Interview mit Anders Nyström von Katatonia

Mit „Night Is the New Day“ setzten KATATONIA Ende letzten Jahres Maßstäbe. Auf der Tour zur aktuellen Scheibe griffen wir Hauptsongwriter, Gitarrist und Backgroundsänger Anders Nyström ab, der zu den Vorbands auf Tour, dem Entstehungsprozess des Albums sowie der Bedeutung von Ex-Mitgliedern für die Band Auskunft gab.

Hy Anders, danke fürs Interview, fühle dich begrüßt. Wie geht es dir?
Oh, mir geht es sehr gut, ich bin ziemlich müde, aber gut drauf. Ich bin sehr glücklich mit der Tour. Die Show heute sollte ja eigentlich die letzte auf der Tour sein, aber wir haben sie durch einige Shows erweitert, zu welchen wir fliegen werden. Da werden einige fremde Orte dabei sein, wie Bulgarien oder Israel. Nein, aber es war wirklich eine tolle Tour bisher. War auch sehr erfolgreich, wir hatten eine Menge ausverkaufter Gigs und eine tolle Zeit mit unseren Freunden Swallow The Sun, die bei der heutigen Show leider nicht dabei sind. Aber Long Distance Calling sind immer noch dabei.

Wie kam die Tourpackage zustande, gerade Long Distance Calling wirkt als komplett instrumentale Band mit Überlänge-Songs ja erstmal nicht unbedingt prädestiniert für diesen Slot.
Wir mögen sie. Ich weiß nicht, ich finde, ihre Musik ist… Katatonia ohne Gesang. Das sind auch sehr gute Musiker und Jonas hat Gastgesang für sie aufgenommen. Sie haben sich auch sehr dafür eingesetzt, in diese Tour einzusteigen, und es fühlte sich dann ganz natürlich an. Ich glaube, die Fanscharen überschneiden sich bei allen Bands auch ein wenig. Ok, Swallow The Sun sind eher Doom Death, aber das waren wir immerhin in der Vergangenheit ja auch.

War die Package also eher eure Entscheidung als die des Labels?
Beides. Also ich mache schon immer deutlich, was mir an Musik gefällt, aber natürlich liegt die Entscheidung im Endeffekt beim Management, die sich halt auch um die Verträge und das Geld kümmern. Aber irgendwo ist jeder ein wenig beteiligt.

Hast du einen Überblick, wie gut die anderen Bands angenommen wurden?
Sehr, sehr gut. Gerade Long Distance Calling haben sich auf dieser Tour sehr reingehängt, und wie ich gesagt habe, die meisten Gigs der Tour waren ausverkauft, und die, die es nicht waren, sind nur knapp daran vorbei. Unser Publikum liebt Long Distance Calling, das kann ich wirklich sagen. Für Swallow The Sun gilt dasselbe, deren Shows habe ich mir jeden Tag angeschaut. Gut für sie, gut für uns.

Da „Night Is The New Day“ ja doch schon einige Zeit erschienen ist, kann man vielleicht „The Longest Year“ als Aufhänger für das Interview nehmen. Könntest du vielleicht einige Worte zur Single, EP, oder wie man es nennen will, sagen?
Joa. Also wir haben nicht wirklich geplant, diese EP herauszubringen, es ging eher darum, für die Tour etwas neues zu haben, was aber immer noch das Album promoted. Das Label wollte, dass wir noch ein Video machen, okay, haben wir gemacht, hatten selbst nicht so viel damit zu tun, aber ich finde, es ist ganz cool geworden, ich mag Gimmicks wie Videos sowieso ganz gerne. Außerdem ist die EP limitiert, was ich auch gut finde, wird für die Fans in Zukunft eine Rarität sein. Jonas hatte auch noch einen Song namens „Sold Heart“ übrig, den wir auch draufgemacht haben. Ja, mehr gibt’s eigentlich nicht zu sagen. Wir hatten das Ding auf Tour dabei, und jetzt ist es ausverkauft.

