Konzertbericht: Hellish Rock Tour II – Helloween /w Gamma Ray, Shadowside

19.04.2013 Hamburg, Docks


Donnerstag Abend in Hamburg – laute Musik ruft. Und nicht irgendjemand tritt heute in den Docks am Spielbudenplatz auf, sondern der Wanderzirkus der „Hellish Rock Tour II“ macht Halt. Das sollte ein Heimspiel für die fleißigen Musiker von GAMMA RAY und HELLOWEEN werden, stammen beide Bands doch ursprünglich aus eben dieser Hansestadt. Und auch wenn viele von ihnen inzwischen an zumeist sonnigere Orte verzogen sind, zeigt der Abend doch, dass diese Stadt ihre begabten Söhne nicht vergessen hat.


Bevor die Großen aber auf die Bühne treten, ist noch Zeit für einen Opening Act. SHADOWSIDE aus dem fernen Brasilien wurden hierfür ausgewählt und treten gegen zehn vor acht auf die Bretter, die für diese eher kleine Band durchaus die Welt bedeuten könnten – eine Support-Tour für Helloween und Gamma Ray dürfte schließlich der feuchte Traum einer jeden brasilianischen Power-Metal-Band sein. Umso erstaunlicher ist dann der etwas lahme Anfang ihres 35-minütigen Sets. Bei einem relativ höhepunktlosen Song können weder der matschige Sound noch der monotone Gesang von Sängerin Dani Nolden überzeugen.

Glücklicherweise fängt sich SHADOWSIDE aber im Laufe der Performance sichtlich und auch der Mischer wacht aus seinem Winterschlaf auf. Nach einem weiteren eher mittelmäßigen Lied kommt zunehmend Stimmung auf, auch, weil die Qualität der Lieder spürbar besser wird. Durch mehr Variation sowohl im weiblichen Gesang als auch in den unterstützenden Vocals der Saitenmusiker und vor allem durch interessantere Songs wie „Inner Monster Out“ mit Growling-Einsätzen spielt die Band langsam auch die Stimmung in den Docks nach oben. Und ein Motörhead-Cover („Ace Of Spades“) ist immer eine gute Idee. Somit hinterlässt SHADOWSIDE zwar etwas gemischte Gefühle, hat aber gezeigt, wie gut man sich innerhalb eines Auftrittes noch steigern kann.


Nach einer angenehm kurzen Umbaupause stehen schon GAMMA RAY auf der Bühne. Gleich der erste Song macht klar, wohin die Band heute zielt: Es stehen die schnellen Power- und Speed-Metal-Songs auf dem Programm. Balladen werden keine gespielt und auch die etwas rockigeren Lieder, über die die Band durchaus verfügt, bleiben unangetastet. Stattdessen wird das Tempo spürbar angezogen. Für das zahlenmäßig inzwischen stark vertretene Publikum ist ein solcher Auftritt immer etwas schwierig: Wie reagiert man angemessen? Getanzt werden kann natürlich nicht und für ein Moshpit ist die Musik auch wenig geeignet. Die probate Antwort wäre sicher Headbanging, weil aber mehr als zwei Drittel der Anwesen dafür alters- und berufsbedingt nicht die richtige Ausstattung mitgebracht haben, bleibt vielen eher das erfreute Gucken und mit dem Kopf wippen. Macht aber nichts, Spaß haben die Menschen hier sichtlich.

Die Setlist von GAMMA RAY basiert im Wesentlichen auf der vergangenen „Skeletons & Majesties“-Tour, wenn auch die beiden neuen Songs von der kürzlich erschienenen „Master Of Confusion“-EP mit eingebaut wurden. Einen richtigen Höhepunkt erlebt die Show beim großartig vorgetragenen „Future World“, wo so mancher schon einmal nach Musikern von Helloween linst, in der Hoffnung, hier einen Vorgeschmack auf das Zusammenspiel der beiden Bands zu erhaschen – aber nein, so früh verschießen die Profis ihr Pulver nicht. Da heißt es abwarten. Und bis dahin sorgt die Band durch ihre hervorragende Performance und die wilden Posen besonders von Bassist Dirk Schlächter für beste Unterhaltung.

GAMMA RAY bringen ihr 65-minütiges Set mit kurzer Zugabe zu einem für alle zufriedenstellenden Ende und haben im Publikum freudige Erwartung auf alles noch Kommende geweckt. Vielleicht hätte es noch eine Spur besser funktioniert, wenn die Band sich den Luxus gegönnt hätte, einmal zwischendurch das Tempo mit einer kleinen Ballade oder einem Midtempo-Song rauszunehmen. Aber das bleibt Kritik auf hohem Niveau. (ml)

Setlist GAMMA RAY:
1. Anywhere In The Galaxy
2. Men, Martians and Machines
3. The Spirit
4. Dethrone Tyranny
5. Master Of Confusion
6. Empire Of The Undead
7. Empathy
8. Rise
9. Future World
10. To The Metal
Zugabe
11. Send Me A Sign


Es dauert auch nicht übermäßig lange, bis sich HELLOWEEN zeigen. Im Gegensatz zur Schwesterband haben die Kürbisse mit „Straight Out Of Hell“ ein neues Album im Gepäck, doch wer daher den Opener zu erraten glaubt, liegt heute falsch: „Eagle Fly Free“ ist nicht unbedingt wegweisend für die Marschrichtung des heutigen Auftritts, zeigt aber, dass die „Hellish Rock Tour II“ für die eine oder andere Überraschung gut ist.

Zunächst gibt es aber erst einmal das, was zu erwarten ist: eine Menge Songs von „Straight Out Of Hell“. Zügig merkt man, dass die zentralen Nummern der Platte wie „Nabataea“ live (noch) nicht so gut zünden, was womöglich daran liegt, dass die Tonhöhe das Mitsingen erschwert. Andi Deris besteht derart harte Prüfungen mit Bravour, doch bei den Klassikern zeigt sich das Hamburger Publikum singfreudiger. Auf das meiste alte Zeug wartet man heute indes eine ganze Weile. Warum? Das wird sich angesichts der Tourkonstellation wohl kaum jemand fragen.

HELLOWEEN werden jedenfalls wohl kaum noch irgendwelche Songs in ihrer Karriere schreiben, die keinen Platz mehr für Faxen auf der Bühne lassen. Mit einer gewissen Routine, aber dennoch mit sehr glaubwürdiger Spielfreude und Energie daddelt sich die Band durch ihr Set und beweist ihren Ruf als Unterhaltungskünstler. Bemerkenswert bleibt, dass Michael „Weiki“ Weikath heute den Mund nicht aufbekommt – doch das wird durch einen glänzend aufgelegten Andi Deris durchaus kompensiert. Mehr als einmal lädt der Sänger das Hamburger Publikum, das ihn einst „adoptierte“, wie er immer wieder betont, zu Sing-along-Spielen ein. Im regulären Set sind das „Where The Sinners Go“, „Live Now“; später kommen „Are You Metal?“ und „I Want Out“ dazu.

Wie schon gelegentlich erlebt unterbrechen HELLOWEEN den Auftritt mit einem Schlagzeugsolo (Junge, was für ein Drumkit!), das allerdings mit Flak-Scheinwerfern und Fliegeralarm ungewöhnlich martialisch eingeleitet wird. Auch die Ballade fehlt nicht, hier erweist sich „Hold Me In Your Arms“ vom aktuellen „Straight Out Of Hell“ als ein echter Glücksgriff. Das gesamte Set wird sicherlich nicht jeden Fan wunschlos zurücklassen – so hätte „Burning Sun“ womöglich gut gezogen –, doch das passiert eben bei 30 Jahren Bandgeschichte.

Apropos 30 Jahre Bandgeschichte – da war doch was? Natürlich! Wie Markus Großkopf schon im Vorfeld durchsickern ließ, landet die Besatzung der „Hellish Rock Tour II“ natürlich wieder zusammen auf einer Bühne. Das geschieht zwar erst im zweiten Zugabenblock, wo HELLOWEEN mit Kai Hansen zusammen ein Medley aus einigen Klassikern zum Besten geben. Doch das Bild so vieler Hamburger Metal-Veteranen, in Eintracht gemeinsam zockend, ist dadurch nicht weniger eindrucksvoll. Schließlich stürmt noch Verstärkung in Form der restlichen Gamma-Ray-Mitglieder auf die Bühne, und während Andi Deris das letzte und allerletzte Sing-along zu „I Want Out“ anstimmen lässt, bohrt Markus Großkopf in der Nase und wischt seine Finger an Henjo Richter ab. Kaum ein HELLOWEEN-Fan wird da noch leugnen, dass sich der Besuch der „Hellish Rock Tour II“ in Hamburg gelohnt hat. (jl)

Setlist HELLOWEEN:
1. Eagle Fly Free
2. Nabataea
3. Straight Out Of Hell
4. Where The Sinners Go
5. Waiting For The Thunder
6. Falling Higher
Drumsolo
7. I’m Alive
8. Live Now
9. Hold Me In Your Arms
10. If I Could Fly
11. Hell Was Made In Heaven
12. The Power
Zugabe
13. Are You Metal?
14. Dr. Stein
Zweite Zugabe
15. Medley: Halloween / How Many Tears / Basssolo / Heavy Metal (Is The Law)
16. I Want Out

Publiziert am von Marc Lengowski

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