Interview mit Steven Wussow von Xandria

Fast eine Dekade ist es her, dass wir den deutschen Symphonic-Metallern XANDRIA in einem Interview auf den Zahn gefühlt haben. Seither hat sich bei der Band viel getan: Neue Platten sind erschienen und auch die Besetzung ist nicht mehr exakt dieselbe wie anno 2008. Anlässlich des aktuellen Meisterwerks „Theater Of Dimensions“ luden wir den XANDRIA-Bassisten Steven Wussow zum Verhör vor. Wir sprachen ausführlich über Themen wie den Kontakt zu ehemaligen Sängerinnen, das neue Album und den Tour-Alltag der Band – glücklicherweise blieb aber auch genügend Zeit, darüber zu sinnieren, wie ein Yoda-Chewbacca-Hybrid wohl aussehen und klingen würde…

Mittlerweile gehören XANDRIA ja doch zu den Größen des deutschen Symphonic Metal. Hast du das Gefühl, dass sich das stark auf euer Privatleben auswirkt? Werdet ihr beispielsweise oft von Metalheads erkannt und angesprochen?
(Lacht) Nein, nicht wirklich. Wenn so was überhaupt vorkommt, dann maximal auf Konzerten, die wir selbst besuchen. Erkannt werden ja, manchmal, angesprochen werden selten. Zumindest bei uns Jungs. Ich denke, Dianne wird dann schon öfter mal um ein Foto gebeten, aber auch bei ihr hält sich das noch in Grenzen.

Anhand der Stagelink-Kampagne im letzten Jahr gabt ihr den Leuten die Möglichkeit, mitzubestimmen, wo ihr eure Songs live auf die Bühne bringt. Wie wichtig ist euch der enge Kontakt mit eurer Hörerschaft?
Sehr wichtig. Die Fans sind schließlich der Grund, warum wir all das machen dürfen. Was nützt dir die geilste Platte der Welt, wenn sie niemand hören will bzw. niemand zu den Shows kommt? Die Stagelink-Geschichte ist ein weiterer Versuch, noch mehr auf die Wünsche der Leute einzugehen. Mal schauen, was dabei am Ende herauskommt. Wir sind gespannt.

Bei eurem ersten und bisher einzigen Interview mit Metal1 im Jahr 2008 wurde der damals noch recht frische Ausstieg eurer Ur-Sängerin Lisa Middelhauve thematisiert. Auch ihre Nachfolgerin Manuela Kraller blieb nur für ein Album bei der Band. Habt ihr noch oder wieder Kontakt mit den ehemaligen Sängerinnen und wisst ihr, wie sie zur heutigen XANDRIA-Musik stehen?
Lisa kenne ich leider nicht persönlich, weiß aber, dass die drei Bielefelder Jungs ihr wohl ab und an über den Weg laufen und dass sie die neuen Sachen auch echt gut zu finden scheint. Freut mich natürlich. Zu Manu hat eigentlich keiner von uns direkten, ständigen Kontakt. Aber nicht aus bösem Willen heraus, das hat sich einfach so ergeben. Von daher kann ich dir auch nicht sagen, ob sie die aktuellen Scheiben kennt.

Okay, dann kommen wir auf „Theater Of Dimensions“ zu sprechen. „With our new album we, XANDRIA, will cross the boundaries of our genre“ , hieß es von euch bei der Ankündigung des Albums. Wo würdest du jene Grenzen des Symphonic-Metal-Genres verorten und inwieweit, denkst du, ist euch die angekündigte Grenzüberschreitung mit dem Album gelungen?
Ich bin immer in dem Glauben aufgewachsen, dass der Rock`n`Roll, und nichts anderes machen wir hier, eigentlich grenzenlos ist. Leider muss sich der Mensch immer wieder Schubladen basteln, in die er gewisse Dinge ablegen und sich dadurch selbst einschränken kann. Mit dem neuen Album haben wir diese mühsam gebastelten Schubladen einfach mal so ein bisschen kaputt gemacht (lacht). Wir haben die Gitarren runtergestimmt, Black-Metal-Riffs verbaut, Popsongs neben Miniopern gestellt und siehe da, es funktioniert und klingt immer noch zu 100 Prozent nach XANDRIA!

