Review Marilyn Manson – The Pale Emperor

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“ sagt der Volksmund. Mag damit auch ein anderer Karriereweg als der von MARILYN MANSON gemeint sein, passt das Sprichwort hier dennoch: Denn seit der Amerikaner mit dem seichten „Eat Me, Drink Me“ sein Gruselrocker-Image gründlich zerlegt hat, scheint der einst so schrille Rockstar in fast schon biederer Normalität wieder aufzublühen.

Mit „The High End Of Low“ und „Born Villain“ veröffentlichte MARILYN MANSON in den folgenden fünf Jahren zwei überaus bemerkenswerte Alben, die – stark von der Rückkehr des Gitarristen Twiggy Ramirez geprägt – erfrischend rockig klangen. Mit seinem neunten Studioalbum, „The Pale Emperor“, knüpft MANSON nun nicht bloß dort an, sondern verflicht diesen neuen Stil gekonnt mit der Eleganz früherer Werke: Während MANSONS markanter Gesang unverändert zeitlos geblieben ist, strahlen die Songs selbst Lässigkeit aus, wie man sie seit „Mechanical Animals“ nicht mehr gehört hat – eine Entwicklung, zu der Gitarrist Tyler Bates als Mitkomponist und Produzent wohl auch einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben dürfte.

Schon der Opener „Killing Strangers“ kommt mit langsamem Groove und getragenen Gitarren äußerst laid back daher – dass der Song als Soundtrack für den Action-Thriller „John Wick“ mit Keanu Reeves Verwendung fand, hört man dem Stück nicht wirklich an. Merklich düsterer fällt das folgende „Deep Six“ aus: Die energiegeladenen Ausbrüche wecken direkt Erinnerungen an „I Don’t Like The Drugs (But The Drugs Like Me)“ und nicht nur in Kombination mit dem aufwühlenden Video bekommt man hier MARILYN MANSON in Reinkultur und Bestform geboten. Auch im weiteren Albumverlauf erweist sich „Mechanical Animals“ trotz seiner deutlich elektronischer geprägten Instrumentierung hinsichtlich der Atmosphäre als die passendste Referenz aus der bisherigen Diskographie: Wie das legendäre MANSON-Album aus dem Jahr 1998 bleibt auch „The Pale Emperor“ bis zum Schluss ruhig und doch über die gesamte Spielzeit spannend. Mit einigen Querverweisen auf „Antichrist Superstar“, was die Gitarren angeht, stellt „The Pale Emperor“ damit das ausgereifteste MARILYN-MANSON-Album seit „Holy Wood“ dar.

Die schrittweise Abkehr vom Image des Schock-Rockers kann man MANSON kaum vorhalten – diese Rolle in Würde bis ins hohe Alter zu spielen, ist wohl Alice Cooper vorbehalten. Umso überzeugender ist MANSON, selbsternannter Antichrist Superstar und God Of Fuck, nun in der Rolle des abgeklärten Künstlers, der scheinbar losgelöst von allen Zwängen, Klischees und Erwartungshaltungen endlich mit sich selbst im Reinen zu sein scheint. Anders ist ein so durchdachtes und doch gefühlvolles, innovatives und doch retrospektives, selbstsicheres und doch verletzlich anmutendes Album wie „The Pale Emperor“ nicht zu erklären.

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Wertung: 9 / 10

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