Review Empyrium – Where At Night The Wood Grouse Plays

Wer das schaffenstechnisch aktuell im Tiefschlaf befindliche Meistwerk Ulf Theodor Schwadorfs kennt, weiß dessen Qualität zu schätzen und lernt es nicht allzuselten zu lieben – so wie auch Ich. Keines der vier erschienenen Alben besitzt in meinen Augen einen Schwachpunkt, alle sind auf ihre Weise Meisterwerke. Umso befremdlicher ist es dann, dass die Truppe, zuletzt neben Schwadorf auch aus Thomas Helm bestehend, trotz jahrelangen Einflussnehmens auf die dunklere Seite des Metals in der Szene so gut wie unbekannt ist. Und das, obwohl EMPYRIUM nicht ansatzweise auf den Metal limitiert ist, die Werke, die man nach „Songs of Moors & Misty Fields“ schuf, gehörten diesem Sektor gar nicht mehr an, sondern dürften ganz im Gegenteil bei einem viel größeren Publikum Gehör finden – Wenn dieses nur davon wüsste. Vermutlich wird diese CD hier, genauso wie die anderen 5 Releases (zu den 4 regulären Alben gesellen sich eine Demo-CD und eine Best-Of), aber nie einem nennenswerten Bruchteil der potenziellen Hörerschaft ein Begriff sein. Umso wahrscheinlicher ist dies, da mit „A Retrospective“ noch einmal ein symbolischer Schlusspunkt unter das Schaffen dieser Ausnahme-Formation gesetzt wurde. Einerseits ist das natürlich bedauernswert, aber andererseits muss man, nachdem man sich die Diskographie einmal zu Gemüte geführt hat, auch sagen, dass das Werk EMPYRIUMs komplett ist und keiner Fortführung bedarf. Besprechen will ich hier nun aber das dritte reguläre Album, „Where At Night the Wood Grouse Plays“, welches den Punkt markiert, an welchem Helm sich Schwadorf anschloss und man sich weg von E-Instrumenten und hinzu rein akustischer Musik entwickelte. Nebenbei bemerkt liegt hier auch mein absolutes Lieblingsalbum EMPYRIUMs vor.

Grundsätzlich gilt, dass EMPYRIUM absolut genussorientierte Musik ist. So auch „Where at Night the Wood Grouse Plays“, wo man instrumental mit Akustikgitarren, einer Flöte und seltenem Schlagzeugeinsatz auskommt. Wer nun aber von durch die spärliche Instrumentalisierung von dezent untermalender Musik ausgeht, hat sich getäuscht, denn obgleich die Musik sicher nicht nur für Progressive Freaks zu hören ist, sondern sich jedem erschließt, ist doch die Grundvoraussetzung dafür die volle Aufmerksamkeit des Hörers. Ist diese vorhanden öffnet sich einem die Schönheit, die hier in jeden Song gebannt wurde, aber ohne weiteres. Das Thema, das schon textlich immer vornehmlich aufgegriffen wird, ist die Naturromantik, und die Musik dazu passt erwartungsgemäß „Wie die Faust aufs Auge“.

„Der Hörer befindet sich in einem finsteren Waldstück, sternenklar die Nacht. Die Szenerie ist erhaben, doch etwas schicksalhaftes, unheilvolles liegt in der Luft. Die Baumwipfel wiegen sich bedächtig im Wind, der schleichende Nebel heranbringt – das nahe Moor scheint sie zu schicken. Und plötzlich, mit dem Einsetzen des Gesangs eines einsamen Nachtvogels, hat es den Hörer – Er wird hineingezogen in diese Welt der vergangenen Mythen und Legenden, erlebt die Tragödien, die sich hier einst abspielten. Dort, wo des Nachts der Auerhahn singt.“

