Review Marilyn Manson – Born Villain

Dass es auf der Karriereleiter nicht immer nur nach oben geht, musste MARILYN MANSON in den letzten Jahren schonungslos erfahren: Nachdem er mit seinem Hit-Album „The Golden Age Of Grotesque“ noch europaweit die größten Konzerthallen füllte, war das poppige „Eat Me, Drink Me“ sowas wie der Anfang vom (vorläufigen) Ende: Die Hallen wurden kleiner, von „ausverkauft“ war keine Rede mehr – und schockierend fand den ehemaligen Schwiegermutter-Schreck nach dem Herzchen-Album sowieso niemand mehr. Und die Reise nach unten ging rapide weiter: Aus kommerzieller Sicht floppte „The High End Of Low“, die gebuchte Tour wurde kurzfristig in kleinere Locations verlegt selbst diese fast schon familiären Konzerte waren nur selten voll. Interscope ließen MANSON fallen und man hätte dem ehemaligen Bilderbuch-Exzentriker kaum verübeln können, hätte er sich dazu entschieden, mit seinem Ausstieg aus der Musikbranche doch noch ernst zu machen und sich zukünftig nur noch der Malerei und seinem Leben als VIP zu widmen.

Weit gefehlt, wie sich nun zeigt: Von alledem scheinbar gänzlich unbeirrt legt der Rockstar mit „Born Villain“ ein weiteres Album nach. Nun ja, vielleicht nicht gänzlich unbeirrt: In Kooperation mit den Briten Cooking Vinyl über das eigens gegründete Label „Hell, etc.“ veröffentlicht, sollte das Album laut Aussage des Musikers einen Neustart darstellen – dass ein solcher karrieretechnisch nicht schlecht wäre, steht außer Frage. Ganz gerecht wird MARILYN MANSON diese Sicht der Dinge freilich nicht – war „The High End Of Low“ nach dem fast poppigen „Eat Me, Drink Me“ doch – unbemerkt von der breiten Masse, wie es scheint – eigentlich schon ein Neustart und qualitativ definitiv eines der besten Alben in MANSONs Karriere. An diesem hat sich „Born Villain“ nun zu messen: Bereits auf „The High End Of Low“ war MANSON, durch die Rückkehr von Twiggy beeinflusst, wieder deutlich rockiger zu Werke gegangen und hatte damit den auf „Eat Me, Drink Me“ angedeuteten Abschied von elektronisch beeinflusster Musik zu Gunsten vielseitiger Gitarrenmusik aller Härtegrade weitergetrieben.

Mit „Hey Cruel World“ geht „Born Villain“ gleich zu Beginn noch einen Schritt weiter – weiter zurück in der MANSONschen Diskographie, erinnert der Sstarke Opener doch an Stücke wie „The Fight Song“ („Holy Wood“) oder auch das noch ältere Material von „Antichrist Superstar“. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch das folgende „No Reflection“ und lässt damit längst vergessen geglaubte Erinnerungen wach werden – wer hätte schließlich nochmal mit einer solchen Rückbesinnung gerechnet? Dass „Pistol Whipped“ eher in Richtung „Mechanical Animals“ geht, wohingegen das aggressive, elektronisch untermalte „Overneath The Path Of Misery“ allen Fans von „The Golden Age“ ein Lächeln aufs Gesicht zaubern sollte, rundet das Gesamtbild ab. Doch MANSON hängt mit „Born Villain“ nicht nur in Remineszenzen an vergangene Großtaten fest – Songs wie „The Gardener“ mit seinem ungewohnten Sprechgesang sowie den spacigen Gitarreneinwürfen beweisen, dass der Name MARILYN MANSON auch 2012 noch für stetige Weiterentwicklung und Erneuerung steht.
So weit, so gut – doch gibt es einen Wermutstropfen: Denn auch wenn die Songs für sich genommen qualitativ nicht unbedingt schlechter werden, verliert sich „Born Villain“ in der zweiten Hälfte in Belanglosigkeit: Wirklich viel hat MANSON dem bereits Gesagten nicht mehr hinzuzufügen. Die alte MANSON-Krankheit, neigt der Musiker doch schon immer dazu, ein bis zwei Songs zu viel auf seine Alben zu packen und sich so selbst das Wasser abzugraben. Über weite Strecken ist „Born Villain“ qualitativ nämlich ähnlich stark wie sein Vorgänger. Ein Durchgang im Shuffle-Modus hilft hier, auch die weiter hinten angesiedelten Songs schätzen zu lernen.

Ob „Born Villain“ den gewünschten (kommerziellen) Erfolg bringt, und damit als „Neubeginn“ gewertet werden kann, ist mehr als fraglich – zu kompromisslos macht MARILYN MANSON hier dort weiter, wo er es für richtig empfindet, zu wenig dort, wo das (Mainstream-)Publikum ihn offensichtlich am liebsten hatte. Doch auch dafür gebührt dem Ausnahme-Sänger Respekt – denn zumindest Ausverkauf oder Kommzerdenken kann man MANSON anhand dieses Albums nicht attestieren. Vielleicht nicht der erhoffte ganz große Wurf, aber zumindest ein grundsolides MANSON-Album mit einigen echten Perlen.

Einzig die Gestaltung des Digipacks ist eine wirkliche Enttäuschung: Denn wo MANSON sonst immer und überall sein Künstlerimage pflegt, findet sich hier statt eines liebevoll gelayouteten Booklets lediglich der nackte Verweis auf eine Homepage, auf der die Texte nachzulesen seien. Das große Geld scheint hier wirklich niemand zu investieren bereit gewesen zu sein – anders lässt sich eine solche Aktion nicht erklären.

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Wertung: 7.5 / 10

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