Banefyre Artwork

Review Crippled Black Phoenix – Banefyre

Die letzten Jahre waren (auch unabhängig vom Pandemiegeschehen) nicht ganz einfach für CRIPPLED BLACK PHOENIX. Der langjährige Frontmann und Gitarrist Daniel Änghede hatte die Band nach dem vorletzten Longplayer „Great Escape“ verlassen, weshalb einige namhafte Gastsänger auf dem Nachfolgealbum aushalfen (unter anderem Anathemas Vincent Cavanagh und Kristian „Gaahl“ Espedal). Ob „Ellengæst“ trotzdem oder gerade deshalb ein Ausnahmealbum in der Diskografie der schwedisch-englischen Band wurde, bleibt eins der ungeklärten Mysterien der Rockmusik. Ohne Frage ist die Hymne „Lost“ nach wie vor der perfekte Soundtrack für die auch in den Augen der Band kaputten letzten Jahre. Nun steht mit „Banefyre“ (die altenglische Entsprechung des Wortes „Bonefire“) ein Nachfolger in den Startlöchern, der diverse Neuerungen zu bieten hat.

In Sachen Besetzung wäre da vor allem der neue Sänger und Gitarrist Joel Segerstedt zu nennen, der mehr als nur ein adäquater Ersatz für Änghede ist. Stilistisch ein Stück weit von der klassischen Rock- oder gar Metalwelt entfernt, geht sein Gesang eher Richtung Post-Punk oder Wave, beinahe ein wenig wie Ian Astbury von The Cult oder sogar Robert Smith von The Cure. Sängerin Belinda Kordic, die diese Ecke bisher weitestgehend alleine abgedeckt hatte, wurde auf „Banefyre“ merklich mehr Platz eingeräumt. So ist sie auf einem Großteil der Songs zu hören und übernimmt mehr als nur gelegentlich die Hauptstimme. Dies alles passt ausgezeichnet zusammen, hat sich doch spätestens auf „Ellengaest“ abgezeichnet, dass sich CRIPPLED BLACK PHOENIX exakt in diese Richtung entwickeln, ohne ihre Rock- und Metal-Wurzeln endgültig hinter sich zu lassen.

Musikalisch wird der auf „Ellengæst“ eingeschlagene Weg also konsequent fortgeführt. Die bekannten Prog- und Post-Rock-Elemente weichen songorientierteren Strukturen, weniger progressiv im Sinne von technisch komplex, dafür simpler und auch eingängiger. Das heißt nicht, dass es bei 13 Songs auf sage und schreibe 97 Minuten nicht auch den einen oder anderen Zehn-bis-fünfzehn-Minuten-Prog-Post-Rock-Brocken auf die Ohren gibt (siehe das klassisch-postig startende „Rose Of Jericho“), nicht selten bieten die überlangen Tracks aber trotzdem eine spürbare Post-Punk-Schlagseite, die Abwechslung bringt.

Daneben lassen CRIPPLED BLACK PHOENIX aber eine ganze Menge anderer Einflüsse zu: Das mahlstromartige, von einem Ohrwurm-Vocal-Mantra geprägte „Ghostland“ hat was von den Swans, „Wyches & Basterds“ erinnert in Sachen Gitarrenarbeit an My Dying Bride in den Neunzigern, „Blackout77“ besticht mit seinem Synthie-Intro und Rock-Chorus irgendwo zwischen Killing Joke und Shihad, „The Reckoning“ kommt einerseits folkig, andererseits wie eine New-Model-Army-Nummer daher … die Bandbreite ist immens und macht „Banefyre“ trotz Überlänge zu einer spannenden und kurzweiligen Angelegenheit.

Da ein Großteil der Songs im Midtempo angesiedelt sind, würde sich der auf hohem Niveau meckernde Zuhörer vielleicht ein bisschen Varianz in Sachen Taktmaß und Geschwindigkeit wünschen – wird aber durch Ohrwürmer wie „Down The Rabbit Hole“ und eine wunderbar erdige und ehrliche Produktion, in der nichts künstlich aufgeblasen wurde, entschädigt. Für den Mix zeigen sich Converges Kurt Ballou und die inzwischen mehr als renommierten God City Studios verantwortlich, das Mastering kommt von Cult Of Lunas Magnus Lindberg. Es versteht sich von selbst, dass es hier nix zu meckern gibt.

Inhaltlich bleiben CRIPPLED BLACK PHOENIX sich ebenfalls treu: Die Band ist ein weiteres Mal die Stimme derjenigen, die keine Stimme haben oder deren Stimme nicht gehört wird. Das Spektrum ist vielfältig und beginnt bei den Hexenprozessen in Salem, Massachusetts oder der zu Recht verpönten Fuchsjagd im Vereinigten Königreich. Gleichzeitig wird der 1977 stattgefundene, verheerende Stromausfall in New York City ebenso thematisiert wie skrupelloses und unehrenhaftes Politikerverhalten.

Der kreative Kopf hinter CRIPPLED BLACK PHOENIX, Multiinstrumentalist und Hauptsongwriter Justin Greaves, hat ganze Arbeit geleistet und ein auch für die umfangreiche und vielfältige Diskografie der Band ungewöhnliches und herausragendes Album geschaffen. Musikalisch gibt sich der Brite, ebenso wie seine Bandkollegen, keine Blöße. Wer es eine Spur härter mag, bekommt zum Albumende noch etwas Ungewöhnliches auf die Ohren: Eine brettharte Black-Metal-Nummer names „No Regrets“ bietet einen Vorgeschmack auf Justin Greaves‘ und Belinda Kordics Nebenprojekt „Johnny The Boy“. Das Debüt soll noch in diesem Jahr erscheinen.

Long story short: CRIPPLED BLACK PHOENIX haben mit „Banefyre“ ziemlich viel richtig gemacht. Auch wenn das Album musikalisch ein gutes Stück weit von „Great Escape“ entfernt ist, erkennt man charakteristische Merkmale der Band (allen voran Kordics charakteristische Stimme, aber auch Greaves‘ Gitarrenarbeit) immer wieder. Trotzdem gab es eine spürbare Weiterentwicklung in eine andere musikalische Richtung, die aber absolut geglückt ist. Ober der Mogwai- oder God-Is-An-Astronaut-hörende Post-Rock-Fan damit glücklich wird, ist sicher eine berechtige Frage. Trotzdem ist „Banefyre“ unterm Strich so vielfältig, dass eigentlich jeder Gitarrenmusik liebende Mensch etwas Passendes darauf finden müsste.

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Wertung: 9.5 / 10

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2 Kommentare zu “Crippled Black Phoenix – Banefyre

  1. Hat Zeug für das Album des Jahres. Und reiht sich in der eigenen, herausragenden Discographie weit vorne ein.
    Allein Ghostland – der mysteriöse, atmosphärisch unheimlich Dichte Geistermarsch – und Wyches & Basterdz nehmen so für sich ein. Und dann ist ja noch Raum für so viel mehr, um es zu entdecken und zu genießen. Selten hat mir ein Album so viel langfristige Freude versprochen. Hatten CBP schon immer einen fantastischen Sound, wird hier noch Mal eins drauf gesetzt. So erdig und doch leicht, wuchtig und doch locker wirkt das Album, dass es eine wahre Freude ist.
    Habe nach dem tollen Vorgänger ja Großes erwartet, aber so eine Steigerung dann doch nicht.

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