Konzertbericht: Tesseract w/ Between The Buried And Me, Plini

19.11.2018 Berlin, Lido

Dem Facelift des Prog Metals, dem Djent, gelingt es mittlerweile spielerisch leicht, unzählige Leute in die Konzerthallen zu locken und die Clubbesitzer mit einem Sold Out zu beglücken. Denn Djent ist Trend, wofür sich auch dessen bekanntesten Vertreter TESSERACT auf die Schulter klopfen können. Nicht verwunderlich, dass ihre aktuelle Sonder European-Tour einige ausverkaufte Hallen beinhaltet. Eine davon ist das Berliner Lido, in dem die Briten ihr aktuelles Album vor 600 Leuten auf dessen Live-Tauglichkeit testen wollen. Unterstützung holen sie sich dabei vom vielversprechenden Projekt PLINI sowie den Prog Metal/ Mathcore-Pionieren BETWEEN THE BURIED AND ME.   

Leider noch deutlich vor der veranschlagten Zeit beginnen PLINI mit der Eröffnung des Abends. Wer wie kommuniziert 19:30 Uhr vor Ort ist, erwischt nur noch die letzten zehn Minuten des Opener-Sets, welches aus den vier Tracks der aktuellen EP „Sunhead“ besteht. Demnach ist die Spielzeit von PLINI von vornherein schon sehr begrenzt, sodass es umso ärgerlich ist, weniger als die Hälfte davon zu hören. Und schade ist das aus zwei Gründen: Zum einen hat das Projekt des Australiers Plini Roessler-Holgate mit jener EP einen vielversprechenden Start in die Musikwelt hingelegt, zum anderen ist bereits zu diesem Zeitpunkt das ausverkaufte Lido randvoll und die Stimmung nahe des Siedepunktes.

Nicht, dass BETWEEN THE BURIED AND ME dieser Vorarbeit bedürfen, schließlich haben die Amerikaner zuletzt mit beiden „Automata„-Teilen überzeugt. Aber dank des guten Openers PLINI bedarf es den Männern um Thomas Giles nur wenige Takte ihres Einstiegsongs „The Proverbial Bellow“, ehe das Publikum die Köpfe kreisen lässt. Bereits während des 13-minütigen Tracks wird deutlich, dass Giles‘ Gesang zu leise wiedergegeben wird: Sein Mund bewegt sich, allerdings ist nur der Hauch eines zarten Stimmchens zu hören, welches der ausdrucksstarke Giles nun wirklich nicht besitzt. Ein fataler tontechnischer Patzer, wenn man bedenkt, wie stark doch gerade Giles die Songs mit seinem Gesang lenken kann. Auch im weiteren Verlauf sind es lediglich die Growls, die kräftig klingen, aber nicht der Klargesang.

Besonders bei dem Überhit „Millions“ fällt es schwer ins Gewicht, dass die warme Gesangsstimme von Giles nur schwer zu hören ist. Für jemanden, der sich auf seinem aktuellen Soloalbum „Don’t Touch The Outside“ mühelos mit Kristoffer Rygg (Ulver) und Einar Solberg (Leprous) gesanglich duelliert, sicherlich eine Schmach. Für den Großteil der Lido-Besucher scheint der Missmut darüber allerdings nicht weiter hinderlich oder gar nicht vorhanden zu sein, denn viele Passagen singen die vordersten Reihen voller Innbrunst mit. So wandelbar die Stücke von BETWEEN THE BURIED AND ME sind, so schnell wandelt sich auch dieses Mitsingen in eine Vielzahl von kurzen, heftigen Moshpits, besonders beim hervorragend gesetzten letzten Song ihres Sets, „Voice Of Trespass“.

  1. The Proverbial Bellow
  2. The Coma Machine
  3. Dim Ignition
  4. Millions
  5. Sun Of Nothing
  6. Voice Of Trespass

Genau diese sichtliche Freude des Publikums wird auch dem Headliner der Abend zuteil, den Briten von TESSERACT – sowohl in puncto Mitsingen als auch beim Moshen. Nachdem das Urteil zu ihrer neuen Platte „Sonder“ innerhalb der Presselandschaft nicht so einstimmig gut ausgefallen ist wie zum Vorgänger „Polaris“, scheint sich die Truppe um Ausnahmesänger Dan Tompkins daran beim Basteln ihrer Setlist orientiert zu haben: Viele Hits von „Polaris„, einige von „One„, „Altered State“ und lediglich vier Songs von TESSERACTs aktuellen Albums fanden den Weg in die heutige Setlist. Für den weiteren Verlauf des Abend ist das ideal, denn besonders ein „Dystopia“ funktioniert ebenso hervorragend wie ein „Of Mind – Nocturne“ oder auch ein „Concealing Fate, Part 2: Deception“.

Spürbar ist allerdings eines: Den mittleren Block mit den „Polaris“-Hits „Survival“, „Hexes“, „Phoenix“ und dem Opener der Platte zu besetzen, kommt enorm gut an bei den Lido-Besuchern. Anders als bei Thomas Giles ist Dan Tompkins außerdem mit einer klar wahrnehmbaren Stimme gesegnet, die in den richtigen Momenten diese erstaunlich hohen Töne aus ihm hervorbringt. Gestochen scharf wie Tompkins‘ gesangliche Leistung ist ebenfalls die Hand- und Fußarbeit seiner Bandkollegen an ihren Instrumenten. Denn TESSERACT klingen im Berliner Lido erstaunlicherweise so glasklar, abgehackt, brachial und eingängig wie auf ihren Alben.

  • 01. Luminary02. Of Mind – Nocturne
  • 03. Concealing Fate, Part 2: Deception
  • 04. Concealing Fate, Part 3: The
  • Impossible
  • 05. Survival
  • 06. Dystopia
  • 07. Hexes
  • 08. Phoenix
  • 09. Juno
  • 10. Smile
  • 11. Of Matter – Proxy
  • 12. Of Matter – Retrospect
  • 13. King
    14. Concealing Fate, Part 1: Acceptance

Völlig arbeitnehmerfreundlich endet das Konzert noch vor 23 Uhr. Die Einhaltung kurzer Umbaupausen und pünktlicher Slots zeigt, dass der Veranstaltungsort sich dem Wesen der Bands angenommen hat, nämlich punktgenau zu sein. Die Zusammensetzung der Bands selbst könnte stimmiger und vor allem aktueller nicht sein: TESSERACT, BETWEEN THE BURIED AND ME sowie PLINI haben allesamt neues Material auf den Markt; Material, dass den Bands live sichtbar viel Freude bereitet. Gemessen am Moshpit- und Mitsing-Barometer trifft das auch auf die hunderten Konzertbesucher zu, die eine mitreißende, allerdings mit Wermutstropfen versehene Show geboten bekommen haben. 

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