Review Sólstafir – Endless Twilight Of Codependent Love

Lange waren SÓLSTAFIR „Everybody’s Darling“: Seit ihrem Durchbruch mit „Köld“ (2009) wurden die Isländer von Black-Metallern wie Psychedelic-Rock-Fans gleichermaßen geliebt, nichts schien die Band in ihrem Höhenflug aufhalten zu können. Die wenig harmonische Trennung von Mitbegründer, Co-Songwriter und Schlagzeuger Guðmundur „Gummi“ Pálmason 2015 brachte die Band dann aber doch ins Stolpern. Zwar ließ „Berdreyminn“ (2017) nicht länger als gewohnt auf sich warten – doch es wirkte, als sei SÓLSTAFIR aus dem Gleichgewicht gekommen: Das düstere Element, für das mutmaßlich Gummi verantwortlich war, geriet auf Kosten des von Aðalbjörn Tryggvason forcierten ’80s-Rock ins Hintertreffen, das Album verkam (im Gegensatz zu denen auf Gummis neues Projekt Katla.) zu einer erschreckend fade Partie.

Dem nun im mittlerweile etablierten Dreijahresrhythmus erscheinenden siebten Album „Endless Twilight Of Codependent Love“ darf also durchaus einiges Gewicht beigemessen werden – wollen SÓLSTAFIR nur noch in seichten Gewässern planschen oder sich als wetterfeste Isländer wieder in Wind und Wogen wagen?

Die Antwort fällt überraschend klar aus: Wirkt das pastellfarbene Cover eher sanft und besonnen, klingt „Endless Twilight Of Codependent Love“ fast durchweg roh und trotzig: Die Songs sind im Großen und Ganzen wieder härter, der Gesang ist auf sympathische Weise wieder etwas schiefer als zuletzt und auch die Saiteninstrumente haben einen ziemlich spröden Sound abbekommen, der dem Album wieder mehr Charakter verleiht. Das sind zunächst einmal gute Nachrichten für alle Fans früherer SÓLSTAFIR-CDs. An die Qualität früherer Alben kommt „Endless Twilight Of Codependent Love“ trotzdem nicht heran.

So sind gleich die ersten beiden Songs „Akkeri“ und „Drýsill“ musikalisch leider eher altbewährter Durchschnitt als echte Highlights, nehmen mit knapp 20 Minuten dafür einen nicht unwesentlichen Anteil der 63 Minuten Gesamtspielzeit ein. Anders „Rökkur“ mit seinem lockeren Arrangement aus Geigen, Glockenspiel und Sprechgesang – das ist nicht gerade catchy, aber mutig und passt doch zu SÓLSTAFIR. Weniger passend ist der englischsprachige Gesang im folgenden „Her Fall From Grace„: Mag das Thema des langsamen Abschieds eines Demenzpatienten auch rührselig sein – Zeilen wie „little westcoast kid, born in ’85“ sind es irgendwie nicht. Der Song dazu: guter SÓLSTAFIR-Standard, auf echte Hits wartet man weiterhin. Doch Geduld …

Die betont emotionale Nummer konterkarieren Aðalbjörn und Konsorten in „Dionysus“ mit dem härtesten SÓLSTAFIR-Track seit langem: Zwar zeigt in dem Track der rohe Sound seine Schwächen – statt kratzig klingt es in den geschrammelten Passagen leider doch nur kaputt – immerhin zeigen die Isländer hier jedoch endlich mal wieder ihre rohe, energiegeladene Seite. Doch „Dionysus“ ist nicht nur ein ziemliches Brett, sondern eine Bretterwand, die das Album in zwei Hälften teilt. Als hätten sie diesen Ausbruch gebraucht, um den Kopf frei zu bekommen, gehen SÓLSTAFIR auf einmal in die Vollen: Da gibt es das ruhige, von Cleangitarren getragene „Til Moldar“ (gefühlvoll!) oder das vielseitige „Alda Syndanna“ (endlich – der Hit!) zu hören; aber auch die verdammt lässige Lounge-Rock-Nummer „Or“ (Geheimtipp!) oder das schmissige „Úlfur“ (sie können also doch noch Achtminüter schreiben, die zugleich melodiös und kraftvoll klingen!).

Mit früheren Meisterwerken von SÓLSTAFIR kann sich „Endless Twilight Of Codependent Love“ nicht messen – nach „Berdreyminn“ ist Album Nummer sieben jedoch mehr als ein Lichtblick: Hat man die erste, etwas belanglose Hälfte erst hinter sich gelassen, überraschen SÓLSTAFIR doch noch mit vielen guten Ideen. Und selbst die ersten vier Songs versprühen zumindest wieder den Vibe des Unperfekten, im besten Sinne „Hingeschluderten“, der SÓLSTAFIR irgendwie ausmacht. Immerhin!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von

2 Kommentare zu “Sólstafir – Endless Twilight Of Codependent Love

  1. Mich überzeugt das Album bisher noch nicht. Kann sein das es paar Durchläufe braucht. Aber aktuell ist es meilenweit von OTTA und Berdreyminn entfernt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert