Review Nyss – Dépayser

  • Label: Avantgarde
  • Veröffentlicht: 2019
  • Spielart: Black Metal

Bereits mit ihren ersten Veröffentlichungen haben sich NYSS als außergewöhnliche, experimentierfreudige Band zu erkennen gegeben, die nicht einfach nur Black Metal spielt, sondern die verschiedensten Einflüsse von Ambient über Noise bis hin zu Post-Rock zu verarbeiten vermag. Nach vier EPs, die allesamt im Jahr 2016 erschienen, dem kurzen, aber eindrücklichen Debüt „Princesse Terre (Three Studies Of Silence And Death)“ sowie einer Split mit der Funeral-Doom-Ein-Mann-Band The Howling Void melden sich die Franzosen nun mit ihrem zweiten Album „Dépayser“ zurück. Dass NYSS mit François Boyenval inzwischen einen Cellisten in der Band haben, liefert schon vorab einen ersten Hinweis darauf, dass das Trio stilistisch auch diesmal keineswegs auf der Stelle tritt.

Grundsätzlich erkennt man NYSS auf Album Nummer zwei problemlos wieder. In den vier neuen Stücken, die es zusammen auf eine knappe Dreiviertelstunde Laufzeit bringen, dominieren von teuflischer Bosheit erfüllte Screams und Growls, messerscharfe Gitarrenriffs und trotz ihrer halsbrecherischen Geschwindigkeit punktgenau eingespielte Schlagzeugrhythmen. Die Besonderheit liegt hierbei in der Art und Weise, auf die NYSS diese Stilmittel anordnen und mit anderen Ingredienzen kombinieren. So resultiert die Verbindung der rasanten Riffs und Drums mit schrill-dröhnenden Noise-Effekten im Mittelteil von „Let The Devil In“ in einem gewollt albtraumhaften Chaos, wohingegen die obskur anmutenden, dem Klang nach von isländischem Black Metal der Marke Svartidauði inspirierten Gitarrenmelodien auf „Know There Is Art In Death“ ganz für sich allein eine beunruhigende Stimmung erzeugen.

Selbst für jene Hörer, welche die Band schon länger verfolgen, haben NYSS mit „Bitter Tears And Grave Dirt“ eine Überraschung parat. Die vierzehnminütige, tieftraurige Nummer, die von Clean-Gitarren und Cello sowie von einem von Todessehnsucht sprechenden Spoken-Word-Sample eingeleitet wird, bewegt sich gekonnt zwischen träumerischem Post-Rock und niedergeschlagenem Post-Black-Metal und stellt damit das emotionalste Stück des Albums dar. Boyenvals bedrückendes Spiel mit Cello kommt hier besonders deutlich zur Geltung, was jedoch keineswegs heißen soll, dass es auf den übrigen Tracks untergeht.

Vielmehr ist es NYSS gelungen, eine eigentümliche Symbiose zwischen den trübseligen Streicherklängen und den mit der Kaltblütigkeit einer Maschine zuschlagenden Metal-Parts herzustellen, was der Musik zusätzliche Dramatik verleiht. Apropos Maschine: Die mechanische Genauigkeit, mit der NYSS ihre Instrumente spielen, spiegelt sich auch in der bewusst anorganischen Produktion und der auf dem Artwork abgebildeten, grotesken Kunstinstallation wieder, weshalb von dem Album eine geradezu lebensfeindliche Ausstrahlung ausgeht.

Die tief sitzende Entfremdung, die NYSS in den Texten ihres neuen Albums besingen, könnte sich musikalisch kaum eindringlicher ausdrücken lassen. Hoffnungen oder tröstende Umarmungen haben auf „Dépayser“ keinen Platz – an ihrer Stelle stehen triste Resignation („Bitter Tears And Grave Dirt“) und blanker Wahnsinn („Let The Devil In“). In ihrem finsteren Treiben vollführen NYSS einen beeindruckenden Balanceakt zwischen Atmosphäre und Komplexität, den nur wenige andere Black-Metal-Bands in dieser Form zustande bringen. Wer nicht vor tiefen Einblicken in seelische Abgründe zurückschreckt, sollte NYSS somit auf jeden Fall Gehör schenken und auch in Zukunft im Auge behalten.

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Wertung: 8.5 / 10

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