahr läuft zu langweilen, beenden TINY FINGERS ihr Set genau zum richtigen Zeitpunkt.Tiny Fingers Bandfoto

Mit zwei auf ihre eigene Art sehr gelungenen Supportauftritten ist die Menge nun merklich bereit für LONG DISTANCE CALLING. Die Halle ist inzwischen sehr gut gefüllt und die Stimmung auf bisherigem Höchststand. Als dann die Truppe zu den ulkigen 80er-Jahre Synthiesounds des Introsongs „Getaway“ von ihrem neuen Album die Bühne betreten, ist der Jubel groß. Die bis über beide Ohren grinsende, bestens gelaunte Band hat heute ein Set vorbereitet, das sowohl einige ihrer Hits enthält als auch ein paar selten gespielte Songs mit Gesang sowie natürlich viel von ihrem aktuellen Album „Trips“.
LDC TripsNach einem instrumentalen Konzertteil, der zur Hälfte aus neuen und zur Hälfte aus Songs ihres selbstbetitelten Albums besteht, wird Sänger Petter Carlsen auf die Bühne gebeten. Mit ihm performen sie den neuen Song „Reconnect“ sowie anschließend mit seiner Unterstützung an der Gitarre den Song „Welcome Change“ vom Vorgängeralbum „The Flood Inside“. Erst nach einem weiteren instrumentalen Abschnitt mit ihrem Hit „Black Paper Planes“ und dem neuen „Trauma“ kehrt Carlsen für zwei weitere Songs mit Gesang zurück. Das ist nicht nur für die musikalische Abwechslung, sondern auch für die Bühnenperformance sehr von Vorteil. So ruhig und introvertiert Carlsen auch bei seinem Soloprogramm wirkte, so wild und motiviert hüpft er hier auf der Bühne herum, animiert die Menge zum Mitklatschen und singt aus tiefster Seele. Zwischendurch erlauben sich die Musiker auch einige charmant sympathische Blödeleien auf der Bühne. Als LONG DISTANCE CALLING dann nach zwei weiteren Instrumentalstücken ihr Set beenden, werden sie durch laute Forderungen nach einer Zugabe zurück auf die Bühne beordert, wo sie, noch einmal zusammen mit Carlsen an der Gitarre, mit „Beyond The Void“ den Konzertabend beenden.
Dass gerade „Lines“, DER Vorzeigesong ihres neuen Albums, nicht gespielt wird, überrascht und enttäuscht etwas. Dennoch zählt der Auftritt zweifellos zu ihren besten bisher, was vor allem Petter Carlsen zu verdanken ist, dessen phänomenal gute Stimme eine echte Bereicherung für die Band darstellt. Man kann nur hoffen, dass LONG DISTANCE CALLING in Zukunft noch mehr Musik mit ihm zusammen machen.

  1. Getaway
  2. Arecibo (Long Distance Calling)
  3. Momentum
  4. Invisible Giants
  5. Reconnect
  6. Welcome Change
  7. Black Paper Planes
  8. Trauma
  9. Rewind
  10. Middleville
  11. The Very Last Day
  12. Metulsky Curse Revisited
  13. Beyond The Void

LDC Bandfoto
Wenn der Abend auch um 23:40 erst recht spät endet, bleibt das begeisterte Publikum selbstverständlich bis zum Ende, um LONG DISTANCE CALLING zu feiern. Erneut beweisen diese, weshalb sie zu Recht im Post-/Prog-Rock mit ihrer innovativen, kreativen Musik immer noch absolut unverzichtbar sind. Mit gesanglicher und instrumentaler Unterstützung durch PETTER CARLSEN, der auch mit seinem Soloprogramm zutiefst beeindrucken kann, liefern sie einen ihrer bisher besten Auftritte ab. TINY FINGERS aus Israel passen ebenfalls wunderbar ins Programm und so kann der Konzertabend nur als absolut gelungen bezeichnet werden.

Publiziert am von Simon Bodesheim

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