Nun gibt es auf der EP ja diesen Remix von „Day And Then The Shade“. Wie stehst du zum Remix an sich, ich habe immer den Horror von verschandelnden Techno Beats in den Ohren, wenn ich das Wort höre.
Also, wenn es bei uns Remixes gibt, wollen wir damit normalerweise nicht viel zu tun haben. Was würde das für einen Sinn machen, wir haben den Song ja schonmal aufgenommen, wie wir ihn haben wollten. Die Leute haben also komplette Freiheit in dem, was sie tun. Und naja, dieser Kerl mag unser Zeug halt und wir haben ihm die Erlaubnis gegeben, das zu machen. Aber ich stimme dir schon zu, im Allgemeinen mag ich es auch nicht, wenn ein Song nur mit Techno unterlegt wird. Dennoch, wenn ein Remix einem Song noch gerecht wird, kann ich gut damit leben. Ist immer eine Gratwanderung.

Nachdem „Night Is The New Day“ nun schon länger draußen ist, kannst du uns über die Reaktionen der Presse und der Fans informieren?
Beides sehr gut. Ich habe ehrlich gesagt noch kein schlechtes Review zur Scheibe gelesen. Ich habe negative Kommentare von Fans gesehen, aber hey, du kannst es halt nicht jedem Fan auf der Welt recht machen. Aber schlechte Reviews habe ich nicht gelesen.

Gab es Unterscheide abhängig davon, woher die Reviews kamen?
Hmmm.. Nein, im Endeffekt nicht. Sie waren in einigen Ländern vielleicht noch besser als in anderen, besser als gut (lacht). Aber sonst nicht wirklich. Deutschland war insgesamt recht gut. Wir spielen ja auch acht Gigs hier, das zeigt irgendwie auch, dass sich hier etwas tut.

Kommen wir doch mal Entstehungsprozess des neuen Albums, kannst du etwas dazu sagen, wann die ersten neuen Songs geschrieben wurden, usw.?
Es war diesmal ein sehr langwieriger Prozess, seit dem letzten Release sind jetzt drei Jahre vergangen, für uns eine sehr lange Zeit. Für mich war diese Zeit besonders schwer, ich fühlte mich ausgelaugt und hatte Schwierigkeiten, mich noch für die Sachen zu motivieren. Dementsprechend hat Jonas für das Album auch mehr geschrieben als jemals zuvor, was gut ist. Sehr gut. Es zeigt den Leuten, dass ich nicht der einzige bin, der was schreibt, sondern dass es mehr Leute in der Band gibt, die etwas beitragen und kreativ sind. Es war diesmal auch härter, weil das letzte Album schon sehr gut war, und wir wollten es übertreffen. Das ist eines meiner Prinzipien, wenn du mit dem neuen Album das letzte nicht übertreffen kannst, solltest du es gar nicht erst aufnehmen.

Was, würdest du sagen, hat sich im Detail verändert, wenn du das neue Album mit „The Great Cold Distance“ vergleichst?
Ich denke, wir sind nicht sehr weit davon abgewichen, weil wir immer noch dabei sind, in dieser Art von Musik nach neuen Klangräumen zu forschen. Wir haben im Wesentlichen versucht, bessere Songs der selben Richtung zu machen. Vielleicht ist dieses Album etwas atmosphärischer als „The Great Cold Distance“. Vielleicht auch etwas rifforientierter und härter. Für mich persönlich ist die Atmosphäre auf dem Album wirklich überwältigend, und sie schlägt wirklich ein.

Ihr habt euren Stil im Laufe der Zeit ja doch relativ grundlegend geändert. Wie haben die Fans damals darauf reagiert und glaubst du, dass sich alte Fans mit dem aktuellen Material wieder arrangieren können?
Jo, das denke ich. Ich erinnere mich noch, als wir unseren Stil damals umgekrempelt haben und von Doom Death Metal auf klaren Gesang umgestiegen sind, das war 97 mit „Discouraged Ones“. Das war eine verdammt schwierige Zeit mit unseren Fans. Sie waren nicht bereit dafür uns sie haben uns das auch gezeigt. Aber viele sind mit uns gewachsen und ich glaube, sie kommen mit dem, was wir heute machen, sehr gut zurecht und sie respektieren es.

Hast du den Stilwechsel damals dann bereut?
Nein, bereut habe ich es nie. Denn wenn wir unseren Stil nicht geändert hätten, würde es uns wahrscheinlich nicht mehr geben.

Haben sich im Laufe der Zeit aus den alten Sachen Songs herauskristallisiert, die du favorisierst?
Nun, ich bin eigentlich nicht so jemand, der seine eigene Musik anhört. Aber ich bin im Prinzip auf alle wirklich stolz. Wir haben neulich erst wieder darüber geredet, „Without God“ vom ersten Album ins Programm zu nehmen. Ich fände es überhaupt cool, wieder Zeug von den alten Alben zu spielen, weil da einfach auch sehr gute Songs dabei sind, gerade vom „Brave Murder Day“ Album. Ich persönlich würde diese Songs alle gern spielen.

Habt ihr nicht am Summer Breeze auch was altes gespielt?
Ja, also wir haben eine Zeit lang „Murder“ gespielt. Aber ich würde gerne noch mehr von dem Zeug spielen. Das ist alles von Jonas abhängig, es kommt drauf an, ob er das Growlen machen kann.

Wie stellt ihr eine Setlist dann zusammen, schaut ihr nur drauf, was euch Spaß macht zu spielen oder schaut ihr euch, wieviele Songs von wievielen Alben kommen?
Wir versuchen beides. Wir schauen schon, dass jedes Album mit einem Song vertreten ist. Es kann natürlich passieren, dass ein älteres Album rausfällt, weil vom neuen Album so viele Sachen ins Set drängen. Trotzdem schauen wir, dass jedes Album repräsentiert wird und wir achten auch darauf, was wir in der Vergangenheit gespielt haben, da fällt dann vielleicht mal etwas raus, was dann durch einen Song ersetzt wird, den wir bisher selten oder nie live gespielt haben. Wir stimmen in der Band dann auch ab, welche Songs wir mögen. Es sind also durchaus einige Faktoren, was das ganze nicht gerade einfach macht.

Wie wichtig ist euch der Kontakt zu euren Fans, könnte man euch nach der Show auf ein Bier vor der Halle treffen?
Absolut, uns ist es sehr wichtig, das zu machen. Ich tendiere dazu, es schwarze Feier zu nennen, weil ich glaube, dass es das ist, was Katatonia ausmacht. Wir sind eine melancholische Band, aber wir finden es wichtig, rauszugehen und eine gute Zeit mit unseren Fans zu verbringen. Das ist die Essenz. Deshalb treffen wir eine Menge Fans und hängen herum und reden, denn darum geht es für uns. Wir wollen die Leute treffen, die unsere Alben gekauft haben.

Letztes Jahr habt ihr ja wiedermal am Summer Breeze gespielt. Ist für euch etwas besonderes daran? Man kann ja wirklich sagen, WENN Katatonia auf einem deutschen Festival spielen, ist es das Summer Breeze.
Wir lieben das Summer Breeze, weil wir immer den Mitternachtsslot bekommen. Es wird schon etwas kalt, und der Himmel ist pechschwarz, dieser Slot ist perfekt für uns. Außerdem finde ich, dass es ein sehr gutes Festival ist, vermutlich eines besten. Wir werden dieses Jahr zwar nicht da spielen, aber wahrscheinlich sind wir nächstes Jahr wieder da, da freuen wir uns schon drauf.