Viele Bands sehen ihr neues Album ja stets als „das Beste, das sie bisher gemacht haben“ an. Siehst du es auch so? Wenn nicht, dann Hand aufs Herz: Zwischen welchen eurer Alben würdest du „Theater Of Dimensions“ qualitativ einordnen?
Ganz ehrlich, ich würde dir jetzt genauso antworten. Ich halte „Theater Of Dimensions“ wirklich für die beste XANDRIA-Platte ever. Aber frag mich nochmal in ein, zwei Jahren, wenn ich ein bisschen Abstand zu den Songs gewonnen habe. „Theater Of Dimensions“ ist für uns der nächste logische Schritt nach „Sacrificium“ und „Fire & Ashes“ und zwar ein Schritt nach vorne, von daher… Aber wie gesagt, frag mich im nächsten Interview nochmal (grinst).

Mit Sängern wie Björn Strid von Soilwork oder Ross Thompson von Van Canto habt ihr einige durchaus namhafte Gäste auf dem Album. Wie kam der Kontakt zu den Gastmusikern zustande?
Uns war schon während des Songwritings klar, dass wir auf der aktuellen Scheibe gerne das eine oder andere Duett einbauen würden. Für den Growl-Part hatten wir ziemlich schnell Björns Stimme im Kopf. Wir hatten mit Soilwork ein paar Festivals gespielt und wussten daher, dass er genau das liefern kann, was wir hier brauchen. Der Kontakt kam hier über unseren Produzenten Joost zustande.
Ross ist ein alter Bekannter, der nur einen Telefonanruf weit weg war. Bei Henning Basse war das ähnlich. Zaher von Myrath hat dann Marco organisiert. Im Prinzip lief das alles extrem locker und unbürokratisch ab. Wir haben einfach nett gefragt und die Jungs haben sich allesamt gefreut, dabei zu sein.

„We Are Murderers (We All)“ mit Gastvocals von bereits erwähntem Björn Strid wurde als erste Single veröffentlicht. Ich persönlich muss ja gestehen, dass ich ausgerechnet ihn, trotz des tollen Gastauftritts, als den einzig nicht so gelungenen Song des Albums empfinde. Aber was hat euch denn dazu veranlasst, gerade dieses Lied als ersten Eindruck auf die Hörer loszulassen?
Was uns dazu veranlasst hat? Genau diese Reaktion (lacht). Als erste Single wollten wir einen Song haben, der nicht 100 Prozent XANDRIA-typisch ist, die Leute erstmal wachrüttelt und ihnen etwas zum Diskutieren gibt. Das recht garstige Video und der für uns hier sehr wichtige, textliche Aspekt sollten dann den Rest dazu tun. `ne schöne „Gutenmorgenbackpfeife“! Die zweite Single war ja dann mit „Call Of Destiny“ eine typische XANDRIA-Signatur-Hymne, die, denke ich, jeden XANDRIA-Fan zufriedengestellt haben sollte.

Und mit einem Video war „Call Of Destiny“ auch gleich versehen. Wenn ihr noch ein Video zu einem Song drehen würdet, welchen würdest du als dafür am besten geeignet ansehen?
Wir denken in der Tat darüber nach, noch ein Video für „Theater Of Dimensions“ zu drehen. Es gibt schon einige Ideen, was man hier machen könnte oder ob so etwas überhaupt Sinn ergibt. Aber entschieden ist noch nichts. Ist also noch viel zu früh, um darüber zu reden.

Mit „Céilí“ habt ihr ein gelungenes Folk-Instrumental auf der Platte, dessen Titel passenderweise mystisch klingt. Welche Bedeutung verbirgt sich dahinter?
„Céilí“ heißt übersetzt so viel wie „Party“. Unser kleines Tanzparty-Liedchen also. Mal sehen, vielleicht packen wir das Ding demnächst auch mal ins Live-Programm und schauen, ob es so wirkt, wie es klingt.

Gutes Stichwort! Welche der neuen Songs von „Theater Of Dimensions“ können die Konzertbesucher bei euren Shows denn in jedem Fall erwarten?
Also die Singles sind mit großer Sicherheit dabei. Für den Rest… das ändert sich oft von Tourabschnitt zu Tourabschnitt. Wir wechseln immer mal wieder ein paar Songs aus, damit es für die Leute, die öfter vorbeischauen, auch interessant bleibt. Am Ende der Tour, irgendwann so Ende 2018, sollte dann fast jeder Song der Platte einmal dabei gewesen sein.

