Konzertbericht: Nevermore w/ Symphony X, Psychotic Waltz

2011-03-11 München, Backstage Werk

Die Tour mit dem sicher nur durch kreative Höchstleistungen entstandenen Namen POWER OF METAL macht im Münchner Backstage halt. Für jeden Power Metaler der sich nicht mit Hammerfall und Manowar zufriedengibt Pflichtprogramm – Mit SYMPHONY X, NEVERMORE, die reunierten PSYCHOTIC WALTZ und MERCENARY ist das Billing nämlich vollgestopft mit den Hochkarätern der progressiveren Ausrichtung des Sektors.

Die fünfte Band THAUROROD fällt dabei der Übersättigung an Bands zum Opfer, weshalb es erst mit MERCENARY richtig losgeht, das aber nicht so recht befriedigend. Schon hier deutet sich an, was später zum Problem werden sollte, der Sound ist ca. doppelt so laut wie nötig und zusätzlich auch nicht besonders ausgewogen. Dennoch ist nicht das Klangbild das eigentliche Problem der Truppe an diesem Abend, sondern ihre Musik. Platter, prolliger Thrash / Power Metal, der gerne tiefgehender und komplexer wäre, als er ist, funktioniert eigentlich nie wahnsinnig gut und erst recht nicht, wenn dann noch nichtmal eingängige Gesangsmelodien vorhanden sind. Da hilft auch konstantes Anheizen des Sängers sowie mehrmaliges Bejubeln der folgenden Bands nicht mehr weiter, MERCENARY sind eine dieser Truppen bei welchen ich mich frage, warum sie nicht selber darauf kommen, dass ihre Musik nicht der absolute Bringer ist. Deshalb wird das Ende der Show eher ungeduldig abgewartet, schließlich kann es eigentlich nur besser werden.
Währen diese Annahme bei SYMPHONY X und NEVERMORE auf eigener Erfahrung beruht, ist es bei PSYCHOTIC WALTZ der gute Ruf, der der Band weit vorauseilt, wodurch ich es sogar für unnötig hielt, vorher in die Albe hereinzuhören, im Progressive Metal haben die Amerikaner schließlich absoluten Legenden-Status inne. Zum Vorteil gereicht dieses Verhalten dann aber nicht, sind PSYCHOTIC WALTZ nämlich wohl doch zu komplex, als dass man den Songs ohne Kenntnis dieser problemlos folgen könnte. Der wiederum den häufigen zweistimmigen Gitarrenleads nicht angemessene Sound tut sein übriges dazu, dass die Musik zwar verkopft, aber nicht attraktiv wirkt. Sichtbar und bisweilen auch hörbar ist sicherlich die technische Finesse der Jungs, die auch beim Gesang nicht Halt macht, da findet man kein Haar in der Suppe. Mitreißend wirkt das aber sicher nicht, PSYCHOTIC WALTZ wirken emotionslos und ein wenig zu technikverliebt. Schade eigentlich, hier hatte ich mir mehr erwartet, muss aber auch eingestehen, dass ich mir den Genuss der Show vielleicht aus genannten Gründen selbst verbaut habe.

SYMPHONY X bieten da bekanntlich deutlich eingängigeres Material, allem voran die Songs des aktuellen Albums „Paradise Lost“, die auch dementsprechend intensiv abgegrast werden. Noch vor den beiden Magenschwingern „Domination“ und „Serpent’s Kiss“ glänzen die Halbballade „Paradise Lost“ und die neue unangefochtene Bandhymne „Set The World On Fire“. Zwar ist auch hier alles viel zu laut und mies abgemischt (Michael LePond am Bass geht vollkommen unter), aber die Gitarre als maßgebliches Instrument sowie der Gesang sind doch gut wahrnehmbar. Und was hier jeweils abgezogen wird, ist kaum in Worte zu fassen. Michael Romeo, der füllige, völlig harmlos wirkende Gitarrist rastet in zu enger Lederhose völlig aus, ob nun Riffs oder Soli, der Mann bietet Non-Stop eine derartig beeindruckende Performance, dass man sich fragt, warum Nacheiferer im Publikum beim Betrachten derselben nicht irgendwann einfach zum Weinen anfangen.
Ähnlich dürfte es auch Nachwuchs-Sängern ergehen, die Fronter Russell Allen zusehen. Denn nicht nur, dass der Mann über eine der kräftigsten, variabelsten und schlicht und ergreifend beeindruckendsten Rock-Röhren überhaupt verfügt, er besitzt trotz ebenfalls ansehnlicher Plauze und mutmaßlich amtlichem Alkoholpegel auch ein Charisma und eine Bühnenpräsenz, nach der sich 99% aller anderen Sänger nur sehnen können.

Neben der dicken Portion „Paradise Lost“ gibt es auch zwei neue Songs, die zwar ebenfalls gut knallen, aber auf den ersten Blick nicht die griffigen Melodien bieten, die beispielsweise den Titelsong des aktuellen Albums zu einer absoluten Über-Nummer machen. „Of Sins And Shadows“ und „Inferno“ sind die beiden typischen Klassiker, die aber meiner Meinung nach zu recht von den viel konsistenteren „Paradise Lost“-Songs dominiert werden. Die ziemlich genau eine Stunde Spielzeit nutzen SYMPHONY X also perfekt aus und stellen die Frage in den Raum, ob es sich überhaupt lohnt, noch zu NEVERMORE zu bleiben.

Nach 20-minütiger Umbaupause starten diese für „The Obsidian Conspiracy“-Maniacs sehr befriedigend mit einer dicken Packung aus neuen Songs – „The Termination Proclamation“, „Moonrise (Through Mirrors Of Death)“ und „Your Poison Throne“ drücken massiv und präsentieren sich zum ersten mal an diesem Abend in gutem Sound. Hier sind es vor allem Star-Gitarrist Jeff Loomis, der im Vergleich zu Michael Romeo regelrecht gemäßigt daherfrickelt und Aushilfs-Bassistin Danga Silesia, die gute Stimmung verbreiten und die Bühne wirklich zu füllen scheinen. Warrel Dane stiefelt unsympathisch wie eh und je mit gekrümmter Körperhaltung und Hut über die Bühne und scheint an dieser ganzen Konzertsache überhaupt kein Interesse zu haben. Obwohl der Mann ebenfalls über eine starke Stimme verfügt, fällt er im direkten Vergleich sehr weit hinter Russell Allen zurück, insbesondere, weil auch er immer wieder versucht, seinen Gesang durch verschiedene Distanz zum Mikrophon variabel zu gestalten, leider aber zu sehr unpassenden Gelegenheiten.
Somit ist ein Fazit zur Show etwas schwierig. NEVERMORE haben mit „This Godless Endeavor“, „The Obsidian Conspiracy“ und „Enemies Of Reality“ meiner Meinung nach das stärkste Dreigespann geschaffen, was sich im Progressive Thrash Metal überhaupt so findet und sie setzen die Songs dieser Alben im Prinzip auch gekonnt um – „Born“ prügelt ohne Ende, „Emptiness Unobstructed“ ist ein Ohrwurm-Hit und „Enemies Of Reality“ ist in besserem Sound als auf dem Album ebenfalls anbetungswürdig. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass die Amerikaner mit etwas motivierterer Performance viel mehr aus ihren Shows herausholen könnten. Gut, Jeff Loomis mal ausgenommen, der ist halt einfach auch eine coole Sau.

Um ca. 24 Uhr machen NEVERMORE dann auch Schluss, gerade als man wieder etwas müde wurde. Die POWER OF METAL-Tour konnte die Spannung über die einzelnen Shows trotz Band-Overkill erstaunlich gut aufrecht erhalten, sodass man sich diesmal über fünf Bands für 32 Euro nicht beschweren mag. SYMPHONY X machten auf eine weitere Headlinertour zum neuen Album im Juni Hoffnung und NEVERMORE beehren vermutlich einige Sommerfestivals… Man darf gespannt sein.

Publiziert am von Marius Mutz

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