Review Tenhi – Saivo

Ich müsste schon lügen, wenn ich behauptete, dass das neue Werk der finnischen Schamanenrocker TENHI „Saivo“ nicht eines der am längsten erwarteten Alben der vergangenen Jahre gewesen wäre. Das letzte reguläre Lebenszeichen „Maaäet“ liegt bereits über fünf Jahre zurück, so lange war es nie still um die mysterienumwitterten Nordmänner. Wer sich aber ein wenig mit dem Background der Band auskennt, weiß, dass diese besondere Art von Musik eben auch besondere Herausforderungen bereithält.

Nach einigen kleineren Verzögerungen vor dem Release hat es jetzt dann aber doch noch geklappt. „Saivo“ – so viel zum mythischen Hintergrund – ist in der samischen Kultur ein Totenreich, in dem die Verstorbenen ihr ganz alltägliches Leben im Kreise ihrer Familie und Freunde glücklich und zufrieden fortsetzen. Hier mag der geneigte Hörer schon einmal stutzen. Klingt doch irgendwie positiv und gar nicht so passend zu dem düsteren Sound der Skandinavier. Nun, soviel kann ich vorweg nehmen, um den Sound auf „Saivo“ muss sich niemand sorgen. Schon beim ersten Durchlauf wird klar: alles, was TENHI seit 15 Jahren ausmacht, findet man auch auf der neuen CD. Akustische (klar) Klangwelten breiten sich aus, sie umwallen den Hörer und versetzen ihn in wohlige Stimmung. Und auch hier lohnt es sich, in die Tiefe zu gehen. Die eine oder andere Überraschung hält man für uns bereit, so erinnert das kurze „Savoie“ irgendwie an Bob Dylan, „Sees“ kommt dafür mit einem gregorianischen Chor daher. Andererseits kann man sich darauf verlassen, sehr schamanische Songs geboten zu bekommen. Ich würde sogar so weit gehen, dass TENHI noch nie so traditionell klangen wie heute. Die gesamte Platte ist ausgesprochen ruhig, aber nicht relaxt im herkömmlichen Sinne, denn immer wieder werden Spannungen aufgebaut, die sich genussvoll entladen. Schwelgerisch, träumend klingen die Streicher in „Pojan Kiiski“, meditierend entfalten sich die epischen Songs „Uloin“, „Haaksi“ und „Siniset Runot“, die sich alle zwischen acht und zehn Minuten bewegen. „Haaksi“ bildet dabei einen interessanten Kontrapunkt zum Rest, regelrecht flott und beschwingt lädt es schon fast zum Tanzen durch die Unterwelt ein. „Siniset Runot“ ist ein in allen Belangen würdiger Abschluss der Platte, hier wird noch einmal alles aufgefahren, was die einsamen Herzen der weiten finnischen Wälder hergeben. Ein unglaubliche Intensität wird nicht durch das plumpe Wiederholen banaler Riffs wie im räudigen Black Metal erzeugt, sondern in einer minimalen Inszinierung aus stürmischem Klavier, verzweifelter Gitarre, eindringlichem Schlagzeug und einem einzigartigen Gesang, der möglicherweise auch durch das immer noch exotisch klingende Finnisch eine ganz besondere Stimmung entfacht.

Sicherlich muss man ein geweisses Faible für diese besondere Art von Musik haben. Nicht umsonst gelten TENHI als eine DER Alternativen zum harten Metalsound und werden in schöner Regelmäßigkeit von den Freunden der brachialen Klänge gewählt. Dabei polarisieren die Finnen natürlich. Während der eine Alben wie „Kauan“ oder „Väre“ lediglich als Schlaftablettenersatz betrachtet, kommen andere angesichts von kleinen Hits wie „Suortuva“, „Vastakaiun“ oder „Hallavedet“ aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Die Zeit wird zeigen, ob sich auch „Saivo“ in diese legendäre Aufstellung wird einreihen können, denn wer sich einmal mit TENHI beschäftigt hat, weiß, dass sich ein endgültiges Fazit erst nach Monaten, wenn nicht sogar Jahren erlaubt. Für den endlich angebrochenen Herbst ist „Saivo“ aber allemal genau die richtige Scheibe. Einlegen, Licht runterfahren und eine Reise durch die Träume antreten!!

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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