Review Enslaved – E

  • Label: Nuclear Blast
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

“Wir trennen uns von der Vergangenheit. 2016 war das 25-jährige Bandjubiläum von ENSLAVED und das stellte einen wirklich wichtigen Punkt für uns und die Fans dar. Aber jetzt steuern wir neue Horizonte an…“

Mit diesen Worten beginnen ENSLAVED ihr Promoschreiben, das ihr Label Nuclear Blast im Rahmen der Veröffentlichung ihres 14. Studioalbums mit dem Namen „E“ (beziehungsweise der lateinischen Darstellung der titelgebenden Rune „Ehwaz“) an die Presse herausgibt. Doch so oft man derartige Sätze schon gehört hat – in diesem Fall ist da durchaus was dran: Ende 2016 gab Herbrand Larsen, Keyboarder und vor allem Clean-Sänger der Band, plötzlich seinen Ausstieg bekannt. Mit ihm fiel eines von ENSLAVEDs markantesten Hauptmerkmalen weg. Eine Neuausrichtung, welcher Art auch immer, konnte nur die logische Konsequenz sein. Zur Überraschung vieler kam dann die Ankündigung, dass erneut ein Keyboardspieler mit Klargesang der Band beigetreten war: der mit 25 Jahren bemerkenswert junge und vollkommen unbekannte Håkon Vinje.

Hätte dieser Wechsel tatsächlich die Chance geboten, eine ganz andere Richtung einzuschlagen, haben die Norweger sich also entschieden, einen direkten 1:1-Ersatz für Larsen in die Band aufzunehmen. Tatsächlich, so skeptisch diese Idee zunächst machen mag, erfüllt Vinje seine Rolle ausgezeichnet: Zwar wird es sicherlich einige Zeit dauern, bis langjährige Fans sich an die neue Stimme gewöhnt haben, den Gesangsstil Larsens kann Vinje jedoch bestens imitieren. Im Keyboardspiel zeigt sich der junge Musiker sogar noch ein Stück experimenteller in Sachen Soundauswahl, auch wenn so manches Solo noch etwas planlos klingt.

Ansonsten wird aber auf „E“ sehr schnell klar, was die Band mit „neue Horizonte“ meint. Bereits das Intro des Openers „Storm Son“ fasst den Post-Rock-orientierten Stil der Platte gut zusammen. ENSLAVED reihen in diesem Elfminüter viele tolle, groovige und atmosphärische Riffs aneinander und erinnern dabei zwischenzeitlich an eine Black-Metal-Version von Pink Floyd. Dennoch demonstrieren die Norweger damit auch gleichzeitig ein Problem des Albums: Manches auf „E“ fühlt sich unnötig langgestreckt an. Zu oft wiederholt die Band bei ein paar der Stücke ihre Riffideen, ohne dass es dafür eine wirkliche musikalische Rechtfertigung gibt.

Davon abgesehen ist die Musik auf „E“ aus kompositorischer Sicht jedoch erneut hervorragend. Am stärksten zeigt sich die Formation beim kürzesten Song des Albums: „The River’s Mouth“ erinnert mit seiner einfachen Struktur und dem eingängigen Refrain erfreulicherweise an den Midtempo-Hit „Building With Fire“ vom Vorgängerwerk „In Times“. „Sacred Horse“ macht seinem Namen alle Ehre und galoppiert schwungvoll durch seine acht Minuten Spielzeit, während Vinje den Track mit rockigen Orgelsounds aufpeppt.

Auch das abschließende „Hiindsiight“ kann mit melancholischen Riffs, einem schönen Saxophonpart und dem Gastauftritt Einar Selviks (Wardruna-Mastermind und Gitarrist Ivar Bjørnsons Bandkollege bei Skuggsjá) einige Punkte sammeln. „Feathers Of Eolh“ hingegen stellt mit seinen vielen stimmigen Klargesängen quasi das Vorzeigestück für das neue Bandmitglied dar. Einzig das bluesige „Axis Of The World“ will nicht so recht zünden. Angesichts der anderen gelungenen Tracks und der makellosen Produktion ist dieser kleine Ausrutscher jedoch mehr als verschmerzbar.

Trotz des Keyboarder-/Clean-Sänger-Wechsels sind die sechs Stücke auf „E“ wieder von so hoher Qualität was Kreativität, handwerkliche Umsetzung und Wiedererkennungswert angeht, dass kein Fan der Truppe hierbei die Flucht ergreifen dürfte. Das alles klingt immer noch zu 100 Prozent nach ENSLAVED, die nun seit etlichen Jahren zu den besten Bands im Progressive Black Metal gehören. Mag „E“ auch nicht ganz an die stärksten Alben der Band heranreichen, hält Werk Nummer 14 dennoch etliche schöne Momente bereit, die man nicht missen will.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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