Review Parkway Drive – Atlas

Wer den vorab veröffentlichten Song „Old Ghosts / New Regrets“ vom neuen PARKWAY DRIVE-Album „Atlas“ bereits gehört hat, dürfte sich gedacht haben: „Okay, das neue Album wird vermutlich in etwa so innovativ wie die Rosine im Studentenfutter.“ An Stelle zwei des Releases platziert, ist das Lied nach einem quasi identischen Muster aufgebaut wie „Unrest“ vom Vorgänger: Schnelle Strophen, die nur allzu typischen Breakdowns und die PARKWAY DRIVE-typischen Riffmuster lassen einen denken, dass sich Down Under nichts geändert hat.

Diese Aussage kann man aber nach nicht mal 20 Minuten „Atlas“ gleich wieder über den Haufen werfen: Nein, die Grundausrichtung hat sich zwar nicht geändert. Andererseits gibt es hier unheimlich viel zu entdecken, was man so noch nie gehört hat. Streicher, jede Menge Akustik-Passagen, den Einsatz von Turntables und viel mehr – das beginnt bei dem sphärischen, Post-Rock-artigen Intro „Sparks“, in welchem sich diese Elemente vereinen, bevor sich ein Schlagzeugbeat aufbaut. „We are but sparks in a darkened world, and yet some things were born to burn.” schreit Frontmann Winston McCall ins Mikro und gibt damit auch das Konzept des Albums preis: Die Zugrunderichtung der Erde durch den Menschen. Das ist nicht besonders innovativ – gerade zu Beginn dieses neuen Jahrzehnts scheint es zu einer Art Trendsportart geworden zu sein, dieses Thema zu besingen. Was solls.

Ein Aspekt, der schon bei „Deep Blue“ auffiel, findet sich auch auf dem neuen Release wieder: „Atlas“ wirkt bei den ersten Hördurchläufen merkwürdig, fast befremdlich. Vieles erschließt sich nicht sofort, man hat das Gefühl, die Band habe sich in ihrem Drang nach Veränderung übernommen. Ebenso schnell verschwindet dieses Gefühl wieder und weicht der Begeisterung. Zunächst, weil es trotz allem noch einige weitere Songs gibt, die das gewohnte PARKWAY-DRIVE-Gefühl verursachen: Nummern wie die an Unearth erinnernden „Swings“ und „Dream Run“ zum Beispiel – und einen so asozial groovenden Midtempo-Song wie „Sleight Of Hand“ hat man von den Australiern auch noch nicht gehört.

„Snake Oil And Holy Water“ dürfte davon abgesehen der metallischste Track der Bandgeschichte sein – hier treffen astreine Groove-Metal-Riffs auf Gang-Vocals und bisher selten gehörte Blastbeat-Parts. Zweistimmige Tremolo-Picking-Riffs und der Schlachtruf „No Place To Find“ beschließen das Lied in überragender Weise. „Wild Eyes“ erinnert mit seinen Tapping-Riffs und Woo-Hoo-Chören zu Beginn an „Home Is For The Heartless“ von „Deep Blue“ – und spielt dennoch schon auf Grund der endlos vielen Variationen in einer ganz anderen Liga und vermeidet so zugleich es, in den Kitsch abzudriften: Nix Schunkel-Sound, hier gibt es astreine Schwedentod-Parts inklusive Blastbeats und per Tremolo-Picking gespielten Melodien. Eine im Tempo gemäßigte Bridge verbindet beide Teile perfekt und zu guter Letzt verbinden PARKWAY DRIVE all dies mit einem genial ballernden Palm-Mute-Breakdown. Da geht einem das Herz auf, vor allem, wenn man gegen Albumende mit „Snake Oil And Holy Water“ noch so einen Song vorfinden kann.

Das war die eine Seite des Albums. Nun zur anderen: Dieser Titeltrack, „Atlas“ etwa besteht nur aus akustischen Gitarren, Hall-versehenen Drumbeats und Gesang – später gesellen sich mitunter hektische Streicher hinzu und die akustischen werden mit beinahe bluesigen Gitarren kombiniert. Das ist schon ein krasser Stilbruch. Dann ist da noch „The River“, das wie „Alone“ aufgebaut ist, aber unglaublich viel Melancholie erzeugt und mit verdammt eingängigen Gitarrenmelodien und Akkordverfolgen protzt. Dazu hört man eine weibliche Sängerin, die cleanen Gesang beisteuert.

Der weiter gedrosselte Einsatz von Breakdowns fällt positiv auf und doch oder gerade deswegen (je nachdem, wie viel Freude man an Breakdowns hat beziehungsweise wie alt man ist) machen sie noch mehr Spaß als früher: Ob im Outro von „Sleight Of Hand“, in „Blue And The Grey“ oder in der Single-Auskopplung „Dark Days“. Das rummst, auch dank der gewohnt heftigen Produktion des Albums. Während sich Lead-Gitarrist Jeff Ling deutlich weniger als früher in den Vordergrund soliert, ist Sänger Winston McCall wie immer in Bestform und der Grund, warum PARKWAY DRIVE besser sind als viele ihrer Kollegen.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Pascal Stieler

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