Review Orden Ogan – Gunmen

„Früher war alles besser“ – den Spruch kennt ihr mit Sicherheit. Sein verallgemeinernder Richtigkeitsanspruch ist jedoch durchaus zu hinterfragen, wie uns schon der Metal lehrt – immerhin hießen die deutschen Melodic-Power-Metaller ORDEN OGAN vor mehr als zwei Dekaden noch „Tanzende Aingewaide“ und fallen somit ganz offensichtlich aus diesem Raster. Doch nicht nur ihr Talent für die Namensfindung ist es, an dem die Nordrhein-Westfalen gefeilt haben: Mit „Gunmen“, der neuen und fünften Langrille der Gruppe, liegt ein majestätisches, episches und doch rockiges Power-Metal-Highlight vor, das gekonnt untermalt, wo ORDEN OGAN jetzt stehen und keinerlei wehmütige Erinnerungen an vergangene Zeiten hervorrufen sollte.

Sicher, einen schwachen Output haben sich die Nordlichter seit ihrem Debütalbum „Vale“ ohnehin noch nie geleistet. Was die Truppe um Sänger und Gitarrist Sebastian „Seeb“ Levermann jedoch mit „Gunmen“ auf die Beine gestellt hat, dürfte den Sound der Band durchaus auf eine neue Stufe hieven – und das will im Kontext großartiger Platten wie „Easton Hope“, „To The End“, „Ravenhead“, nun, im Grunde der gesamten ORDEN-OGAN-Diskographie, schon etwas heißen.
Der vorab veröffentlichte Opener und Quasi-Titelsong „Gunman“ versetzt uns ohne große Umschweife in ein Wild-West-Szenario, in welchem der titelgebende Knarrenmann Rache für den Mord an einer, wie das gut gelungene Musikvideo nahelegt, geliebten Frau nimmt. Textlich mag das bisweilen ein wenig klischeehaft anmuten, dennoch präsentiert sich bereits dieser Einstieg als eine Power-Metal-Hymne der ersten Güteklasse. Auch im Folgenden servieren uns ORDEN OGAN einen musikalischen Leckerbissen nach dem anderen, wobei ihnen abermals eine gute Symbiose aus Melodieführung, orchestralem Bombast (man beachte nur das pompöse Intro des Openers) und rockendem Metal gelingt, dessen Durchschlagskraft nicht zu kurz kommt.

Bemerkens- sowie lobenswert ist der Umstand, dass die neuen Songs mit jeder Menge Emotionen aufwarten. Obschon sie durchaus eingängige Hymnen verfassen, waren ORDEN OGAN nie eine Band, die sich allzu sehr dem oft im Power Metal anzutreffenden Kitsch hingegeben hat und Gefühl in ihre Nummern zu legen beherrschten sie schon immer. Auf „Gunmen“ erscheint dies jedoch intensiver als in den meisten Fällen davor – und das, obwohl eine reinrassige Ballade der Marke „Requiem“ oder „The Ice Kings“ fehlt. Der Zuhörer spürt die bedrückende Melancholie, die etwa der zweiten Single „Fields Of Sorrow“ innewohnt und spätestens wenn „Seeb“ im epischen Schlusstrack „Finis Coronat Opus“ mit beruhigend wirkender Stimme „I’ll always be there with you, I’ll always be watching you“ verkündet (aus der Sicht einer verstorbenen Person), brechen alle Dämme.
Sowohl hinsichtlich der Emotionen als auch musikalisch erreicht die Platte jedoch in der Mitte ihren Höhepunkt, der auf den Namen „Come With Me To The Other Side“ hört. Waren es auf dem Vorgänger „Ravenhead“ noch Joacim Cans (Hammerfall) sowie Chris Boltendahl (Grave Digger), die als renommierte Gastsänger mit von der Partie waren, konnten ORDEN OGAN für diesen Titel abermals einen namhaften Gast gewinnen: Liv Kristine, die im letzten Jahr durch die Trennung von ihrer Stammband Leaves‘ Eyes für offene Münder sorgte, veredelt diesen ruhig beginnenden und sich dann in einer rasanten Metal-Dampfwalze entladenden Song mit überaus gelungenen Parts. Der Band gelingt hier darüber hinaus das Kunststück, einen der schnellsten und aggressivsten, zugleich jedoch gefühlvollsten Songs der ganzen Platte zu präsentieren. Herz, was willst du mehr?

Letzten Endes gibt es daher nur die eine oder andere Kleinigkeit zu bemängeln. Manche Songs hätten durchaus auch in kürzerer Form funktioniert, zudem haben sich gegen Ende der Platte dann doch ein paar keinesfalls misslungene, allerdings nicht ganz so mitreißende Nummern eingeschlichen. Kurzum geht „Gunmen“ zum Schluss hinaus gefühlt ein wenig die Luft aus, was anhand der enorm hohen Qualität der meisten Songs jedoch zu verzeihen ist und den Hörgenuss nur eingeschränkt trübt. In ihrer Gänze ist die Platte energetisch, mitreißend, emotional und bis zum Anschlag gefüllt mit packenden, melodischen Power-Metal-Hymnen. Damit ist „Gunmen“ ein in diesem Zusammenhang buchstäblicher Volltreffer und, in diesem Fall wäre das klischeehaft anmutende Lob wohl angebracht, möglicherweise in der Tat das bisher beste Album ORDEN OGANs.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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