Review Autumnblaze – Welkin Shores Burning

Es liegt angenehmes Gefühl der Sicherheit darin, sich bei einer Band darauf verlassen zu können, diese auf jedem neuen Album problemlos wiedererkennen zu können. Wesentlich spannender ist jedoch das Unvorhersehbare, das Produkt eines steten Drangs nach neuen Wegen, sich mitzuteilen, der manche Künstler immerzu von einer Stilrichtung zur nächsten treibt. Kaum eine Band ist in der Musiklandschaft so weit gereist wie AUTUMNBLAZE: Der märchenhafte Metal ihrer Jugendjahre wich bald einem hochmodernen Trip-Rock-Sound, später gingen die Deutschen in Richtung Dark Metal und auf ihrem lang ersehnten siebenten Album „Welkin Shores Burning“ sind AUTUMNBLAZE nun im Post-Rock angekommen.

Völlig aus dem Nichts kommt der Stilwechsel nach der 2018 erschienenen, lieblichen Dreampop-Single „Philia“ zwar nicht, dennoch überraschen AUTUMNBLAZE hier insofern, als es sich bei „Welkin Shores Burning“ um ihre bislang homogenste Veröffentlichung handelt. Der Schreigesang und die kräftige Metal-Instrumentierung, die sogar auf der weitgehend sanftmütigen Vorgängerplatte „Every Sun Is Fragile“ (2013) hin und wieder aufwallten, gehören nun (vorerst) ausnahmslos der Vergangenheit an. Stattdessen drücken AUTUMNBLAZE sich hier ganz über zart gehauchten Gesang, wie Regentropfen perlende Clean-Gitarren und unaufgeregte Drums aus, die das Album in ihrer warmherzigen Intimität wie ein lichtdurchflutetes Pendant zum bedrückenden, einengenden „Bleak“ (2000) erscheinen lassen.

Feinfühlig waren AUTUMNBLAZE schon immer, doch selten zuvor erlebte man durch ihre Musik solch wohlige Gänsehautmomente wie im anschmiegsamen, ein Gefühl kindlicher Neugier weckenden „Planets“ oder im in träumerischer Verzückung schwelgenden „The Burning Sea“. Umso bedauerlicher ist, dass ebendiese Momente über das gut 40 Minuten lange Album recht weit verstreut sind. Zwischen den Augenblicken Musik gewordenen Glücks liegen nämlich leider immer wieder Minuten, in denen die zweiköpfige Band nicht so recht vom Fleck zu kommen scheint. So wirken etwa das minimalistische „One Breath“ und das anfangs noch sehr ruhige, später hingegen etwas zu pathetische „Autumn Wings, Behold“ zu seicht und unscheinbar, um die anfängliche Begeisterung aufrechtzuerhalten.

Die mangelnde Prägnanz mancher der neuen Songs macht sich besonders in der Gegenüberstellung mit der schmachtenden Neuinterpretation des Bandklassikers „Flamedoves“ bemerkbar, in der noch die einnehmende Melodieführung der Frühwerke der Band durchklingt. Den Beigeschmack der Enttäuschung hinterlassen aber auch der unscharfe, fast schon kratzige Sound des Albums und die auf der CD als Bonus enthaltenen „Philia“-Tracks, die AUTUMNBLAZE durch zusätzliche Gitarrenspuren verschlimmbessert haben, wodurch ihnen ihr ätherischer Charakter abhanden gekommen ist.

In stilistischer Hinsicht ist „Welkin Shores Burning“ für AUTUMNBLAZE, was „Shelter“ (2014) für Alcest war. Im Gegensatz zu seinen französischen Kollegen hat das Duo bei seinem Sprung in den Post-Rock jedoch etwas von der kompositorischen und produktionstechnischen Raffinesse verloren, die die meisten ihren bisherigen Alben ausgezeichnet hat. Das Herbstflammenmeer, das AUTUMNBLAZE zu ihrem Namen gereicht hat, ist hier zu einer kleinen Glut geschrumpft. Wie selbst jene Alcest-Fans, denen „Shelter“ zu schmeichelweich war, nach „Kodama“ (2016) einsehen mussten, kann eine Glut wie diese aber auch der Nährboden für einen prachtvollen Phönix sein. In den strahlendsten Momenten auf „Welkin Shores Burning“ vermeint man zumindest schon einen Blick auf einen solchen zu erhaschen.

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Wertung: 6 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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