Review Hämatom – X (Best Of)

Unkraut vergeht nicht. Oder eher: Alte Liebe rostet nicht? Wie auch immer man es ausdrücken möchte, die NDH-Grenzgänger HÄMATOM feiern 2014 ihr zehnjähriges Bestehen. Trotz diverser Rückschläge und Unkenrufen ist es den vier Himmelsrichtungen besonders in den letzten Jahren gelungen, sich in der hiesigen Szene zu etablieren. Weg von Gesellschaftskritik in Form von Kinderliedern hin zu rotzigen Rockbrettern mit Biss lautete die musikalische Parole. Zum Jubiläum haben die vier Musiker nun einige Songs neu aufgenommen und sich an interessante Coverversionen gewagt.

„Teufelsweib“ und „Leichen pflastern unseren Weg“ sind die einzigen beiden neuen Nummern, die es auf „X“ geschafft haben. Hier liefern HÄMATOM musikalisch keine neuen Erkenntnisse, sondern erweitern ihr Reportoire um zwei grundsolide Stücke. Deutlich interessanter und prägnanter ist das Konzept der ersten CD: Zehn Songs aus zehn Jahren hat sich das Quartett gesucht – aus jedem HÄMATOM-Jahr exakt einen Song der deutschen Singlecharts. Der gemeine Radiohörer dürfte bei den akustisch aufgemotzten Versionen von Ich und Ichs „Vom selben Stern“ oder Unheiligs „Geboren um zu leben“ im wahrsten Sinne des Wortes mit den Ohren schlackern, doch das Konzept geht auf. Die musikalische Rosskur steht besonders „Bilder im Kopf“ von Sido und dem Fettes-Brot-Klassiker „Emanuela“ extrem gut zu Gesicht. Den Wiedererkennungswert der Steilvorlagen gibt es sozusagen inklusive. Dennoch spürt man, dass Nord, Süd, Ost und West hier keine Fließbandarbeit abliefern, sondern sich ihre Vorlagen gezielt ausgesucht und um an sich konträre Elemente wie Double-Bass ergänzen haben, um am Ende ein stimmiges Ergebnis daraus zu basteln. Wer ein eiserner Verfechter der Originale ist, dürfte freillich wenig Freude an den härteren, aber nie überharten Auffrischungen haben. Vielleicht hätten Wir Sind Helden nach dieser „Guten Tag“-Version auch gerne mehr als ihr altes Leben zurück.

Dass bei HÄMATOM hinter der Fassade aus Masken und Schminke gestandene Musiker am Werke sind, beweist auch „Totgesagt doch neugeboren (Teil 3)“ in einer Pianoversion. Hier wird erstmals auf einer Studioproduktion der Metaller deutlich, welch stimmliche Qualität hinter Nords Organ steckt. Man vergleiche das Gefühl in jener Interpretation z.B. mit „Panik“ vom letzten Longplayer „Keinzeitmensch“. Trotz des argen Kontrasts in der Stimmfarbe funktioniert beides tadellos. Abseits davon gibt es für einige bandinterne Klassiker wie „Eva“, „Leck mich“ oder „Ihr kotzt mich an“ ebenfalls eine Frischzellenkur, mehrheitlich durch zusätzliche Keyboard-Parts und einen guten Schuss Power in den Gitarren. Lediglich „Eva“ verliert im Vergleich zu ursprünglichen Version etwas, da die Keyboards die Härte in diesem Fall dämpfen und auch Nords Gesang nicht mehr so anklagend wie zuvor durch die Lautsprecher dringt. Ob „Alte Liebe rostet nicht“ und andere vergleichsweise neue Songs die akustische Politur zum jetzigen Zeitpunkt bereits nötig haben, sei auch dahingestellt. An der Qualität in Sachen Eingängigkeit und Co. ändert dies wenig.

Alles in allem haben HÄMATOM mit „X“ ein sehr interessantes Jubiläumspaket auf die Beine gestellt, das sowohl Neues wie auch Altbekanntes in moderner Qualität vereint. Die knapp 80 Minuten Gesamtlänge teilen sich in fast zwei gleichlange Blöcke mit durchdachten Coverversionen bekannter Charthits und den bereits erwähnten „Upgrades“ des eigenen Materials. Wie anno 2014 üblich, gibt es „X“ noch in einer speziellen Freak-Box mit exklusivem Fotobuch, DVD und im Falle von EMP einer zusätzlichen Flagge oben drauf. Doch auch ohne diese Goodies funktioniert die musikalische Mischung hier hervorragend.

Keine Wertung

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert