Interview mit Núll

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NÚLL, NVLL, Ø, 0? Wenn es schon damit anfängt, dass man nicht einmal weiß, wie sich eine Band eigentlich schreibt, gibt es offensichtlich Gesprächsbedarf. Ein Mitglied der isländischen Black Metaller steht uns anonym Rede und Antwort – und das immerhin nur bei zwei Antworten im Binärcode.

Danke, dass du dir für dieses Interview Zeit genommen hast! Wie geht es dir?
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[Übersetzt: Keine Antworten. Nur Fragen. – A. d. Red.]

Deine Band heißt 0 oder NÚLL – welche Schreibweise bevorzugst du?
In der Vergangenheit haben wir verschiedene Pseudonyme verwendet, darunter unter anderem 0, Ø, Núll, Null und Nvll. Alle Schreibweisen sind gleichermaßen falsch. 0 bedeutet nichts und deshalb kann es keine definitive Antwort geben. Nichts davon ist einem anderen Namen vorzuziehen. Die Idee von 0 war immer, Themen der Sinnlosigkeit und des Nichts zu erforschen. Nicht-Existenz. Der Name ist auch ein subtiler Verweis auf das Ain. Da alles aus dem Nichts kam, soll alles ins Nichts zurückkehren.

Der Bandname macht es nicht leicht, die Band zu googeln oder Informationen dazu zu finden – siehst du darin nicht ein Problem, wenn es darum geht, die Band bekannter zu machen?
Würden wir es darauf anlegen, dass unsere Band weithin bekannt wird, wären wir wahrscheinlich nicht unter einem unaussprechlichen Namen in einem obskuren Subgenre des Doom Metal unterwegs, oder? Unsere Motive sind nicht, Ruhm im Untergrund des Metal zu erlangen. Wir sind einfach dazu berufen, unsere Ideen zum Ausdruck zu bringen, solange wir glauben, dass der Kontext für sie angemessen ist. Ob sich Menschen dazu hingezogen fühlen oder nicht, ist für uns weitgehend irrelevant. Wir würden auch ganz ohne Zuhörer immer noch Musik machen, wenn das denn der Fall wäre.

Einige von euch, wie D.G., Ö.S. und TMS, sind noch in mehreren anderen Bands aktiv – Naðra, Carpe Noctem, Örmagna, Vonlaus oder den zuletzt sehr erfolgreichen Misþyrming. Was war für euch der Anreiz, mit 0 eine weitere Band zu gründen?
Núll ist eigentlich älter als alle anderen Bands, die du aufgelistet hast, vielleicht mit Ausnahme von Carpe Noctem. Es gibt nie einen konkreten Grund, „eine neue Band zu gründen“, außer den Drang, verschiedene Ideen in einem anderen Kontext zu erforschen. Ich würde keine der von dir genannten Bands zum Beispiel mit Núll vergleichen. Obwohl sich die Bands hier und da einige Mitglieder teilen, entsteht die Musik mit unterschiedlichen Themen, in einem anderen Prozess und oft mit unterschiedlichen Komponisten.

Was zeichnet 0 aus, was ist für dich das Besondere an 0?
Du fragst nach nichts. 0 bedeutet nichts. NULL erforscht verschiedene Ideen unter einem anderen Pseudonym. Nicht mehr und nicht weniger.

Im Allgemeinen sind isländische Metal-Bands in Europa im Moment sehr hip. Merkst du etwas von diesem gestiegenen Interesse, ist es auch ein Anreiz, neue Projekte zu starten?
Szenen und Trends kommen und gehen. Wir waren schon hier, lange bevor der „Hype“ begonnen hat, und wir werden noch lange hier sein, nachdem er verflogen ist.
Es sei aber noch erwähnt, dass unsere musikalischen Bemühungen nicht allzu viel Resonanz beim isländischen Volk finden. Unsere „Szene“ ist hier immer noch sehr im Underground verwurzelt. Man darf nicht erwarten, dass eines unserer verwandten Projekte irgendeines der hiesigen großen Festivals headlinen würde.

Euer Debüt „Null & Void“ wurde zunächst nur auf Tonband veröffentlicht. Warum?
„Null & Void“ erschien zunächst über Vánagandr, ein von D.G. und TMS betriebenes Kassettenlabel. Vánagandr ist eine Plattform, um unsere verschiedenen Projekte und andere Bands, mit denen wir zusammenarbeiten, vorzustellen. Wir versuchen, die meisten unserer Projekte auf Kassette zu veröffentlichen, wenn es angebracht erscheint. Später wurde das Album über Pest Productions aus China auch auf CD veröffentlicht, aber für die Veröffentlichung unseres zweiten Albums haben wir Ván Records kontaktiert.

Was fasziniert dich an dem Medium Tonband, warum gibt es überhaupt noch Tonbänder?
Kassetten sind ein unterbewertetes Format. Der Ton erhält eine bestimmte Textur, wenn er auf Band gespielt wird, die nicht mit Vinyl oder Compact Discs vergleichbar ist. Und Tapes sind unbeständig und verschlechtern sich mit der Zeit. Eine treffende Metapher für den Prozess der Entropie. Das passt gut zu unseren lyrischen Themen und wird den Klanglandschaften des Black Metal gerecht.

Euer erstes Album enthielt nur einen langen Song, auf „Entity“ sind es diesmal sechs mit eher normalen Längen. Was hat euch dazu gebracht, euer Songwriting so zu verändern? Wo siehst du die Vor- und Nachteile von langen, aber auch kurzen Songs?
Die Länge eines Liedes hat keinen Einfluss auf seine Substanz oder Bedeutung. Es ist keine thematische Entscheidung. Es war eine Notwendigkeit, nicht eine Absicht. Es gibt keine inhärente Bedeutung, die sich in der Länge der Lieder verbirgt. Die Lieder sind so lang, wie sie sein müssen, um die entsprechenden Gefühlszustände zu vermitteln.

„Null & Void“ klingt insgesamt spontaner als die neuen Lieder – trifft das zu?
Das hängt davon ab, was du mit „spontan“ meinst. Damals waren wir jünger und impulsiver. Es dauerte einige Jahre, beide Alben fertigzustellen, obwohl große Teile von beiden gleichzeitig geschrieben wurden. Ein großer Teil des Materials stammt aus den Jahren 2012 bis 2013.

Der „Schunkel-Chor“ in „Reduced Beyond The Point Of Renewal“ kommt zunächst überraschend. Wie kam es dazu?
Warum ist er überraschend? Er war einfach ein natürlicher Teil des Songwriting-Prozesses.

Das Cover von „Entity“ ist nicht selbsterklärend – ist es ein Ausschnitt aus einem größeren Bild, womöglich aus dem gleichen wie auf „Null & Void“?
Nicht vom selben Bild, aber vom selben Künstler. Es liegt Schönheit in dem scheinbar leeren Raum im Hintergrund alter Stiche. Der Raum zwischen den Linien.

Warum ist es das perfekte Artwork für dieses Album?
Es ist eine Hommage an den verstorbenen Cliff Burton. R.i.P. Das ist auch der Grund, warum der Bass im Mix so laut ist. “… And Justice For All” ist ein beschissenes Album.

Ist 0 eigentlich eine Live-Band, abgesehen von der Corona-Misere? Oder beabsichtigt ihr, künftig (wieder) Shows zu spielen?
NVLL tritt seit 2012 in einigermaßen regelmäßigen Abständen live auf. Zuletzt in Estland auf dem ausgezeichneten Howls Of Winter Festival zusammen mit einigen anderen Bands aus unserem Umfeld. Wir spielen auch gelegentlich Auftritte in Reykjavík, wenn es sich anbietet. Wir bemühen uns nicht sonderlich um Live-Auftritte, aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass Doom Metal am besten in einer lauten und bedrückenden, schwach beleuchteten Umgebung funktioniert, findest du nicht auch?

Wie ist die Situation in Island in dieser Hinsicht? In Mitteleuropa sind die Live-Industrie und das kulturelle Leben im Allgemeinen zum Erliegen gekommen …
Island ist besser weggekommen als viele Länder Mitteleuropas, aber hier Konzerte zu veranstalten ist immer noch recht kompliziert. Die meisten haben sich entschieden, entweder gar keine Auftritte zu spielen oder geheime Privatkonzerte in Underground-Venues zu veranstalten.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss unser traditionelles Brainstorming – was kommt dir zu folgenden Begriffen als erstes in den Sinn?
Fußball ohne Fans:
True Norwegian Black Metal:
Donald Trump:
Dein aktuelles Lieblingsalbum: „The Disintegration Loops“ von William Basinski und „Ride The Lightning“ von Metallica (RIP Cliff)
Deutschland:
0 in zehn Jahren:
Fuck off to weak doom metal.

Danke nochmals für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
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[Null bedeutet nichts. Suche nicht. – A. d. Red.]

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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