Konzertbericht: Watain /w Deströyer666, Otargos

10.10.2010 München, Backstage Halle

Ein Konzertbericht über ein Black Metal-Event in München beginnt für gewöhnlich mit einem ritualisierten über-das-Münchner-Szenepublikum-und-dessen-Konzertfaulheit-Schimpfen. Dass WATAIN nun keine gewöhnliche Band sind, muss an dieser Stelle wohl nicht gesagt werden – und so wundert es mich auch nur kurz, dass die Halle des Backstage-Clubs an diesem Abend, zu dem die Schweden gemeinsam mit DESTRÖYER 666 und OTARGOS geladen haben, bereits bei der Vorband gesteckt voll ist.

Um 19:55 beginnen die Franzosen OTARGOS auch sogleich überpünktlich ihr halbstündiges Set. In voller Black Metal-Pracht bietet das Quartett klassischen Black Metal in seiner durchschnittlichsten Form, oder, vielleicht treffender ausgedrückt: Durchschnittlichen Black Metal in seiner klassischsten Form. Denn genau, wie man sich das halt so vorstellt, sägen die Herren hier dreißig Minuten ohne Unterlass, es wird geblastet, geschrien und posiert, was das Zeug hält, und der ein oder andere Fan kann sogar zum Headbangen verleitet werden. Alles in allem jedoch ein Auftritt, der auch ohne übermäßigen Biergenuss allerhöchstens eine Woche im Gedächtnis bleibt: Weder hinsichtlich der Riffs noch bezüglich der Show wird hier irgendetwas geboten, das man nicht schon hundertfach gesehen, beziehungsweise gehört hätte. Nicht schlecht, aber alles andere als spektakulär, so dass man nach einer halben Stunde auch wirklich bedient ist.

Weiter gehts mit den Oldschool-Helden DESTRÖYER 666, welchen zumindest vom Legendenstatus beziehungsweise dem Bandalter her eigentlich der Headlinerposten gebührt hätte: Seit mittlerweile fast 17 Jahren treiben die ursprünglich aus dem sonnigen Melbourne stammenden Herren ihr Unwesen. Ihr Unwesen, darunter ist zu verstehen eine rotzige Mischung aus Black, Death und Thrash Metal – der Musik gewordene Arschtritt so zu sagen.
Entgegen meiner Erwartungen bleibt jedoch genau dieser vorerst aus: Zwar schrammeln und prügeln die vier Musiker von der ersten Minute hochmotiviert auf ihren Instrumenten herum, so richtig will der Funke aber zumindest bei mir nicht überspringen – verglichen mit beispielsweise Skeletonwitch, welche vor nicht all zu langer Zeit dem Münchner Feierwerk zeigten, wo der Hammer hängt, kommt hier fast schon Langeweile auf. Sicherlich, die Klassiker werden auch hier von den Fans abgefeiert, und alles in allem ist die Stimmung im Publikum sicher nicht schlecht – dennoch, ein fader Beigeschmack bleibt. Da wäre heute Abend mehr drin gewesen.

So aber ist pünklich um 21:30 nach einer Dreiviertelstunde Spielzeit Schluss und das Warten auf WATAIN beginnt.

Denn wo die Umbaupause zwischen OTARGOS und DESTRÖYER 666 mit 15 Minuten eher knapp gehalten wurde, lässt nicht zuletzt der vorgezogene Bühnenvorhang auf eine größere Umbaupause schließen – und wer WATAIN bereits früher einmal gesehen hat, weiß auch, warum.Allen anderen dürfte das Bild, das sich nach exakt einer halben Stunde dem geneigten Konzertbesucher bietet, die Sprache verschlagen haben. Von „Konzertbühne“ kann im Falle von WATAIN nämlich beim Besten willen nicht mehr gesprochen werden: Sämtliche Technik ist so gut hinter einer Vielzahl an Requisiten versteckt, dass man sich eher an eine Theaterkulisse erinnert fühlt: Das Schlagzeug steht auf einem stufig aufgebauten Doppelpodest, reingerahmt von Seitenbannern, einem die komplette Bühnenbreite einnehmenden Backdrop, unzähligen Fackelständer, zwei brennende Dreizacken, Feuertöpfen sowie einem Altar auf der ersten Stufe des Drumpodests in der Bühnenmitte. Doch damit nicht genug, häufen sich auf allen freien Flächen und hängen an jeder möglichen Position Knochen, Schädel und andere morbide Utensilien und Requisiten – und erklären, in Verbindug damit, dass WATAIN selbst in vermoderte, wohl hunderte Male mit Schweiß durchtränkte und mit Blut besudelte Lederkostüme gewandet sind, die Tatsache, dass es in der ersten Reihe bisweilen nahezu unerträglich stinkt. Wo andere nämlich saubere Schädelknochen, oder aber frisch abgehäutete vom Metzger verwenden, erwecken die an den Fackelständern hängenden Schafsköpfe eher den Eindruck, als wären sie vor ein paar Touren auch einmal frisch abgehäutet vom Metzger gekommen und seitdem an ihren Ketten und Haken „gereift“.
In dieser morbid-düsteren Atmosphäre ist es für WATAIN natürlich ein leichtes, eine beeindruckende Show zu spielen. Bei wirklich glänzendem Sound lässt sich das Trio, unterstützt von Bassist A. und Dissection-Gitarrist Set Teitan, aber auch von der spielerischen Seite her nicht lumpen: Die Songs kommen präziese wie vom Band, Sänger E. gestikuliert wild und kryptisch und auch die Bühnenpräsenz der anderen Musiker lässt nichts zu wünschen übrig.Und selbst die Spielzeit, im Black Metal ja nur all zu oft wunder Punkt der Auftritte, bietet keinerlei Anlass zu Klage: In 80 Minuten bieten die Schweden einen guten Überblick über ihre bisherigen Releases, wobei es selbstverständlich die Klassiker wie „Legions Of The Black Lights“, „Sworn To The Dark“, aber auch die Hits vom neuen Meisterwerk, „Lawless Darkness“, wie „Total Funeral“ sind, die zu gefallen wissen.

Auch wenn OTARGOS bestenfalls mittelmäßig waren und DESTRÖYER 666 sicher nicht ihren besten Auftritt ever auf die Bretter des Münchner Backstage gezaubert haben: Spätestens der Auftritt von WATAIN dürfte selbst beim geizigsten und kritischsten Besucher alle Zweifel hinweggefegt haben, ob die 21€ für diesen Abend gut angelegtes Geld sind. Denn mag man von all dem Drumherum, und auch von der Musik halten, was man mag – eines muss man WATAIN lassen: Die Band versteht es wie kaum eine Andere, ein Konzert zu mehr werden zu lassen, als ein paar von einigen Musikern vor Publikum gespielten Songs. Ein WATAIN-Konzert ist ein Gesamtpacket für alle Sinne: Augen, Ohren, und, des einen Freud, des anderen Leid, sogar die Nase.

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Fotos von: Moritz Grütz

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