Review Enslaved – Heimdal

ENSLAVED sind Meister der Täuschung. Wohl keine andere Band kann so glaubhaft das Image einer Pagan-Metal-Band aufrechterhalten und gleichzeitig immer weiter Richtung Prog Rock driften als die Norweger um King-Crimson-Fan Grutle Kjellson. Auch mit dem sehr pagan anmutenden Albumtitel „Heimdal“ und dem naturmystischen Cover ließe sich gut verkaufen, was ENSLAVED musikalisch längst nicht mehr verkörpern.

Wie schon auf „E“ (2017) eröffnet ein Horn das Album, diesmal begleitet von plätschernden Wellen – man wähnt sich also direkt auf jenem See, den das Artwork zeigt. Allerdings, und das ist durchaus schade, stellen ENSLAVED in den folgenden 55 Minuten die Welt nicht ansatzweise so konsequent auf dem Kopf, wie sie es mit dem Cover-Foto getan haben.

„Behind The Mirror“, der Opener hinter dem Geplätscher, vereint mit Klargesang und Growls, ENSLAVED-typischem Riffing und atmosphärischen Keyboardteppichen alles, was man sich von den Norwegern erwartet – und das durchaus gelungen. Was sie hingegen dazu gebracht hat, einen sperrigen Klotz wie den Achtminüter „Congelia“, in dem gefühlt gar nichts und auch objektiv betrachtet nur sehr wenig passiert, auf Platz zwei zu setzen, bleibt wohl ihr Geheimnis. Immerhin: Der Song bleibt der einzige krasse Ausreißer nach unten.

Beginnend mit dem melodiegeschwängerten „Forest Dweller“, dessen Instrumentierung noch um eine Akustik-Gitarre erweitert ist, tauchen ENSLAVED immer tiefer in proggige Gefilde ein. Von hier an passiert in den Stücken tendenziell eher zu viel als zu wenig: „Kingdom“ ist als hibbelige Prog-Rock-Nummer mit auffällig dominanten Rock-Keyboards und einer penetrant durchlaufenden Tonfolge auf der Gitarre gleichermaßen spannend wie – in der falschen Stimmung gehört – enervierend. „The Eternal Sea“ ist weit bedächtiger, wirkt dafür über die ersten zwei Minuten hinweg recht planlos und ist eigentlich knapp eine Minute vor seinem tatsächlichen Ende vorbei – den Rest der Zeit irrt nur noch ein Keyboardsound durch den Raum. An versteckten Details mangelt es diesen Songs nicht, bisweilen wirken die Arrangements dabei jedoch arg verkopft.

Noch drastischer verteilen ENSLAVED in „Caravans To The Outer Worlds“ sowie dem dahinter auf der Limited Edition der CD eingefügten Bonustrack „Gangandi“ das Gewicht auf die Seiten Black Metal und Prog Rock: Beide Songs haben mitreißende Riffs mit energetischem Drumming, die ENSLAVED jedoch mit einem wilden Allerlei – vom Schellenkranz bis hin zum Saxophon – überschütten. Fast erholsam wirkt da zum Abschluss der Titeltrack als stellenweise fast doomige Nummer, die erst in der zweiten Hälfte nochmal stark rhythmisiert ihren unverkennbaren ENSLAVED-Touch abbekommt, ehe abermals das Keyboard einen Tick zu lang alleine übrig bleibt.

Auf „Heimdal“ ist wahnsinnig viel los – leider oft zu viel. Harte Riffs und Growls treffen auf ausladende Melodien und Gesangslinien, dazu brechen ENSLAVED die Songstrukturen immer wieder auf und füllen jede erdenkliche Lücke (und auch so manche Stelle, die eigentlich keine Lücke gewesen wäre) mit allen erdenklichen Prog-Rock-Elementen. So klingen die Songs mal überladen, mal nicht konsequent zu Ende gedacht – fast durchweg aber über die Maßen anstrengend. Vielleicht stehen sich ENSLAVED mit dem Anspruch, Black Metal machen zu wollen und zugleich Prog Rock zu spielen, auch selbst im Weg und es wäre schlicht und ergreifend Zeit für den letzten konsequenten Schritt: Weg von Double-Bass, Growls und High-Gain-Amps, hin zum lupenreinen Prog. Das Mischverhältnis auf „Heimdal“ ist jedenfalls nicht ideal.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 6.5 / 10

Publiziert am von

Ein Kommentar zu “Enslaved – Heimdal

  1. Ich komme einfach nicht mit Enslaved mehr klar. Seit „Isa“ bin ich irgendwie völlig raus, hab jedes Album gehört, finde keines mehr so zwingend oder interessant wie zum Beispiel Mardraum oder Monumension. Die sind beide zwar in Sachen Sound sehr gestrig und alles andere als gut gealtert, aber irgendwo packt mich das weit mehr, als alles was nach Below the Lights (mein Highlight) dann kam.
    Ich kann es nicht Mal wirklich erklären, weil alle Anhaltspunkte für einen Erfolg bei mir da wären. Vielleicht ist es tatsächlich das Mischverhältnis, das du erwähnst, aber das wirkt für mich dann seit Isa nicht mehr stimmig.
    Schade, ich will Enslaved einfach mögen, weil ich Grutle so als Aushängeschild immer sehr sympathisch finde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert