Konzertbericht: Between The Buried And Me w/ Periphery, Support

2012-10-25 München, Backstage Halle

Herzlich willkommen, liebe Freunde des gepflegten Kopfschmerzes. Als wäre die Musikrichtung des Metalcore nicht bereits genug, um mit diversen Breakdowns und tiefem Gebrüll für ein Dröhnen hinter der Stirn zu sorgen, stellen die Bands des heutigen Abends mit ihren mathematischen Gitarrenläufen und schwer nachzuvollziehenden Takt- und Rhythmuswechseln sicher, dass auch die Schaltzentrale des Gehirns stark beansprucht wird: BETWEEN THE BURIED AND ME sind mit ihrem neuen Album „The Parallax II: Future Sequence“ auf Europa-Tour und haben ihre Brüder im Geiste in Form von „Periphery“ und „The Safety Fire“ eingeladen, gemeinsam mit ihren Spielarten des Progressive Metal rauchende Köpfe zu erzeugen. An einem schönen Donnerstag im Herbst legt diese wandelnde Kopf-Achterbahn im Münchner Backstage einen Stopp ein.

Pünktlich um 19.30 betreten THE SAFETY FIRE aus England die mit zwei Seitenbannern geschmückte Bühne und stehen einer sehr dünn besiedelten Halle gegenüber, welche sich im Verlauf des Konzerts allerdings allmählich zu füllen beginnt. Mit ihren technisch beeindruckenden und mitreißenden Progressive-Songs hat die junge Band aus England das Publikum schnell auf ihrer Seite, was durch sympathische und witzige Ansage unterstützt wird. Als Sänger Sean McWeeney nach zwei Songs das Publikum begrüßt, erläutert er so beispielsweise den Grund dafür, dass alle fünf Bandmitglieder Schnurrbärte tragen: „We grew moustaches at the beginning of this tour to have more sex. Guess how much sex we had since then: Zero. But we want to change that tonight, so if you are a woman or a man and like us, report at the merch-table after the show!“

Der Spaß, den die Band an der Live-Performance hat, ist zu jeder Sekunde des kompakten Sets deutlich zu sehen. Im Gegensatz zur Spiellaune und dem langsam warm laufenden Publikum ist der Sound bei THE SAFETY FIRE leider noch nicht optimal: Während die Gitarren viel zu leise abgemischt sind, dröhnt der Bass in einer nahezu betäubenden Lautstärke aus den Boxen und verschluckt die restlichen Instrumente nahezu vollständig. Dennoch ist der Auftritt ein gelungener Einstieg in diesen komplexen Abend, so dass die Band nach 30 Minuten mit viel Applaus verabschiedet wird.

Setlist THE SAFETY FIRE:
1. Circassian Beauties
2. DMB (FDP)
3. Animal King
4. Floods Of Colour
5. Huge Hammers

Der nun folgende Umbau geht relativ schnell vonstatten, das Backstage füllt sich sichtlich und zu düsteren Intro-Klängen entern die US-Amerikaner PERIPHERY die Bühne. Ohne Kompromisse legt die sechsköpfige Band mit „Ragnorok“ los und sofort wird klar, dass der Soundmann mit dieser Band wesentlich besser zurechtkommt: Die drei (!) Gitarren sind fett und knackig abgemischt, der Bass wummert mit angemessener Lautstärke aus den Boxen, das Schlagzeug ist druckvoll und der Gesang in allen Facetten klar zu hören. Mit ihrer Mischung aus Djent, Metalcore und cleanen Elementen spielen PERIPHERY derzeit in einer eigenen Liga – die Gitarrenläufe sind in ihrer Komplexität kaum mehr nachzuvollziehen, was für Takte hier kombiniert werden, ist ebenfalls kaum zu verstehen und trotzdem ist der Sound so unglaublich eingängig und fett, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als permanent dazu durchzudrehen. Mit ihrem Stilmix bringt die junge Band einen ganz eigenen Anstrich in das schon etwas abgenutzte Djent-Genre, indem sie in dieser Musikrichtung den Prog-Metal-Aspekt nach vorne stellen.

Die Bandmitglieder bieten ihre Songs scheinbar mühelos dar, durch, schieben sich gegenseitig lachend über die Bühne, rufen sich kleine Frotzeleien zu, grinsen ins Publikum, haben noch Zeit für einige Rockstar-Posen – es gibt kaum etwas, das bei diesem Auftritt nicht stimmt. Die Setlist bietet eine ausgeglichene Mischung aus älteren Songs sowie Lieder aus ihrem neuen Album und stellt die wild feiernden Fans offensichtlich zufrieden. Dies ist umso erstaunlicher, da sich Matt Halpern, der angestammte Schlagzeuger der Band, kurz vor der Tour die Schulter ausgekugelt hat und nun von einem kurzfristig eingesprungenen Ersatzmann vertreten wird. Dieser spielt die hoch anspruchsvollen Songs mit so viel Leidenschaft, Energie und Genauigkeit, als er hätte er nie etwas anderes getan. Mit dem Hit „Icarus Lives!“ verabschiedet sich die Band nach einer guten halben Stunde schließlich von den begeisterten Fans, deren Rufe nach einer Zugabe vom „neuen“ Mann hinter den Drums mit einem Schulterzockenden und einem erschöpften „I can’t play any other songs“ verneint werden müssen. Mit diesem Auftritt legen PERIPHERY die Messlatte für den heutigen Abend sehr hoch.

Setlist PERIPHERY:
1. Ragnarok
2. Have A Blast
3. Buttersnips
4. New Snu
5. Facepalm Mute
6. Make Total Destroy
7. Icarus Lives!

Um kurz nach 21 Uhr erlischt das Licht zum letzten Mal an diesem Abend und BETWEEN THE BURIED AND ME betreten die Bühne. Eines kann gleich verraten werden: Die Ankündigung, dass die Band plant, das gesamte neue Album live zu spielen, wird an diesem Abend nicht in die Tat umgesetzt. Stattdessen legt die Band direkt mit dem Brecher „White Walls“ vom Vorgänger-Album „Colors“ los. Auch wenn die Menge sofort dabei ist und die Energie auf der Bühne deutlich zu sehen ist, macht der Sound erneut ein ungetrübtes Konzerterlebnis zunichte. Die Gitarren, welche mit ihren komplexen Melodien und Rhythmen einen großen Teil des Reizes der Musik von BETWEEN THE BURIED AND ME ausmachen, sind viel zu leise und der Sound insgesamt viel zu matschig abgemischt. Dies hindert die Band allerdings nicht daran, Vollgas zu geben: Sänger Tommy Rogers keift und brüllt in die Menge, zieht sich immer wieder hinter sein Keyboard zurück und beeindruckt dort mit seiner klaren Singstimme, Blake Richardson hinterm Schlagzeug knüppelt wie ein Wahnsinniger auf sein Set ein und die Häupter von Paul Waggoner und Dustie Waring an den Gitarren werden heftig geschüttelt. Dass Basser Jason Schofield King es immer wieder schafft, die Menge zum rhythmischen Klatschen zu animieren, ist eine Sonderwähnung wert.

Der Einstieg für das Konzert erscheint im Zusammenhang mit dem breiigen Sound allerdings auch mit dem darauf folgenden „Astral Body“ vom aktuellen Album etwas ungünstig gewählt, da hier die verspielten und zahlreichen What-The-Fuck-Momente nicht wirklich zur Geltung kommen. Mit den folgenden Songs, „Sun Of Nothing“ und dem Überkracher „Telos“ wird der Sound schlagartig besser, die erhofften Momente schlagen endlich ein und auch das Publikum kann schließlich nicht mehr stillstehen und startet einen beachtlichen Moshpit. Dass die selten unter der Zehnminutenmarke stattfindenden Songs auch live funktionieren und sowohl für offene Münder als auch wehende Haare sorgen, ist erstaunlich, liegt sicher aber auch an der sympathischen Präsenz der Band, welche bis auf wenige „Thank You“s auf Interaktionen mit dem Publikum verzichtet.

Nach dem abschließenden und von der Menge gefeierten „Fossil Genera“ verabschiedet sich die Band – nur um das darauf leise auf CD anklingende „Bohemian Rhapsody“ immer lauter aufzudrehen und schließlich, inklusive Freddy-Mercury-Erinnerungs-Mikroständer, auf die Bühne zurückzukehren und den Song mit dem Einsetzen der Gitarren live zu Ende zu spielen. Jede andere Band würde für so eine Coverversion wohl ausgelacht werden, im Wahnsinn einer BETWEEN THE BURIED AND ME Show fühlt sich diese Einlage allerdings nicht mal im Ansatz merkwürdig an.
Nach diesem kurzen Intermezzo besinnt sich die Band auf ihre eigenen Stärken und reißt mit ihrem Übersong „Mordecai“ die gesamte Hütte ab: fliegende Menschen im Publikum, Leidenschaft auf der Bühne, Schweiß an der Decke: So muss das sein. Nach dem epischen Pianoausklang des Songs verabschiedet sich die Band nach knapp 90 Minuten endgültig vom nass geschwitzten Münchner Publikum.

Setlist BETWEEN THE BURIED AND ME:
1. White Walls
2. Astral Body
3. Sun Of Nothing
4. Desease, Injury, Madness
5. Telos
6. Fossil Genera – A Feed From Cloud Mountain
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7. Bohemian Rhapsody (Queen Cover)
8. Mordecai

FAZIT: Von der technischen Seite aus betrachtet ist dieser Abend wohl kaum zu übertreffen. Alle drei Bands spielen sowohl anspruchsvollen als auch mitreißenden Progressive-Metal mit unterschiedlichen Zusätzen und passen auch in dieser Kombination hervorragend zusammen. Dass BETWEEN THE BURIED AND ME ein wenig Anlaufzeit benötigten, um vollends zu überzeugen liegt sowohl an den herausragenden PERIPHERY als auch am insgesamt leider enttäuschenden Sound. Jeder Liebhaber komplexer harter Musik war hier allerdings genau an der richtigen Stelle.

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