Konzertbericht: Sólstafir (Special Show)

20.05.2016 Wörgl, VZKomma

solstafir-2016-tour__large

Schon wieder SÓLSTAFIR?“ mag sich der eine oder andere Fan gedacht haben, als die aktuelle Tour der Isländer angekündigt wurde. Schließlich bietet sich aufgrund der zusehends steigenden Popularität der Band mittlerweile vergleichsweise oft die Gelegenheit, diese live zu erleben: Erst im Oktober vergangenen Jahres war die Band mit Mono und The Ocean in unseren Breiten unterwegs. Wer sich als Fan jedoch deswegen gegen den Besuch eines der lediglich neun Konzerte dieser Special-Tour entscheidet, bringt sich damit um die ultimative SÓLSTAFIR-Erfahrung.

Auf dem Programm steht diesmal nämlich nicht nur ein Special-Set, sondern auch eine besondere Bandbesetzung: Vier StreicherInnen und ein Pianist begleiten die Isländer und sorgen erstmalig für eine adäquate Umsetzung der Songs – 100 Prozent live, ohne eine einzige Spuren vom Band. Wie gut das den Songs tut, wird bereits wenige Minuten, nachdem die Isländer – als erste und einzige Band des Abends – die Bühne betreten haben, klar.

Solstafir-13SÓLSTAFIR beginnen ihre Show mit Dagmal von ihrem aktuellen Meisterwerk Ótta. Das ist kein Zufall, denn dieses Album steht im Mittelpunkt dieses ersten Sets: Erstmalig bringt die Band dieses Album in voller Länge, wenn auch in leicht geänderter Songreihenfolge, auf die Bühne. Da Songs wie Lágnætti, Rismál oder Dagmál schon in einem normalen Set kaum enttäuschen können, haben SÓLSTAFIR dabei natürlich alle Trümpfe in der Hand – was im Folgenden passiert, ist dennoch nur schwer in Worte zu fassen: Beseelt durch Cello, Geigen und Piano, entwickeln die Stücke nocheinmal eine ganz andere, ungeahnt ergreifende Atmosphäre. Dieser scheinen sich auch SÓLSTAFIR selbst nicht entziehen zu können: Selten hat man die Band so hingebungsvoll, so in ihre Musik vertieft erlebt. Selbstverständlich, dass sich diese Stimmung auch in den Reaktionen des Publikums widerspiegelt: Fasziniertes Schweigen während der Songs, frenetischer Jubel in den Spielpausen lassen keinen Zeifel daran, dass SÓLSTAFIR mit dieser Darbietung direkt ins Herzen ihrer Fans treffen. Wo nicht Stille herrscht, wird Stille geschaffen: Als eine Zuschauerin trotz erbetener Ruhe für den nächsten Song nicht aufhört zu reden, lässt sich Aðalbjörn Tryggvason nicht nehmen, sie direkt mit einem „Are you done talking? auf die Unhöflichkeit anzusprechen. Schlussendlich – wenn auch erst nach der fast resignierenden Erkenntnis „She’s not done – mit Erfolg.Solstafir-12

Wer dachte, damit habe die Show nach gut einer Stunde ihren Höhepunkt bereits gehabt, wird nach viertelstündiger Pause eines Besseren belehrt: Auf die Pflicht folgt nun sozusagen die Kür – eine gelungen zusammengestellte Mischung aus Hits und Überraschungen für eine weiteren Stunde Spielzeit.

Solstafir-08Ob nun Djákninn (Svartir Sandar – Golar), She Destroys Again“ (Köld), oder das schlichtweg grandiose Fjara, das durch das Piano nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben wird – als Fan kann man sich von dieser Band nicht mehr erwarten. Und bekommt es doch: Mit Necrologue“ haben SÓLSTAFIR nicht nur einen Song im Programm, der seit seiner Entstehung 2007 noch nie im Live-Programm der Band zu finden war, sondern zeigen sich zugleich auch von einer emotionalen, verletzlichen Seite, die man den coolen Rockern aus Rejkjavik so gar nicht zugetraut hätte: Enstanden für einen Freund, der sich erhängt hatte, nimmt Aðalbjörn den Song zum Anlass, die weite, aber tabuisierte Verbreitung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft anzusprechen.

Wie ernst es ihm mit diesem Thema ist, wird klar, als eine Zuschauerin auf die Ansage, jeder Zweite im Publikum hätte statistisch betrachtet schon unter Depressionen gelitten, mit einem gejauchzten „Yay sichtlich verärgert antwortet: Solstafir-11Don’t say yay here. There is no reason to say yay. That was the most stupid yay I’ve ever heard ist die Antwort, mit der Aðalbjörn jedem, der den Ernst der Ansage erkannt hat, aus der Seele spricht. Dass die Necrologue-Darbietung im Folgenden für Gänsehaut sorgt, versteht sich von selbst.

Hätten SÓLSTAFIR zu diesem Zeitpunkt nicht schon alle Sympathien auf ihrer Seite, hätten sie diese spätenstens, als sie der letzten Rockstar-Masche, dem Applausheischen vor Zugaben, den Kampf ansagen und statt dessen ein gemütliches Miteinander nach dem finalen Goddess Of Desire am Merchandise-Stand anbieten.

    Set 1:

  1. Dagmál
  2. Ótta
  3. Lágnætti
  4. Rismál
  5. Miðdegi
  6. Nón
  7. Miðaftann
  8. Náttmál
  9. Set 2:

  10. Djákninn
  11. She Destroys Everything
  12. Necrologue
  13. Svartir Sandar
  14. Fjara
  15. Goddess Of Desire

Solstafir-28Wer Sounds aus der Dose immer schon frustrierend fand, kommt heute ganz auf seine Kosten: Ein Piano und vier Streicher sorgen dafür, dass die Stimmung der Songs erstmalig auch live zur vollen Entfaltung kommt. Dass sich SÓLSTAFIR für diese Tour mitunter Locations wie das Komma in der österreichischen Kleinstadt Wörgl ausgesucht haben, anstatt beispielsweise in München haltzumachen, ergibt in diesem Kontext durchaus Sinn: Die somit garantierte, familiäre Atmosphäre ist essenzieller Bestandteil dieses Konzeptes. Doch für dieses Erlebnis sollte dem Fan kein Weg zu weit sein: Zweimal SÓLSTAFIR, zwei Special-Sets, jedes für sich einmalig, und zwei Stunden Spielzeit, die wie im Flug vergehen – mehr SÓLSTAFIR an einem Abend geht defnitiv nicht. Und auch sonst ist schwer vorstellbar, dass man dieser Ausnahmeband emotional näher kommt als auf dieser Tour.Solstafir-01

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert