Tenhi - Valkama Cover

Review Tenhi – Valkama

Seit TENHI im Jahr 2011 ihr andächtiges fünftes Album „Saivo“ veröffentlicht haben, ist auf der Welt viel Scheußliches passiert. Dass die finnische Dark-Folk-Gruppe ihre zwölf Jahre später endlich nachgelegte Platte auf den Titel „Valkama“ – zu Deutsch: „Hafen“ oder „Zuflucht“ – getauft hat, kommt da nicht von ungefähr. Ursprünglich geplant als düstere, musikalisch erzählte Märchengeschichte über ein überfallenes Dorf und die Überfahrt auf Verisurma (eine Insel der Kriegstoten aus der finnischen Folklore) sah die Band sich angesichts des zunehmend unfriedlichen Weltgeschehen der letzten Jahre dazu veranlasst, ihren Kurs zu wechseln.

Während dem schaurig-schönen Artwork eindeutig das ursprüngliche Konzept der Platte zugrunde liegt, vermeint man der Musik tatsächlich anzuhören, dass TENHI damit in diesen ohnehin schon finsteren Zeiten nicht noch mehr Trübsal in die Welt bringen, sondern den Zuhörenden ein wenig Trost spenden wollten. So strahlen die erdigen Akustikgitarren und die tiefen, brummenden Gesänge, die die Songs durchziehen, eine besänftigende Ruhe aus („Kesävihanta“), obgleich das Album wieder ein wenig lebhafter als „Saivo“ klingt.

Und doch zieht es TENHI in den teils bescheiden, teils fast schon opulent instrumentierten Stücken immer wieder hörbar in Richtung Jenseits. Der Nachhall der ursprünglichen Idee hinter „Valkama“ klingt vor allem in den so melancholischen wie erhabenen Streichern und Chören, dem geheimnisvollen Piano- und Flötenspiel sowie der hin und wieder ominös anschwellenden Orgel durch („Hele“). Auch in diesen Passagen kommt gefühlt jedoch keine Todesangst oder Verzweiflung ob eines herannahenden Unheils, sondern vielmehr eine Akzeptanz des Unvermeidlichen und mitunter sogar eine Faszination für das Mysterium des Wechselspiels von Leben und Tod zum Ausdruck – insbesondere im wundersamen Titeltrack.

Anstatt rastlos zu toben, wie sie es etwa auf dem Banddebüt „Kauan“ (1999) mitunter zu tun pflegten, erinnern die gelegentlichen Perkussionen auf „Valkama“ an eine würdevolle Prozession. Neben der bodenständigen Rhythmussektion sorgen auch die stets greifbare Produktion sowie die leicht hölzerne und dadurch angenehm nahbare Performance der Band dafür, dass das Album immer auch mit einem Bein in der physischen Welt stehen bleibt.

Die immer wieder aufs Neue aufgerissenen Wunden der Welt werden sich natürlich nicht durch ein bloßes Musikalbum heilen lassen. Wenn es jedoch eine Platte gäbe, die dieser unmöglichen Aufgabe gewachsen wäre, dann wäre es „Valkama“. Mit ihren gleichsam Staunen machenden und befriedenden Liedern nehmen TENHI sich auf unvergleichlich behutsame Weise der Leiden der Lebenden und der Furcht jener, denen ihre letzte Reise bevorsteht, an. Auch ohne das Wissen um den bedeutungsvollen Hintergrund des Albums ist „Valkama“ schlichtweg wundervoll anzuhören. Schöner hätten TENHI lang ersehntes Comeback kaum gestalten können.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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