Kommt heute übrigens was von „Tonight’s Decision“?
Ja, wir spielen „For My Demons“, wie immer. Ich persönlich bin langsam aber sicher sehr gelangweilt davon, aber wenn wir ihn nicht spielen, schreien die Fans danach. Sonst spielen wir glaube ich nichts.

Warum ist es so schwierig, an euer Merchandise zu kommen?
Weil wir nie einen Vertrag mit einer Firma gemacht haben, die das für uns verkaufen und dann auch so vertreiben würde, dass die Shirts in jedem Laden im Land landen. Die Angebote waren meistens unterirdisch, die Leute versuchen nur, dich abzuzocken. Also haben wir versucht, das selbst zu machen, bis wir etwas finden, was uns zufriedenstellt. Jetzt haben wir auch einen Vertrag mit einer britischen Firma namens Omerch gemacht, das ist Merch-Firma von Opeth. Die bringen jetzt unser Zeug heraus, und das wird es dann jetzt in jedem größeren Metalshop zu kaufen geben, und wenn du es da nicht findest, kannst du es zumindest im Internet bestellen. Es gibt jetzt also durchaus eine gute Auswahl an Katatonia-Merchandise. Dennoch ist der beste Weg, an unser Merch zu kommen weiterhin, ihn am Stand auf unserer Tour zu kaufen, weil es meistens Sachen gibt, die nur da angeboten werden.

Fredrik und Mattias haben die Band letztes Jahr aus persönlichen Gründen verlassen. Wird das songwritingtechnisch Einflüsse auf euren Stil haben?
Ne, eigentlich nicht, weil sie die letzten Jahre über nichts beigetragen haben. Wir sind im Moment so glücklich mit den neuen Leuten, dass… Nun, es würde vielleicht hart klingen zu sagen, dass wir sie nicht vermissen, aber die Sache ist ja, dass wir immer noch Freunde sind, deshalb betrachten wir das gar nicht so. Sie haben sich entschieden, die Band zu verlassen, also müssen sie es auch bereuen. Katatonia macht mit oder ohne sie weiter. Ich glaube ehrlich gesagt, sie bereuen es bereits jetzt.

Wie sieht es denn dann mit den neuen Mitgliedern aus. Ursprünglich waren sie ja nur als Live-Mitglieder dabei, werden sie fest einsteigen, oder bleibt ihr als Band in der reduzierten Form bestehen, in der ihr euch jetzt befindet?
Frage mich dasselbe in einem Jahr nochmal. Wie mit jeder zwischenmenschlichen Beziehung ist es halt so, dass man erst zusammenwachsen und dann sehen muss, wie alles funktioniert.

Mattias und Fredrik sind ja aus familiären Gründen gegangen. Du machst das hier ja auch schon seit 19 Jahren. Wenn du zurückschaust, denkst du, du wirst noch lange so weitermachen wie jetzt?
Im Moment schaut es aus, als könnten wir bis in alle Ewigkeiten machen will, weil wir mit der Band gerade einen neuen Höhepunkt erreich haben, so gut wie jetzt war es noch nie. Die Leute dachten vielleicht, der Verlust der Mitglieder würde uns zurückwerfen, aber das Gegenteil ist der Fall, wir sind viele Schritte vorangekommen, diese Tour war ein riesiger Erfolg, es herrscht gute Stimmung in der Band, das Album verkauft sich gut in Zeiten wo sich Alben nicht gut verkaufen, wir verkaufen viel Merch und wir haben eine Menge Pläne bezüglich Touren für die nächsten Jahre. Wenn es so weiter geht würde ich behaupten, wir können das locker noch 10 Jahre machen.

Also keine Ermüdigungserscheinungen?
Nein, also das muss man im Gesamtbild sehen, und das ist in Ordung. Sich über seine Zufriedenheit oder seine Motivation zu beschweren, ist nur die eine Seite. Wenn der Rest passt, kommst du darüber hinweg, findest neue Motivation, und das Leben geht weiter.

Gut, dann hätten wir es, danke dir!

Publiziert am von Marius Mutz und

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