Konzertbericht: Gorgoroth w/ Doodswens, Hats Barn, Tyrmfar

23.02.2023 München, Backstage (Werk)

2017 waren GORGOROTH zuletzt in Deutschland – zur Feier ihres 25-jährigen Jubiläums. Sechs Jahre später feiern GORGOROTH wieder Geburtstag, und wie leicht zu errechnen ist, ist es ihr 31. Mag das der Pandemie geschuldet und die Tour eigentlich für 2022 angedacht gewesen sein – ein wenig skurril wirkt das „31 Year Anniversary“ auf den Plakaten schon.

Viel mehr als das krumme Jubiläum gibt das Billing darunter zu denken: Waren auf den vergangenen Touren also Hochkaräter wie Melechesh (2017) oder Kampfar (2015) eingepreist, gibt es heute ein Package aus vier Bands, von dem Selbst Genre-Experten kaum mehr als zwei, und durchschnittliche Black-Metal-Hörer vermutlich sogar nur GORGOROTH kennen dürften. Das muss ganz generell nicht schlecht sein – im aktuellen Fall ist es das allerdings doch.

Vor zunächst allenfalls 200 Fans im damit mehr schlecht als recht gefüllten Backstage Werk eröffnen um 19:15 Uhr TYRMFAR den Abend. Was zunächst an True Norwegian Black Metal denken lässt, entpuppt sich schnell als Schweizer Studenten-Black-Metal: Statt Corpsepaint und Nieten gibt es bei Fronter Robin Délèze Kurzhaarschnitt, Schnauzer und Doc Martens zu sehen. Relevanter als das Auftreten ist natürlich die Musik – die zu beurteilen macht der katastrophale Sound leider fast unmöglich. Einen Bassisten haben TYRMFAR nicht, von den zwei Gitarren ist kaum etwas zu hören, und während beim Sänger zumindest die Attitüde passt, wirkt sein Screaming extrem gepresst. Vom auf Platte halbwegs stimmungsvollen, melodischen Black Metal bleibt so live leider wenig übrig – Applaus gibt es hier allenfalls für den Elan, mit dem TYRMFAR sich durch ihre halbe Stunde Stagetime ackern.

Deutlich „trver“ kommen HATS BARN daher – besser macht es das allerdings nicht: Die Franzosen sehen nicht nur aus, als hätte man Watain bei Wish bestellt, sondern klingen auch noch wie eine Schülerband, die Mayhem covert. Dass es die Band seit beinahe 20 Jahren gibt, macht es nicht eben besser, wirkt doch wirklich alles an dieser Show stümperhaft: Die Bühne, drappiert mit allerlei Bannern, Kerzen, Ketten und Knochen, wirkt, als wäre hier für eine Mottoparty dekoriert worden – und auch die Outfits der Musiker passen in dieses Bild. Mit nur einer Gitarre (dafür aber mit Bass!) knödeln sich HATS BARN in diesem Setting durch ebenfalls 30 Minuten Stagetime. Während das Songmaterial vor allem belanglos ist, ist der Mix aus völlig talentfreiem Gekeiffe und Gejaule des passenderweise als Psycho firmierenden Fronters nur mehr lächerlich.

Mit DOODSWENS steht dem mittlerweile auf etwa 350 Köpfe angewachsenen Publikum noch eine letzte Show bevor, ehe endlich echter True Norwegian Black Metal auf dem Programm steht. Leider sind auch die Niederländer alles, nur keine Offenbarung: Nach einem „Eröffnungsritual“ mit dem Bühnen-Altar-Starterkit (enthält: Schädel, Kerzen, Räucherkräuter, Pentagrammflagge, Kunstblut; lieferbar sofort!) gibt es bei nun gutem Sound eine schwache Performance. Die düstere Stimmung des Debüt-Albums „Lichtvrees“ (2021) kann das erst 2017 gegründete Trio um Drummerin Inge van der Zon dabei leider nicht reproduzieren – allerdings entstammen vier der sieben Songs im Set auch der selbstbetitelten Debüt-EP von 2019. Doch manchmal reicht es ja auch, bloß besser zu sein als andere: Auch wenn DOODSWENS heute sicher keine Offenbarung sind, bekommen die Niederländer die bislang besten Publikums-Reaktionen – und das völlig zu Recht.

  1. I
  2. IJsheiligen
  3. In Mijn Bloed
  4. IV
  5. III
  6. The Gate Of Moira
  7. II

Kurz nach 22:00 Uhr reißt das GORGOROTH-Intro „Marche Funèbre“ das Publikum aus seiner Apathie. Während auf der Bühne der qurilige Hoest für Bewegung sorgt, etabliert sich vor der Bühne sogar ein kleiner Moshpit. Ansonsten hält sich der Aufwand, den GORGOROTH als Entertainer betreiben, allerdings wie gewohnt sehr in Grenzen: Infernus und seine fast gänzlich in Nebel gehüllten Mitstreiter bewegen sich nicht mehr als nötig, die Dauer der Performance wird durch quasi nahtlose Übergänge zwischen der Songs auf ein Minimum (55 Minuten) „optimiert“ und die einzige „Showeinlage“ liefert der Roadie, der dazu verdammt ist, in nahezu jedem Song den von Hoest nicht mehr benötigten Mikrofonständer von der Bühne holen.

Vor allem aber wird die Faulheit der Band hinsichtlich ihres Repertoires langsam peinlich: Die Setlist dieser Tour ist einmal mehr auf den Song genau identisch mit der der letzten beiden Touren (wir erinnern uns: 2017 und 2015). Fraglos, es ist ein starkes Set mit so manchem Hit – mehr als ein Song vom „aktuellen“ Album „Instinctus Bestialis“ (2015) wäre aber ebenso schön gewesen wie eine etwas andere Songauswahl aus dem großen Fundus der Szenegröße. Immerhin: Die Songs, die GORGOROTH können, können sie mittlerweile richtig gut – und auch der Sound ist jetzt astrein. Dass die Trigger der Toms deutlich zu laut eingestellt sind und insbesondere Fills wie Tom-Rolls unangenehm dröhnen, ist eine Detailfrage – ansonsten ist die Abmischung zwischen Saiteninstrumenten, Drums und Gesang – jetzt, wo es drauf ankommt – endlich perfekt. Und ehe man sichs versieht, ist die Show vorbei.

  1. Bergtrollets Hevn
  2. Aneuthanasia
  3. Prayer
  4. Katharinas Bortgang
  5. Revelation Of Doom
  6. Forces Of Satan Storms
  7. Ødeleggelse Og Undergang
  8. Blood Stains The Circle
  9. Cleansing Fire
  10. Destroyer
  11. Incipit Satan
  12. Krig
  13. Kala Brahman
  14. Unchain My Heart!!!
Schall ist bekanntlich langsamer als Licht. So schnell, wie GORGOROTH nach getaner Arbeit verschwinden, wäre es also durchaus denkbar, dass das finale „Unchain My Heart!!!“ im hinteren Hallenteil noch gar nicht verklungen ist, als die Musiker im Backstageraum sitzen. Wer nach diesem Abgang „Zugabe“ ruft, kann nur ein GORGOROTH-Neuling oder unbelehrbarer Optimist sein. Denn für eine Zugabe müssten die Norweger ja zum einen eine emotionale Regung zeigen, und zum anderen mehr als besagte 14 Songs können – beides erscheint in Anbetracht der heutigen Darbietung unwahrscheinlich.

Wer GORGOROTH hingegen kennt und entsprechend weiß, was ihn erwartet, wird von der Performance der Norweger heute zumindest auch nicht enttäuscht: Technisch sind Infernus und seine Mannen vielleicht sogar fitter denn je, und wenn – wie heute – der Sound mitspielt, sind GORGOROTH auch im Jahr 2023 noch eine Referenz für True Norwegian Black Metal. Mit der Aura, die Ex-Sänger Gaahl mit seiner Band Gaahls Wyrd heraufbeschwört, können GORGOROTH so allerdings nicht mithalten.

Ein herber Dämpfer ist in jedem Fall das Tour-Package: Bekam man bislang für sein Geld zusätzlich zu einem knapp einstündigen Ritt durch die GORGOROTH-Diskografie zumindest noch ein bis zwei rennomierte Acts zu sehen, weiß aus dem diesjährigen Underground-Billing leider keine Band so recht zu überzeugen. Ob dieses Konzerterlebnis in der Summe knapp 30€ Wert ist, bleibt am Ende Ansichtssache.

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