Review Caliban – I Am Nemesis

Der missgestaltete Held aus der Shakespeare-Ära ist wieder da. Die Rede ist von CALIBAN. Nur ist er diesmal kein buckliges Monster aus einem Drama im 17. Jahrhundert, sondern der allseits bekannte, deutsche Metalcore-Fünfer aus Hattingen. „I Am Nemesis“ heißt der Nachfolger von „Say Hello To Tragedy“, das seinerseits 2009 erschien. Im Vorfeld hatte die Band bereits angekündigt, dass der Sound der neuen Platte sich deutlich vom Vorgänger abheben würde.

Zurecht, wie sich herausstellt: CALIBAN klingen anno 2012 derart anders als noch vor zweieinhalb Jahren, dass man es fast schon als revolutionär bezeichnen könnte. Das liegt nicht etwa an den Strukturen der Songs, die sind in etwa gleich geblieben – so legen CALIBAN im Opener „We Are The Many“ auch mit einem absolut typischen Metalcore-Beat und –Riff los. Neu sind jedoch die hohen, atmosphärischen 32-tel-Leadgitarren, die im Refrain aufkreuzen: Dieses Stilmittel setzen CALIBAN nicht nur im ersten Song ein – sondern auch ausgiebig in der Singleauskopplung „Memorial“, was im Zusammenspiel mit Dennis Schmidts cleanem Gesang echte Gänsehautstimmung erzeugt – ob der etwas pathetische Chorus am Ende wirklich sein muss, ist dagegen wohl eher Geschmackssache. Generell verstehen es CALIBAN auf „I Am Nemesis“ aber besser denn je und damit absolut hervorragend, emotionale Stimmungsmomente heraufzubeschwören: Der Refrain von „Dein R31ch“ ist so einer, während die Halbballade „This Oath“, in der Sänger Andreas Dörner schmerzverzerrte Vocals über cleane Gitarren hinwegkreischt, bevor letztendlich zweistimmige Riffs einsetzen und in einen hymnischen Refrain überleiten, schlichtweg mitreißt.

Wie schon auf den Vorgänger-Alben setzen CALIBAN an einigen Stellen dezent Synthesizer ein, diesmal nicht nur als Hintergrund-Instrument, sondern wie in „Broadcast To Damnation“ auch als melodieführendes – die (verhältnismäßig seltenen) Breakdowns sind derweil vielschichtiger als auf den Vorgängern und wohl auch als die eines Großteils aller Metalcore-Bands. Selbst die absolut standardmäßigen Metalcore-Tracks gehen höllisch ab(„No Tomorrow“, „Broadcast To Domination“), grooven („Edge Of Black“) ohne Ende und wirken kein bisschen wie Null-Acht-Fünfzehn-Songs.

„I Am Nemesis“ ist eine der innovativsten Metalcore-Platten (das allein ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich) der letzten Jahre – was CALIBAN hier an neuen Ideen eingebracht haben, kann sich sehen lassen. Durch die mitsingtauglichen Refrains bietet sie mindestens so viel Live-Potenzial wie die Vorgänger – für Fans der Band ein Grund mehr, das neue Album zu kaufen und mal wieder live die Sau rauszulassen.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Pascal Stieler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert