Konzertbericht: Anathema w/ Alcest

20.10.2017 München, Backstage (Werk)

Kurz vor den Deutschlandterminen der Tour zum neuen Album „The Optimist“ erreicht die Besucher eine positive Nachricht: die Prog-/Alternative-Rocker von ANATHEMA wollen ihr Set um eine halbe Stunde verlängern. So kommt es, dass heute im Backstage Werk in München, wo die Briten heute zusammen mit der französischen Shoegaze-Größe ALCEST spielen, der Einlass auf 19:00 Uhr und der Konzertbeginn auf 19:30 Uhr vorverlegt wird.

Die Nachricht kam zwar kurzfristig, jedoch scheint sie die meisten Konzertgänger erreicht zu haben. Bereits als ALCEST die Bühne betreten ist der innere Zuschauerraum des Werks gut gefüllt. Kein Wunder, sind die Franzosen inzwischen ja alles andere als eine kleine Nummer. Bei stimmig abgemischtem Sound legt die sympathische Truppe gleich mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums „Kodama“ los. Für die Dreiviertelstunde, die ihnen heute zu Verfügung steht, haben ALCEST ein stimmiges Set aus alten Klassikern wie „Percées De Lumière“ und „Autre Temps“ sowie neuen Stücken vorbereitet. Fronter und Mastermind Neige, der mit seiner schlaksigen Figur und seiner schüchternen Art recht zierlich wirkt, liefert heute in Sachen Gesang eine sehr starke und kraftvolle Performance ab. Für die meisten dürfte es während des Auftritts nicht nur bei einem Gänsehautmoment bleiben, wenn ALCEST von ihren ruhigen, meditativen Passagen in ihren bitterkalten Post-Black-Metal wechseln. Mit „Délivrance“ vom Album „Shelter“ beenden die Musiker ihr stimmiges, atmosphärisches Set, das auch bei den Besuchern merklich gut ankommt.

  1. Kodama
  2. Là Où Naissent Les Couleurs Nouvelles
  3. Oiseaux De Proie
  4. Eclosion
  5. Autre Temps
  6. Percées De Lumière
  7. Délivrance

Nach einer recht langem Umbaupause geht es dann schließlich weiter mit dem Headliner des Abends: ANATHEMA. Dass die Alternative-Rocker mit ihrem inzwischen melancholischen und leicht zugänglichen Stil eine breite Hörerschaft erreichen, wird schnell klar, wenn man sich im Zuschauerraum umsieht. Sogar ganze Familien sind mit ihren Kindern zum Konzert gekommen. Zwar gibt es sicherlich auch viele Metaller unter den Konzertbesuchern, insgesamt sieht man sich aber von einem sehr gemischten Publikum umgeben.

Kein Wunder: Die Band selbst scheint mit ihrer Metal-Vergangenheit abgeschlossen zu haben. Die ganz frühen Alben werden komplett ignoriert, stattdessen gibt es viel aus der Prog-Rock- und Alternative-Phase zu hören. Mit „San Francisco“ von ihrem aktuellen Album „The Optimist“ beginnen sie instrumental ihr Set, bevor Fronter Vincent Cavanagh und die seit 2010 fest zum Line-Up gehörende Lee Douglas ihr phänomenales, zweiteiliges Opus „Untouchable“ vortragen. Während im ersten Teil des Sets Songs aus den letzten drei Alben gespielt werden, finden die etwas älteren Stücke alle in der zweiten Hälfte ihren Platz.

Auch bei ANATHEMA können sich die Besucher heute über einen glasklaren Sound freuen. Besonders der berührende Gesang von Douglas sowie der Brüder Vincent und Danny Cavanagh kommt in den ruhig gehaltenen Stücken gut heraus. In den komplexeren Prog-Stücken wie „The Lost Song, Part 3“ vom vorletzten Werk „Distant Satellites“ kommen dagegen die Gitarren, der Bass und das Klavier zur Geltung. Am meisten Applaus fährt aber wie immer Publikumsliebling Lee Douglas ein. Gerade bei Songs wie dem auf ihren Gesang zugeschnittenen „Lightning Song“ von ihrem vielgelobten Album „Weather Systems“ überzeugt die Vokalistin durch ihre herzerwärmende, immer wieder im richtigen Moment zitternde und gefühlvolle Stimme. Im Zugabenblock zollt Danny Cavanagh dann noch Pink Floyd mit einem Ausschnitt aus deren Meisterwerk „Shine On You Crazy Diamond“ Tribut, bevor die Briten ihr gelungenes Konzert unter lautem Beifall beenden.

  1. San Francisco
  2. Untouchable Part 1
  3. Untouchable Part 2
  4. Can’t Let Go
  5. Endless Ways
  6. The Optimist
  7. The Lost Song, Part 3
  8. Barriers
  9. Pressure
  10. Dreaming Light
  11. Lightning Song
  12. A Simple Mistake
  13. Closer

  14. Distant Satellites
  15. Springfield
  16. Back To The Start
  17. Fragile Dreams

Auch wenn sich ANATHEMA inzwischen gänzlich von ihrem Metal-Korsett befreit haben und ein überwiegend akustisches, melancholisches Alternative-Rock-Konzert spielen, dürfte der Abend sich auch für die anwesenden Metal-Fans mehr als gelohnt haben. Mit den großartigen ALCEST als Vorband kann man ohnehin nichts falsch machen und auch darüber hinaus stimmt heute von Sound über Raumtemperatur und Stimmung bis hin zum Publikum einfach alles. So sollten Konzerte immer sein!

Publiziert am von Simon Bodesheim

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