Ihr kommt live ja generell ziemlich viel herum, so habt ihr in diesem Jahr am 11. Februar in Tunesien aufgespielt. Wenn man Konzertbesucher verschiedener Länder oder gar Kontinente erlebt, fallen dir da starke kulturelle oder verhaltensmäßige Unterschiede auf?
Klar gibt`s da Unterschiede. Die Europäer sind im Vergleich zu den Fans in Südamerika oder Russland etwas reservierter und genießen die Show vielleicht etwas anders oder besser gesagt auf ihre eigene Weise. Hier geht es mehr um die Musik, woanders eher um die Party und das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Die Fotografiererei auf Konzerten ist zwar generell etwas anstrengend geworden, aber hier stecken die meisten ihr Telefon nach zwei, drei Songs weg, um etwas vom Konzert mitzubekommen. In Südamerika zieht man das Ganze auch gut und gerne mal die kompletten 90 Minuten durch, zur Not auch noch mit einem zweiten Handy, Tablet oder `ner GoPro bewaffnet, und macht dabei aber selbst so viel Alarm und Party, dass man definitiv NICHTS auf den Aufnahmen hören wird aus dem tobenden Mob. Na ja, andere Länder, andere Sitten (grinst). Hauptsache, am Ende des Abends geht jeder, egal wo, glücklich, verschwitzt und zufrieden nach Hause. Dann haben wir unseren Job schon mal gut gemacht.

Gibt es Länder, in denen ihr noch nie gespielt habt, gerne aber mal dort auftreten würdet? Welche wären das denn zum Beispiel?
Wir sind zwar eine sehr reisefreudige Kapelle, aber es gibt immer noch einige weiße Flecken auf der Landkarte. Nach der Tunesien-Show haben wir jetzt Konzerte auf allen Kontinenten mit Ausnahme Australiens gespielt. Ich denke, das wäre dann definitiv noch ein „Wunschland“ von uns. Mal schauen, vielleicht ergibt sich ja mal was Passendes.

Wie läuft die Vorbereitung auf Live-Gigs bei euch ab?
Ach, Vorbereitung wird überbewertet. Wir treffen uns vor jedem Tourabschnitt einmal zu einer ausführlichen Probe, von da an geht`s dann für jeden alleine weiter. Sollte neues Material dazukommen, dauert der Soundcheck eben etwas länger. Ein typischer Tourtag sieht bei uns eigentlich recht langweilig aus. Die meiste Zeit verbringt man damit, irgendwie die Zeit totzuschlagen. Man liest, schaut einen Film, geht spazieren… also keine wilden Orgien und keine ausschweifenden Exzesse. Vor der Show kurz aufwärmen und los geht`s. Danach gibt`s noch ein, zwei Feierabendbierchen, wir schauen kurz auf ein Schwätzchen am Merch vorbei und weiter geht`s in die nächste Stadt. Also alles eher unspektakulär.

Damit wären wir auch am Ende des Interviews. Ich danke dir für deine Zeit und würde es gerne mit unserem traditionellen Metal1-Brainstorming beenden. Was fällt dir spontan zu diesen Begriffen ein?
Klassische Musik: Ist so gar nichts für mich.
Black Sabbath: Ich steh‘ vor allem auf die Dio– und Tony-Martin-Ära. Ich glaube, für die Ozzy-Osbourne-Sachen bin ich zu jung. Seine Solo-Sachen dagegen vergöttere ich!
Mittelalter: Mag ich genauso wenig wie Klassik.
Alkohol: Mal ein Bier nach getaner Arbeit, aber das war`s dann auch schon. Ich bin zwar ein sehr amüsanter, singender, lachender und tanzender Betrunkener, dafür aber am nächsten Tag auch immer schwerstens erkrankt. Also bleib ich bei meinem Feierabendbierchen und gut.
Winter: Ich bin ein absoluter Sommermensch und kann der kalten, dunklen Jahreszeit überhaupt nichts abgewinnen. Am liebsten würde ich auch Winterschlaf halten und erst im Frühling wieder aus meinem Loch kriechen.
Star Wars: Find ich großartig. Fand ich schon als Kind großartig. Ich wäre gerne selbst ’ne Mischung aus Chewbacca und Yoda… (lacht). Ein grüner Gnom mit langem Zottelfell, der weise Worte in grammatikalisch bedenklichen Brülllauten an die Menschheit verteilt. Wär doch prima! Oder?

Ich denke zwar, dass das gerade schon die idealen Schlussworte waren, aber gibt es dennoch noch etwas, das du unseren Lesern und euren Hörern am Ende gerne noch mitteilen würdest?

Ich habe zu danken und möchte die Gelegenheit nutzen, mich auch bei allen unseren Fans und Supportern zu bedanken! Ihr seid die besten! Danke für alles! Wir sehen uns bei den Shows!

Publiziert am von Pascal Weber

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