Review Parkway Drive – Reverence

„Das schreit nach Ausverkauf – wir wollen auch ein Stück – vom Kuchen aus Kommerz…“ Ja, ich habe gerade zur Einleitung dieses Textes über das neue PARKWAY-DRIVE-Album „Reverence“ ernsthaft die nach We Butter The Bread With Butter und Eskimo Callboy wohl am wenigsten ernstzunehmende Band der Welt, Callejon, zitiert. Das kann nichts Gutes bedeuten.

Es ist immer schmerzhaft, wenn Bands im Laufe ihrer Karriere all das über Bord schmeißen, was sie zu Beginn derselben großartig gemacht hat. Bei PARKWAY DRIVE ist das nicht anders, denn die Band aus Byron Bay in Australien hat ihren energiegeladenen Metalcore spätestens auf dem letzten Album „IRE“ zugunsten größtenteils zweitklassigen Stadionrocks zum Fenster hinausgeworfen. Der Nachfolger ist jedoch ein derartiger Schuss in den Ofen, dass man fürchten muss, die Bandmitglieder von PARKWAY DRIVE wären beim Surfen zu oft unter die Welle geraten. Klar, die Anzahl der Fans wird sich durch die Yippie-Yeah-Party-Hymnen auf „IRE“ sicher nicht verringert haben, und wer einmal vom leckeren Kommerz-Kuchen gekostet hat, möchte auch nicht so einfach wieder damit aufhören. Deshalb haben PARKWAY DRIVE auch damit aufgehört, ihre Hörer mit zündenden und rasanten Riffs zu überfordern, und diese stattdessen gegen gänzlich ineffizienten Midtempo-Käse eingetauscht.

Im vorab veröffentlichten Video zum Opener „Wishing Wells“ kann man neben Sänger Winston McCalls Nackenmuskulatur beispielsweise die überproduziertesten Gitarren aller Zeiten, irritierenden Sprechgesang und wirre Gitarrenhooks ohne Durchschlagskraft bestaunen. Mit „Prey“ gibt es eine 1A-Bierzelthymne zum Mithüpfen, in denen die Alibi-Shouts des Sängers natürlich stets durch einen Chorus überlagert werden. Und nein, wenn ein richtig mieser Song das Zeug zum Ohrwurm hat, heißt das nicht, dass er nicht richtig mies ist. Wenigstens in sich stringent, aber doch eher für das Dorffest als den Moshpit geeignet, ist „The Void“. Umso ironischer, dass die Catchphrase dieses Liedes „Welcome To A World Of Pain“ ist.

Just in dem Moment, in dem man nach zwölf Minuten „Reverence“ denkt, aus der Zauberkiste würden nicht noch mehr musikalische Flecken-Hagrids hervorrumpeln, springt in „Cemetery Bloom“ Robin Hood samt solidarischem Kirchenchor direkt aus Neuseeland ins Studio – wie auch in „I Hope You Rot“ – und befreit die Märtyrer des schlechten Geschmacks vor ihrer Unterdrückung durch den gesunden Menschen-/Musikerverstand. Anbiederung an Linkin Park gefällig? Bitte sehr („Shadow Boxing“). Songwriting, als hätte man eine Pulle Wodka geext und dann im Music Maker auf Shuffle gedrückt? Check („In Blood“).

„Reverence“ ist nicht nur langweilig, uninspiriert und grauenvoll anbiedernd. Es ist aktiv nervend, fürchterlich schmerzhaft mitanzuhören und an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Die jahrelange Geschichte von in Jauchegruben fallenden Menschen bei Takeshi’s Castle wirkt im Gegensatz zu dieser 45 Minuten langen Arschbombe ins Klärbecken filigran wie ein David-Garrett-Konzert. Wer sich einmal durchgequält hat, wird jeder Nachwuchsband der Welt sagen können: „Wenn du wissen willst, wie es nicht geht: Hier findest du genügend Beispiele.“

Die Frage, die dieses Machwerk am treffendsten beschreibt, hat ein Deutschrocker aus dem Ruhrpott schon vor 30 Jahren gestellt, und man meint, er hätte damals gewusst, was 2018 geschieht („Reverence“ erscheint). Die Frage lautet: „Was soll das?“

Wertung: 3 / 10

Publiziert am von Pascal Stieler

3 Kommentare zu “Parkway Drive – Reverence

  1. Also als „brutal“ hätte ich deren Musik jetzt nie bezeichnet, aber immer als hart, schnell, melodisch, abwechslungsreich (im Rahmen des Genres). Die ersten 4 Alben waren fast durchgehend gut, und sie waren vor allem auch in sich stimmig und hatten keine Durchhänger.

    Damit waren sie ziemlich erfolgreich, und hätten auch, wenn sie nicht unbedingt Wacken-Headliner werden wollen, nichts verändern müssen.

    Obwohl man bei „Atlas“ schon im Vergleich zu davor einen stilistischen Wandel bemerkt hat, war „IRE“ schon ein extremer Bruch bzw. Qualitäts-Abfall , da haben sie sich mehr oder weniger vom Metalcore verabschiedet. „Reverence“ legt da noch eine (zwei) Schippe(n) drauf, beziehungsweise da treiben sie es auf die Spitze.

  2. Ok, ganz soo schlimm find ich „Reverence“ jetzt auch nicht, aber was mir auf „Ire“ schon etwas gefällt hat, nämlich der gute, alte, brutale PWD Spirit der Alben „Deep Blue“ oder „Horizons“, fehlt mir auf „Reverence“ noch mehr bzw. ist überhaupt nicht mehr da.
    Sehr schade, aber wie du schon sagtest, wer einmal am Kommerzkuchen geknabbert hat, der wird sich kaum mehr davon losreißen können. Aber vielleicht bestätigen Ausnahmen ja die Regel. ;)

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