Review Magellan – Innocent God

Nur zwei Jahre nach „Symphony For A Misanthrope“ gibt es schon wieder ein neues MAGELLAN-Album. Das ist nicht nur deshalb ein Wunder, weil Chefdenker Trent Gardner normalerweise zu den absoluten Perfektionisten seines Genres zählt. Es ist insbesondere deshalb beachtenswert, weil das siebte Studioalbum der Amerikaner das erste ist, das sie in völligem Alleingang vertreiben und vermarkten.

Trent Gardner fühlte sich lange Jahre künstlerisch eingeschränkt bei MagnaCarta, dem Label auf dem die ersten vier MAGELLAN-Werke erschienen. Nachdem MAGELLAN dann zum Progrocklabel-Flagschiff InsideOut gewechselt waren und dort die beiden Alben „Impossible Figures“ und besagtes „Symphony For A Misanthrope“ veröffentlich haben, habe ich eigentlich erwartet, dass die Musik einem größeren Kreis bekannt wird, auch wenn die Jungs immer noch einen sehr speziellen Sound hatten. Daraus wurde jedoch nichts, die Zusammenarbeit mit dem Label scheint suboptimal gelaufen zu sein. Zwei Jahre lang hat man dann Muse-Wrapped Records aufgebaut, das Label, über das Trent heute seine eigene Musik und andere Progrock-Bands sowohl in digitaler als auch gepresster Form vertreibt. MAGELLAN-Alben waren noch nie einfach im Laden zu bekommen, jetzt muss man jedoch auf jeden Fall bei Muse-Wrapped Records per Kreditkarte seine Version bestellen.

Auch musikalisch hat man eine große Entwicklung vollzogen. Von der symphonisch-überbombastischen Mischung aus klassischem Seventies-Prog und frischem Progmetal ist inzwischen nichts mehr übrig. Trents alte „Krankheit“, in einen Zehnminüter alle 30 Sekunden ein neues Thema oder einen Stilbruch einzuführen und wilde Bombastfrickelorgien und Rythmuswechselpartys zu feiern, ist mittlerweile komplett geheilt. Die Auswirkungen des Beschlusses, lieber weniger Ideen pro Song zu verwenden und diese dafür breit auszuarbeiten, sind bereits mit dem Wechsel zu InsideOut erstmalig aufgetreten und auf „Innocent God“ so deutlich wie noch nie zuvor zu spüren: Auf dem neuen Output befinden sich ausschließlich Nummern, die vermutlich jeder Hörer problemlos als echte Songs mit klaren Strukturen identifizieren würde. Strophe und Refrain sind jederzeit klar erkennbar und die Instrumentalparts auf ein absolutes Minimum heruntergefahren. Früher kaum denkbar – heute gibt es MAGELLAN-Songs ohne ein einziges Solo, sondern nur mit etlichen Soundtüfteleien im Hintergrund. Womit wir beim nächsten Punkt wären: Gleichgeblieben ist die Tatsache, dass Trent Gardner und sein Bruder Wayne nach wie vor zu den fortschrittlichsten, wahrhaft progressivsten und experimentierfreudigsten Musikern der Progrock-Bewegung zählen: Mehr den je gibt es auf „Innocent God“ Beats und Sounds aus dem Computer, das echte Schlagzeug wird des Öfteren von einem absolut knackig und fantastisch klingenden Rhythmusmacher unterstützt, der mal Ethno- und Worldmusic-ähnliche und manchmal sogar beinahe technoide Rhythmussalven loslässt. Geblieben ist auch Trents Hang zu überaus patriotischen Melodienbögen, die er mit seiner zwar unverwechselbaren, aber ausdruckslosen Stimme intoniert. Ganz klar, Trent ist Amerikaner mit Herz und Seele, aus Fleisch und Blut. Viele der Gesangsarrangements klingen nach wie vor gepresst und gezwungen, weil Trent ganz schnell an die Grenze seine Variabilität und Einfühlsamkeit kommt, dennoch macht genau diese Tatsache für mich einen großen Teil des Reizes seiner Musik aus. Da ist es beinahe schon schade, dass der Großteil der neuen Songs tatsächlich echte Melodien enthält, die mit einem richtigen Sänger geradezu brilliante Tracks hervorgebracht hätten. Also: Entweder wir bekommen wieder die verquer-genialen Knödelmelodien von früher, oder Trent holt sich mal einen Sänger, der seine Ohrwürmer auch umzusetzen weiß.

Das kompaktere Songwriting des neuen Albums hat auch zur Folge, dass es manchem Track ein wenig an Abwechslung fehlt – ein eigentlich absolut unnachvollziehbarer Kritikpunkt, wenn man von MAGELLAN spricht. Wer die bisherigen Werke der Band kennt, weiß, was ich meine! Im Umkehrschluss ist „Innocent God“ das einzige der drei Werke mit dem „neuen Stil“, das tatsächlich völlig in sich geschlossen ist und auch als Album wunderbar funktioniert. „Impossible Figures“ und insbesondere „Symphony For A Misanthrope“ klangen eher wie eine wilde Songansammlung ohne homogenen, zusammenfassenden Albumsound. Das lag vor allem daran, dass Trent dort immer wieder in sein altes „Hektiksongwriting“-Schema zurückgefallen ist. Werk Nummero Sieben hingegen hat einen fantastisch frischen, druckvollen Sound und klingt während der gut 46 Minuten topmodern und wie aus einem Guß.

„Innocent God“ ist daher mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung und ein tolles Zwischenergebnis, bei dem man gespannt sein darf, was wohl als nächstes kommt. Ich bin zwar beinahe etwas traurig, dass wir wohl nie wieder Songs im Stile von „Magna Carta“, „Union Jack“ oder „Critic’s Carnival“ zu hören bekommen, dennoch werde ich die Musik der Band auf jeden Fall weiterverfolgen. Denn geniale Ohrwürmer wie „My Warrior“, ein Longtrack wie „Innocent God“ oder ein rundum gelungenes Instrumental wie „Sea Of Details“ sind für mich Beweis genug, dass MAGELLAN immer noch das bestbehütete Geheimnis der Progressive Rock-Szene sind.

Reinhören und bestellen ist möglich unter: www.magellanweb.com

Wertung: 8.5 / 10

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