Review Chuck Ragan – Till Midnight

Musik ist doch meistens dann am Besten, wenn sie gemeinsam von Freunden gespielt und geschrieben wird. Wenn sie einfach aus dem Bauch kommt und ohne große Grübelei entsteht. Und vor allem dann, wenn sie ehrlich ist. Als würden diese Kriterien nicht so oder so schon auf CHUCK RAGAN zutreffen, sorgte er im Entstehungsprozess seines vierten Albums „Till Midnight“ für zusätzliche Harmonie: Während er seine bisherigen Soloalben alleine schrieb und lediglich Joe Ginsberg am Bass und Jon Gaunt an der Geige als feste Musiker dabei waren, leckte der Vollblutmusiker auf seiner letzten Tournee Blut und scharte dieses Mal einen wahren Reigen an Bandmitgliedern und Gastmusikern um sich. Um die Musik dennoch so spontan und echt wie möglich klingen zu lassen, lud CHUCK RAGAN seine Freunde gesammelt in sein Haus in Kalifornien ein, ging gemeinsam mit ihnen angeln und spielte mit ihnen dazwischen Musik. Diese entspannte Herangehensweise hört man „Till Midnight“ zu jedem Zeitpunkt an, sodass das vierte Soloalbum des Hot-Water-Music-Sängers auch seine bisher beste Soloveröffentlichung geworden ist und er seine eigene musikalische Vision nahezu perfektioniert hat.

„Non Typical“ eröffnet nach kurzem kollektiven Geschepper unglaublich zurückgelehnt und mit Lapsteel-Guitar das Album, bis CHUCK RAGANs unverkennbare Whiskeystimme eine Schippe Punkrock auf das musikalische Gebilde packt. Die Songs sind sowohl hinsichtlich der Musik als auch im Bezug auf die Gesangslinien unglaublich melodiös und catchy, immer wieder treten einzelne Instrumente in den Vordergrund, die aber insgesamt der großen Sache dienen. Schnell stellt sich ein ganz eigener, irgendwo zwischen Folk-Rock, Country und Americana einzuordnender Groove ein – neben der Akustikgitarre, welche die Songs trägt, ist es besonders das rhythmisch einfach gehaltene, dennoch geniale Schlagzeugspiel, welches „Till Midnight“ ausmacht und das gesamte Album über zum Tanzen einlädt. Das Album geht dabei nie über Midtempo hinaus, was nicht bedeutet, dass manche Songs wie beispielsweise „Something May Catch Fire“, welches in manchen Momenten an Neil Young erinnert, oder „Bedroll Lullaby“ nicht gewaltig Druck aufbauen würden. Dies ist sicher auch durch den punktierten Einsatz der Gastsänger motiviert, welche über das gesamte Album verstreut immer wieder Chöre anstimmen.

Auch textlich weiß CHUCK RAGAN voll und ganz zu begeistern, indem er wunderschöne Liebeslieder schreibt, die zwar stets Pathos in sich tragen, dabei allerdings nie die Grenze zum Kitsch überschreiten. „For All We Care“ weiß diese Fusion aus emotionalem Text und leidenschaftlicher Musik nach seinem ruhigen Beginn in einem plötzlichen Ausbruch, der von einer tollen Geigenmelodie und ruhigen Chören getragen wird, nahezu perfekt zu illustrieren. Vieles fehlt „Till Midnight“ somit nicht zum Meisterwerk. Zu bemängeln, wenn man es so nennen mag, wäre höchstens, dass sich manche der Songs doch ein wenig zu sehr gleichen, das Album nicht vollständig rund durchfließt, sondern stärker auf einzelne Songs setzt, die zwar alle sehr stark sind, dabei aber nicht ausnahmslos begeistern können. Dennoch sind die Hitdichte, die Qualität und der Spaß, der aus jeder Note von „Till Midnight“ strömt, mehr als nur beeindruckend und wird das Album auch in den kommenden Jahren zu einem steten Sommerbegleiter machen.

Wertung: 9 / 10

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