Konzertbericht: Oomph! w/ Böse Fuchs

10.11.2023 München, Backstage


Es ist schon eine ungewöhnliche Situation, wenn nach über drei Jahrzehnten gemeinsames Schaffen der Sänger deiner Band zu Gott findet und dadurch das Singen eurer Texte nicht mehr mit seinem Glauben vereinbaren kann. OOMPH! taten das einzig Richtige und trennten sich deshalb 2021 von Frontmann Dero. Danach ließen sich Crap und Flux die nötige Zeit, den passenden Nachfolger zu finden – keine leichte Aufgabe, war Dero doch in Auftreten, Charisma und Stimmfarbe ein unverwechselbares Aushängeschild. Dann die überraschende Verkündung: Der Schulz von Szenegröße Unzucht ist die neue Stimme von OOMPH!. Dessen Plan, gleichzeitig im wahrsten Sinne des Wortes auf beiden Bühnen zu tanzen, zerschlägt sich jedoch schon nach wenigen Monaten. Kaum startet das neu geformte Trio mit seiner Live-Tour, werfen Unzucht ihrerseits ihren Sänger aus der Band. Mit all diesen großen Veränderungen und frischen Enttäuschungen im Rücken stehen OOMPH! nun also erneut auf der Bühne – in München, im gut gefüllten Backstage Werk, und blicken in neugierige und erwartungsvolle Gesichter. Was wird man den drei Musikern noch anmerken, und kann Der Schulz in Deros Fußstapfen treten?

Copyright @ Helge Roewer

Doch zuerst betreten BÖSE FUCHS die Bühne. Optisch zwischen Addams Family und Måneskin machen die vier Bandmitglieder eine mehr als coole Figur. Sie starten energiegeladen mit einem ordentlichen Ohrwurm-Riff und feuern die kommende Dreiviertelstunde ein eingängiges musikalisches Feuerwerk ab, das stilistisch irgendwo zwischen Symphonic Metal, Gothic Rock und EBM einzuordnen ist. Sängerin Kate klingt zwar anfangs noch etwas zaghaft, steigert sich aber zusehends. Es fehlt noch ein bisschen an Power hinter den opernhaften und technisch einwandfrei gesungenen Lines, aber es steckt viel Potential im noch jungen Band-Sound.

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Kräftige Growls und Scream-Parts der anderen Bandmitglieder schrauben ordentlich am Härtegrad, und so erspielen sich BÖSE FUCHS schnell ein aufmerksames Publikum. Spätestens bei ihrem Cover von Electric Callboy’s „Hypa Hypa“ haben sie die Menge für sich eingenommen. Bei ihrer Metal-Ballade „Coma“ kann der Support so auf ein beachtliches Handy-Lichtermeer herunterblicken. Ihr wirklich hervorragendes Set, das von eingängigen Melodien nur so strotzt, beenden sie schließlich mit dem härtesten Song des Abends, „The Ritual“. BÖSE FUCHS präsentieren sich ideenreich und stilsicher und haben sich damit gerade bei Fans des Genres für weitere Auftritte qualifiziert.

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Als OOMPH! schließlich die Bühne betreten, legt das Publikum mit ordentlich Applaus vor – falls Der Schulz vor dem Auftritt verunsichert oder angesichts der jüngsten Ereignisse traurig oder wütend gewesen sein sollte, merkt man ihm nach diesem warmen Empfang nichts davon an. Die Blicke richten sich zwar erwartungsvoll auf ihn, doch die Stimmung ist sofort wahnsinnig positiv. OOMPH! starten ihr Set erst mit „Soll das Liebe sein?“ und im Anschluss mit einem ihrer größten Hits; „Träumst Du“ wird direkt zur Feuerprobe. Der Sound hat sich zur Vorband nochmal merklich gebessert, und so hört man die „neue Stimme“ klar und deutlich. Nach nur wenigen Minuten ist klar: Das wird ein Selbstläufer. Der Schulz kann die dem Musikgenre zugewiesene ernste Miene schon nach kürzester Zeit nicht mehr aufrechterhalten. Mit einem breiten Grinsen ruft er „Was geht hier ab, heilige Scheiße!“ und stürzt sich mit Crap, Flux und seinen Live-Bandkollegen in das abwechslungsreiche und durch die Jahrzehnte springende Set, getragen vom Applaus und den Stimmen der mitsingenden Fans.

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Dass viele neuere Anhänger im Publikum sind, merkt man allerdings spätestens bei den 30 Jahre alten Hits, die die Karriere der Band mitgestartet haben, denn die Reaktion auf „Mein Herz“ fällt deutlich ruhiger aus. Zwischendurch findet Der Schulz kurze Momente, um vage über seine unglückliche Situation zu sprechen, doch auch hier strahlt der Sänger Zuversicht aus: „Wie das Leben eben so spielt“, sagt er, und ergänzt „Man muss immer nach vorne schauen, denke ich.“ Ein guter Zeitpunkt, um mit einer für einen „neuen“ Sänger sehr mutigen Aktion seine Leidenschaft, Motivation und harte Arbeit unter Beweis zu stellen. Ganz allein auf der Bühne spielt er mit „Brennende Liebe“ einen der bekanntesten Songs seiner neuen Band und begleitet sich selbst auf der Akustikgitarre, ein Geschenk an die Fans, bei dem er sich maximal vulnerabel zeigt – und dafür maximale Anerkennung erntet. So gehen in der ganzen Halle die Handylichter an. Kurz darauf schüttelt Der Schulz den Fans in der ersten Reihe bei „Schrei nur Schrei“ besiegelnd die Hand.
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Als schließlich „Der neue Gott“ angestimmt wird, kann sich der neue Sänger ein süffisantes Lachen ob der Parallele zum Frontmann-Wechsel nicht verkneifen und deutet im Refrain immer wieder selbstironisch auf seinen eigenen Körper. „Ich war mal Messdiener“, kichert er zum Schluss. Den Stimmungshöhepunkt erreicht das Konzert mit „Augen Auf“, den sich OOMPH! für das Ende aufgehoben haben. Nach einigen weiteren Zugaben endet der Auftritt und hinterlässt Fans wie Bandmitglieder selig und erschöpft. Auch wenn sie kein Wort gesagt haben, kann man Crap und Flux in der Mimik ablesen, dass sie mit dem Ausgang der ganzen Misere doch sehr zufrieden sind.

Es ist wie sie in „Wem die Stunde schlägt“ metaphorisch singen: „Totgesagt, doch stehen noch“. OOMPH! sind noch lange nicht am Ende. Manchmal tut ein neues Gesicht und damit eine neue Stimme einem Bandgefüge sehr gut, bringt frischen Wind in die Musik und ins Zwischenmenschliche. So scheint es hier, zumindest von außen, der Fall zu sein. Natürlich ist Der Schulz nicht der Messias und kann Rampensau und optisches Aushängeschild Dero nicht in allen Aspekten ersetzen. Aber er kann der Szenegröße ein guter neuer Frontmann sein, und das spüren die Fans.

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