Review Oomph! – Des Wahnsinns fette Beute

„Des Wahnsinns fette Beute“. Was für ein Titel. Was für ein … Cover? Den ein oder anderen Fan mag diese trashige Verpackung durchaus irritieren. Die Botschaft könnte jedoch nicht deutlicher sein – der Name ist Programm. Nach vier Jahren Warten auf das nächste Studioalbum nach „Monster“ beweisen die NDH Urgesteine, dass sie sich selbst immer noch neu erfinden können. Und bleiben dennoch bissig wie eh und je.

Das muss man ihnen lassen – Humor haben sie. Ein farbenfrohes Potpourri wollten sie erschaffen, weg von Melancholie und Dunkelheit und frei nach dem Motto „Bevor andere über uns lachen, lachen wir lieber über uns selbst“. So ganz ziehen sie das nicht durch – und sollen sie auch gar nicht, schließlich hat das Genre immer noch „Härte“ im Namen. Trotzdem ist die Grundstimmung des Albums alles andere als düster. Während „Monster“ noch mit Leichenteilen, Vergewaltigern, Geschlechtskrankheiten und Todeskämpfen Horrorszenarien schuf, wendet sich „Des Wahnsinns fette Beute“ eher den humorvollen Seiten des Lebens und auch dessen brisanter Themen zu und bringt den Zuhörer nicht selten zum Schmunzeln. Auch beschleicht einen hin und wieder die leise Vermutung, der inoffizielle Untertitel dieses Albums sei „Liebe, Sex und Fummelei“. Aber dazu später.

Fans der ersten Stunde werden sich mit „Des Wahnsinns fette Beute“ wohl erst einmal schwertun. Auch wenn Synthesizer, Wave und Electro-Beats hier wieder mehr Einzug erhalten als bei den beiden Vorgängern, wirkt vieles doch softer und poppiger als gewohnt. Aber das scheint heutzutage ja eine Art Volkskrankheit zu sein. Viel wichtiger ist, dass OOMPH! trotzdem auch bei ihrer neuen Scheibe immer und immer wieder ihre Experimentierfreude unter Beweis stellen.
Die ersten beiden Tracks des Albums, „Unzerstörbar“ und die erste Single-Auskopplung „Zwei Schritte vor“ setzen sich gleich mal tief ins Ohr fest. Mit dem 60’s Feeling der Single mit den fast BigBand-artigen Einlagen groovt man sich dann schon einmal warm, bis OOMPH! uns mit „Such mich find mich“ eine wummernde Dancefloor-Nummer präsentieren, die nicht nur textlich zum Tanzen auffordert.
„Bis der Spiegel zerbricht“ schlägt dann plötzlich wieder melancholischere Töne an, thematisiert innere Einsamkeit und die Kehrseite des Erfolgs. „Die Geister die ich rief“ ist zwar ähnlich nachdenklich, bleibt jedoch weniger hängen als der Track davor und geht dadurch ein wenig unter.
Und damit beginnt auch schon der sehr von Sexualität geprägte Mittelteil des Albums. Den Anfang macht der Song „Bonobo“, in dem eindringlich und wortgewandt der Wunsch geäußert wird, ein Leben wie dieser sehr sexuell aktive Menschenaffe führen zu dürfen. Natürlich durchweg gespickt mit diversen ironischen Seitenhieben auf die teils gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Menschen. Das macht gute Laune und ist auf dem besten Weg, ein Live-Klassiker zu werden. Dort dürfte auch „Deine Eltern“ gut aufgehoben sein: ein unglaublich eingängiger Song über die „Gefahren“ der Onanie, allerdings mit einem sehr amüsanten kleinen Twist.
„Kleinstadtboy“ überrascht dagegen nicht nur mit einem unüberhörbaren Deichkind-Einfluss, sondern auch mit grandioser Wortwahl und vordergründig sehr amüsanter Ironie. Hintergründig geht es jedoch um nichts anderes als exzessive Homophobie und Hass auf die eigene Sexualität. Ein gewagter, jedoch sehr gelungener Spagat.
„Regen“ dagegen beschäftigt sich mit Liebeskummer und der Befreiung aus dessen schmerzhafter Umarmung. Ebenso bittersüß wie die Thematik ist auch die musikalische Untermalung geworden. Ein bisschen zu viel Zucker. An fantastische Balladen wie „Land in Sicht“ oder „Auf Kurs“ kommt „Regen“ leider nicht heran.
„Kosmonaut“ ist Neuanfang und Befreiungsschlag. Poppig und eingängig treibt der Song vorwärts, jedoch nie ohne den bitteren Beigeschmack, hier mit der Interpretation auch deutlich Richtung Selbstmord tendieren zu können. „Komm zurück“ kommt wieder härter daher ohne zu düster zu werden, auch wenn die Lyrics wieder viel Raum für Spekulationen lassen.
Sehr sensibel wagt sich OOMPH! mit „Raus aus meiner Haut“ auch an das Thema Bi- und Transsexualität – nur um dann wieder humorvoll, ironisch und mit vielen gewitzten marinen Metaphern in „Seemannsrose“ homosexuelle Aktivitäten zu verstecken. Dieses Lied ist wohl das ungewöhnlichste des Albums, in Seemannslieder-Manier schwankt sich OOMPH! hier durch den Waltzer-Rhythmus, natürlich auch mit obligatorischem Schifferklavier.
Als Kontrast dazu führen vibrierende E-Gitarrenseiten die nachdenkliche Ballade „Unendlich“ ein. Mit seiner eindringlichen Stimme schafft Dero angenehmes Gänsehaut-Feeling. „Fütter Mich“ dagegen hämmert sich nach typischer OOMPH!-Art ins Trommelfell und lebt den Stil aus, für den die Band so bekannt geworden ist. Den Abschluss des Albums bildet „Der Tod ist nur einen Herzschlag entfernt“. Auch wenn der Mittelteil der CD sehr humorvoll gewesen sein mag, wenn dieses Lied mit einem stillstehenden Herzfrequenzton endet, bleibt von „Des Wahnsinns fette Beute“ das angenehm aufgeputschte und dennoch melancholische Gefühl zurück, das OOMPH!-Alben seit jeher hinterlassen. Daran können auch die Bonobos nichts ändern.

Wieder einmal wagen OOMPH! sich daran, ihren eingefleischten Stil mit neuen Einflüssen zu verknüpfen, was ihnen seit jeher auch ausgezeichnet gelingt. Ein wenig mehr Ausbrecher hätte man sich wünschen können, man denke nur an das tangoartige „In deinen Hüften“ oder „Geborn zu sterben“ im Blues-Rhythmus zurück. Stellenweise hätte es auch etwas härter zur Sache gehen dürfen. Thematisch beweisen sie jedoch wie eh und je ihr Talent dafür, ernste Themen und Gesellschaftskritik in bildgewaltige Worte und diesmal auch sehr humorvoll-ironisch zu verpacken. Das mag nicht jedem schmecken, aber wer OOMPH! kennt, ist das schon längst gewohnt.„Des Wahnsinns fette Beute“ macht Spaß und geht ins Ohr. Alles in allem ein gelungenes Album!

Wertung: 8.5 / 10

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