Review Dark Fortress – Ylem

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2010
  • Spielart: Black Metal

Fanden ihre ersten beiden Alben noch relativ wenig Beachtung, spielten sich DARK FORTRESS mit ihren beiden darauf folgenden Meisterwerken „Stabwounds“ und „Séance“ quasi aus dem Stand an die Spitze des deutschen Black Metal. Dem entsprechend groß war das Entsetzen, als Sänger Azathoth während der Aufnahmen zum ehemals „Scum“ betitelten Nachfolger, der dann mit neuem Sänger als „Eidolon“ erschien, das Handtuch schmiss.

Eben jenes Album war anders, natürlich wegen der neuen Stimme, mehr aber noch musikalisch: War „Séance“ finster, bedrohlich und majestätisch, wirkte „Eidolon“ leichtfüßiger: Eingängige Hits wie „Baphomet“, darauf ausgelegt, live die Köpfe zum Kreisen zu bringen, ersetzten die bedrückende Stimmung eines „While Thy Sleep“, die Musikerfraktion spielte dabei auf gewohnt höchstem Niveau und Azathoth-Nachfolger Morean sang gleichermaßen fehler- wie charakterlos. Insgesamt sicher nicht unumstritten, aber dennoch ein starkes Album, das Lust auf mehr macht. Nun steht mit „Ylem“ der Nachfolger ins Haus – und die Spannung ist groß: Wie präsentieren sich DARK FORTRESS diesmal? Für welchen Weg hat man sich entschieden?

Viele Durchläufe und noch mehr Stunden – das Werk ist nämlich geschlagene 70 Minuten lang – später, habe ich immer noch keine befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden, ist „Ylem“ doch irgendwie ein Schritt nach vorne und nach hinten zugleich – dem daraus logischerweise resultierende Stolpern inklusive.
Nach dem frickeligen Gitarreneinstieg mit dem Titeltrack zeigen sich DARK FORTRESS zunächst in gewohnter Manier: Technisch anspruchsvoll, Uptempo mit groovenden Einsprengseln und einem fast schon an „Séance“-Zeiten erinnernden, bedrohlich ruhigen Part – der Song hat alles, was ein guter Einstieg benötigt. Erleichterung macht sich breit. Zu recht, denn ein Moment der Enttäuschung bleibt über die gesamte Spielzeit aus: Treibende Riffs, ein Schlagzeug für Genießer und sogar Moreans Gesang hat an Ausdrucksstärke und Vielseitigkeit dazugewonnen – auch wenn das hasserfüllte Röcheln Azathoths bei aller technischen Perfektion, mit der Morean sich seiner Stimmbänder bedient, authentischer klang.

Trotzem will der Funke nicht so recht überspringen – denn Momente der Überraschung oder Verzückung gibt es auf „Ylem“ nur wenige – genauer gesagt exakt drei:
Eine erste Überraschung bietet das fast schon zu Shining-eske „As The World Keels Over“, das genau so auch auf „VI Klagopsalmer“ stehen könnte: Melodien im Midtempo und Morean packt das Chamäleon aus. Irgendwie gelungen, wirkt der Track dennoch an zweiter Stelle etwas deplatziert, ist er doch alles andere als repräsentativ. Überzeugender fällt die zweite Überraschung aus: „Evenfall“. Wäre dieser Song repräsentativ für das gesamte Album, hätte ich wohl so manchen Punkt mehr gezückt: DARK FORTRESS sind sie selbst, jedoch mit frischem Wind in den Segeln. Aufgepeppt durch einen mehr als gelungenen, rauh aber melodisch dargebotenen Gesangspart im Mittelteil wirkt der Song vielseitig, spannend und durch das groovend-schleppende Riff kraftvoll und mitreißend: eine wahre Live-Hymne. Die dritte Überraschung lässt dann erstmal auf sich warten. Denn zunächst wird fünf Lieder lang mehr oder minder auf der Stelle getreten. Wären diese Stücke auf „Séance“ oder wohl sogar „Eidolon“ lediglich Lückenfüller gewesen, wird hier so eine geschlagene halbe Stunde gefüllt. Schlecht ist anders, das ist klar, packend oder gar mitreißend aber auch. Die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hörers vermag erst das finale „Wraith“ wieder auf sich lenken, ein Bruder im Geiste von Secrets Of The Moons „Shepherd“. So präsentiert sich die letzte und wohl größte Überraschung in Form eines fast schon übertrieben epischen Ambient-Psychedelic-Rock-Songs mit haarscharf am Kitsch vorbeischrammenden Klargesangslinien. Handwerklich selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben, bleibt die Funktion dieses Stückes im Album-Kontext etwas unklar – passt der Song (im Gegensatz zu „Shepherd“) nicht einmal so richtig zur Stimmung des Albums. Aber es scheint ja gerade  in Mode zu sein, dass Black Metal-Bands im letzten Track beweisen, dass sie auch anders können …

Nach über 70 Minuten ist klar, dass „Ylem“ vor allem eines ist: zu lang. Denn an guten Ideen mangelt es dem Album eigentlich nicht – allein der bloße Umfang des Albums mit seinen elf teils überlangen Songs erdrückt diese im Keim. Statt dessen wirkt „Ylem“ phasenweise zu gewollt oder eben auch einfach zu monoton. Dass die Höhepunkte des Albums ausgerechnet jene Songs sind, in denen DARK FORTRESS einmal etwas ganz anderes ausprobieren und den ansonsten streng eingehaltenen Pfad verlassen, ist bezeichnend. Vielleicht entdeckt man auch in den anderen Songs auf lange Sicht noch weitere Highlights … einfacher hätten DARK FORTRESS es ihren Fans aber allemal gemacht, hätten sie das Album auf 50 Minuten heruntergekürzt und somit ein kompakteres Werk abgeliefert – gerne auch mit Fokus auf die progressiveren, ungewohnten Aspekte, die so leider etwas deplatziert und verloren wirken.

Wertung: 5.5 / 10

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