So oder ähnlich lassen sich meine Gefühle und Eindrücke zusammenfassen, die sich beim Hören des Titelstücks einstellen. Sicherlich ist es auch quasi die Übersetzung des sehr kurzen Textes zu diesem Lied, doch EMPYRIUM gingen meiner Meinung nach immer sehr direkt vor, was das Übermitteln bestimmter Eindrücke angeht, weshalb sich mein Eindruck wohl bei den meisten Hörern einstellen dürfte, die die Symbiose von Lyrik und Musik aus sich wirken lassen. In der EMPYRIUM-Historie im Booklet der „A Restrospective“ Best-Of heißt es, Schwadorf habe die Inspiration für seine naturmystisch inspirierte Musik schon immer (und vor allem für „Where At Night the Wood Grouse Plays“) aus nächtlichen Spaziergängen in einem seinem Wohnort nahen Moor gezogen. Außerdem äußerte er sich in einem Interview dahingehend, dass er technisch auf der Gitarre wie am Gesang nicht wirklich ein Könner sei, sondern dass er glaube, einfach ein Talent zu haben, gefühltes in Musik umzusetzen. Hier kann man nur zustimmen, denn zwar sind weder Sprechgesang noch Akustikgitarrenspiel übermäßig beeindruckend, doch ist beides derart effektvoll in Szene gesetzt, dass einem nichts ferner liegt, als dies zu bemängeln. Denn sicher erreicht EMPYRIUM seinen Effekt auch durch die instrumentale Einfachheit, die es dem Hörer ermöglicht, sich voll in die Atmosphäre fallen zu lassen, und diesen nicht auf einmal mit einem „Woah, übles Solo!“ aufmerken lassen. Die CD ist in sich vollkommen geschlossen und lässt sich problemlos komplett anhören – Dabei wird man, immer nur begleitet von der getragenen Stimme des Erzählers Schwadorf durch verschiedenste Eindrücke geleitet, die die Natur auf ihn hatte. Und immer fühlt und erlebt man mit, aus der Nacht und melancholischen Thematiken („Dying Brokenhearted“) hinaus geht es weiter mit diversen Songs, die auf mystische Weise das Abendrot thematisieren und manchmal sogar eine Geschichte um dieses weben („The Shepherd and the Maiden Ghost“, „Abendrot“), wobei einen „The Sad Song of the Wind“ ermahnt, die Szenerie nicht zu verlassen, sondern weiterhin den Geschichten der Nacht zu lauschen.

Wie schon erwähnt wirkt die Akustikgitarre zumeist begleitend, während sich Flötenspiel zumeist für die Melodien verantwortlich zeigt. Unterstrichen wird das Ganze durch häufige Einspielungen von Windrauschen und die von Helm eingesungenen Chöre, die zumeist ebenfalls begleitend wirken, während Schwadorf eben mehr erzählt als singt, dies jedoch immer sehr getragen und tiefsinnig. Die Texte sind in altenglisch verfasst, was dem ganzen einen noch authentischeren Anstrich verleiht, da Schwadorf zumeist Vokabular verwendet, welches einen nicht durch gezwungene Assoziationen direkt in die moderne Welt zurückreißt.

Die einzige Ausnahme zwischen den oft instrumentalen und zumeist mit sehr wenig Text ausgestatteten Liedern ist „Many Moons Ago“, das den letzten regulären Track des Albums stellt. Vom Aufbau her orientiert man sich hier erstmals an einem bekannten Schema, da hier tatsächlich vier komplette Strophen gesungen werden, während auf dem Album sonst keine wirklich herkömmlichen Strukturen zu finden sind. Außerdem ist hier der Leadgesang Helms zu vernehmen, der eine durchaus sehr ausdrucksstarke Stimme besitzt und dem Song durch die insgesamt weniger dunkel ausgerichtete Grundatmosphäre desselben einen wunderschönen, zum dahinschwelgen einladenden Charakter verleiht. Obwohl das Lied etwas aus dem Rahmen fällt sicher eines der stärksten EMPYRIUMs.

Beschlossen wird das Album dann mit einem Bonus, namentlich „When Shadows Grow Longer 99“, eine Überarbeitung des Intros des Albums „Songs of Moors & Misty Fields“. Auch hier ist Helm nochmal in weitergehender Aktion zu erleben, bevor die CD dann endgültig ausklingt und den Hörer zurück in die oberflächliche, triste und farblose Welt entlässt. „Where at Night the Wood Grouse Plays“ ist ein Erlebnis, musikalisch eines der intensivsten Abenteuer, die mir je auf CD gebannt zu Ohren kamen. Für das in meinen Augen stärkste EMPYRIUM-Werk (gefolgt von „Weiland“) möchte ich einen Anspieltipp an jeden einzelnen Leser dieser Rezension aussprechen, hier kann nichts schiefgehen.

Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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