Review Völur – Death Cult

(Doom Metal / Folk) Trotz (oder gerade wegen) der sperrigen Natur ihrer ersten beiden Alben sind VÖLUR eine der derzeit spannendsten Bands im Roster von Prophecy Productions. Das auffälligste Alleinstellungsmerkmal der dreiköpfigen Band, die auf experimentelle Weise Doom Metal und Folk mischt, ist sicherlich die E-Geige, die in ihrer Musik den bei anderen Metal-Gruppen der Gitarre vorbehaltenen Platz einnimmt. Ebenso faszinierend sind die Aspekte der nordischen Mythologie, mit denen VÖLUR sich in ihren Songs weitaus eingehender auseinandersetzen als seichte Unterhaltung bietende Wikinger-Truppen wie Amon Amarth. Auch auf ihrem dritten Album „Death Cult“ greifen die Kanadier einen gewiss nicht jedem historisch Interessierten geläufigen Teil des germanischen Götterglaubens auf – und legen damit wider Erwarten zugleich erstmals eine Platte vor, die deutliche Bezüge zum aktuellen Zeitgeist aufweist.

Grundsätzlich thematisieren VÖLUR auf „Death Cult“ die Menschenopfer, die die Germanen laut dem römischen Dichter Tacitus der Erd- und Muttergöttin Nerthus erbracht haben, um diese gütig zu stimmen. Die Parallelen, die Songtexter Lucas Gadke zu den fruchtlosen und manchmal sogar todbringenden Antworten der heutigen Gesellschaft auf Probleme wie die Klimakrise oder die Coronapandemie zieht, drängen sich hier förmlich von selbst auf. Dass VÖLUR sich nicht mehr ausschließlich in eskapistischer Ahnenforschung ergehen, schlägt sich auch im leicht modernisierten und unkonventionelleren Songwriting nieder.

Ein Hauch Urtümlichkeit schwingt in den vier Stücken, die hauptsächlich auf Gadkes mächtigem gutturalem Gesang und Bass, Laura Bates‘ vielseitigem Saitenspiel und Justin Ruppels bodenständigem Drumming aufbauen, zwar nach wie vor mit, einige neu emporgekommene Einflüsse lassen „Death Cult“ jedoch zeitgemäßer als „Disir“ (2016) und „Ancestors“ (2017) erscheinen. So bäumt sich etwa das doomig schleppende „Inviolate Grove“ gegen Ende zu einem wilden Tanz mit proggig vertrackten Rhythmen auf, wohingegen „Reverend Queen“ mit seinen gewaltigen, interessanterweise jedoch recht zurückhaltend abgemischten Blast-Beats stellenweise in Richtung Black Metal schielt.

Die Tendenz zum Black Metal manifestiert sich auch in Bates‘ Gesang, der neuerdings nicht mehr bloß hypnotische Clean-Vocals, sondern auch wahnhaft gekreischte Screams umfasst, mit denen sie etwa das ansonsten urig-romantische „Dead Moon“ wie mit einem Dolch durchbohrt. Der herausragendste der vier Tracks ist jedoch eindeutig der Elfminüter „Freyjan Death Cult“: Auf ein geradezu schmerzhaft brutal abgehacktes Streicher-Intro lassen VÖLUR eine herrlich lässige, verspielte Blues-Passage folgen, ehe der Track zunehmend chaotischer und lärmender wird und schließlich in einen unheilvoll aufbrausenden Tremolo-Part mündet.

Sich auf die eigentümliche, mitunter kakophonisch misstönende Musik, die VÖLUR auf „Death Cult“ spielen, einzulassen, ist wie schon bei den beiden Vorgängerplatten eine Herausforderung. Indem die Band ihre stilistische Bandbreite erweitert und die Gesamtlaufzeit des Albums auf 38 Minuten getrimmt hat, ist dem Trio jedoch seine bislang prägnanteste und aufregendste Veröffentlichung gelungen. Und wie viele Bands können schon von sich behaupten, jemals einen Konnex zwischen germanischer Mythologie und Kapitalismuskritik hergestellt zu haben? Wer bisher noch keinen Zugang zur durchaus nicht leicht zu verarbeitenden Musik der Ausnahmegruppe gefunden hat, sollte VÖLUR demnach unbedingt noch eine Chance geben.

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Wertung: 8 / 10

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