Konzertbericht: I Am Heresy /w Hierophant

17.03.2013 München, Sunny Red


Manchmal kommt zum Können auch noch Glück dazu: Zwar haben I AM HERESY mit ihrem gleichnamigen Debütalbum unter Beweis gestellt, dass sie mit ihrer brutalen Mischung aus Metalcore und Post-Hardcore begeistern können und sich nicht hinter etablierten Bands verstecken brauchen – ohne den prominenten Vater von Gitarrist Simon am Gesang wäre der US-Band so kurz nach ihrer ersten Veröffentlichung allerdings wohl keine Europatour vergönnt gewesen. Der Vorteil für den werten Herrn Papa: So kommt auch Nathan Gray, der sonst mit Boysetsfire in Deutschland große Hallen füllt, nach langer Zeit wieder in den Genuss, Europas kleine Clubs zu spielen – was auch auf den Fall des Tourauftakts im Münchner Sunny Red zutrifft, den sie gemeinsam mit den Italienern HIEROPHANT, welche I AM HERESY auf der gesamten Europatour begleiten werden, zelebrieren.


Laut der Homepage des Feierwerks sollten HIEROPHANT den Abend bereits um 19.30 Uhr eröffnen – da zu diesem frühen Zeitpunkt allerdings nur einige wenige Zuschauer im Raum sind, wartet die Band noch ein wenig länger, weswegen das Licht erst um 20 Uhr vor einem zahlenmäßig leicht angewachsenen Publikum erlischt. Da die Band quasi in kompletter Dunkelheit spielt, darf diese Phrase durchaus wörtlich genommen werden. Nicht zuletzt, weil HIEROPHANT in schöner Regelmäßigkeit in der Landeshauptstadt haltmachen und viele der heute Anwesenden sicher auch wegen der „Vorband“ ins Sunny Red gekommen sind, ist die Stimmung von der ersten Sekunde an großartig. Drei betrunkene, dringend eine Dusche benötigende Crustpunker nehmen die vorderste Reihe ein und gehen mit Biertänzen und geschlossenen Augen die wütenden, schwarzmetallisch gefärbten Crust-Punk-Songs voll mit – schön, dass sie das umstehende Publikum nicht durch aggressiven Pogo belästigen, sondern für sich tanzen.
Sänger Karl hetzt immer wieder zwischen seinen Bandkollegen auf dem Boden hin und her (auf einen Bühnenaufbau wird im winzigen Sunny Red ja glücklicherweise schon länger verzichtet) und strapaziert seine Stimmbänder so sehr, dass die Boxen immer wieder das Knacken und Knarzen anfangen – was sich perfekt in den aggressiven Bandsound einfügt. Dieser ist überdurchschnittlich laut heute und bläst die Zuschauer nahezu weg, welche die Musik alle mit gesenkten Köpfen, geschlossenen Augen und stetig nickend verfolgen. Immer wieder streut die Band auch doomige Parts in ihre Songs und präsentiert eine halbe Stunde lang eine Mischung aus alten Nummern und Liedern aus ihrem bald erscheinenden neuen Album „Great Mother Holy Monster“. Die einzelnen Stücke werden immer wieder durch Feedbackrauschen verbunden, sodass das Publikum sich nur an manchen Stellen wirklich traut zu applaudieren – der Beifall fällt allerdings in diesen einzelnen Pausen sowie nach dem mitreißenden Auftritt überschwänglich und begeistert aus. Die bereits angesprochenen Punker sind sogar so begeistert, dass sie sich nach dem Auftritt das Mikrophon schnappen und noch mehr Songs einfordern. Zu diesen kommt es allerdings (leider) nicht mehr.


Ohne große Schnörkel machen sich I AM HERESY direkt an den Umbau, und nach einer musikalisch durch Pop aus den 80er Jahren untermalten Pause von knapp 15 Minuten wird es erneut dunkel im Sunny Red. Sänger Nathan platziert sich gleich vor den Monitorboxen (zwischen den weiteren fünf Bandmitgliedern hätte er wohl auch schwer Platz gefunden) und explodiert mit den ersten Tönen des Albumopeners „The Sycophant“ förmlich. Immer wieder verrenkt er sich in Spagat-ähnlichen Posen auf dem Boden, rennt wie von der Tarantel gestochen hin und her, springt immer wieder in Richtung Publikum und ist bereits nach den ersten zwei Songs komplett durchgeschwitzt. Seine Mitstreiter an den Instrumenten stehen dieser Energie in nichts nach: Es ist immer wieder erstaunlich, wie die fünf Jungs es schaffen, sich ihre Gitarren in den heftigen Breakdowns nicht gegenseitig ins Gesicht zu schleudern, sondern immer kontrolliert abbremsen. Nach „…And Yet It Moves“, welches erstmals Nathans sehnsüchtigen Cleangesang in den Mittelpunkt stellt, fiept eine Box los, die ein Störgeräusch von einem Handy empfängt. Die Band nimmt es mit Humor, Nathan fragt einen Zuschauer, ob er jetzt nicht bitte das Geräusch abstellen kann, stellt die Band kurz vor und leitet mit einem „It would be stupid if we stop playing now, so that’s all I have to say“ in den nächsten Song über.

Der Sound ist hier mindestens so laut wie bei den vorangehenden Hierophant, leider kommen die drei Gitarren allerdings nicht in allen Einzelheiten an – was nichts an der Wut und Energie ändert, welche I AM HERESY hier transportieren. Da die Band neben ihrem Album, welches nicht ganz 30 Minuten Spielzeit besitzt, „nur“ eine Tour-EP veröffentlicht haben, finden auch die Interludes dieser Releases als Samples ihren Eingang in das Set – da diese meistens sehr ruhig gehalten sind, kann sich das energisch nickende Publikum hier immer wieder kurz erholen. Auch aufgrund des Platzmangels (auch wenn das Sunny Red definitiv nicht ausverkauft ist) ist das Publikum mehr in der Musik versunken, als dass es wild zu moshen beginnen würde. Kurz vor Schluss erläutert Nathan noch einmal den Bandnamen und das Konzept der Band, indem er sich von anderen Gruppen distanziert, die religionskritisches Verhalten nur als Image benutzen. Sein kurzes Plädoyer gegen die Existenz eines Gottes wird vom Publikum mit lautem Beifall bedacht, ebenso wie das folgende „Jesus Doesn’t Work Here Anymore“.
Während Nathan den letzten Song des Abends, „I Am Heresy“, ankündigt, nimmt noch einmal eine kleine Skurrilität ihren Lauf: Die drei Crustpunker, welche das gesamte Konzert verschwunden waren, kehren zurück, okkupieren die Lücke zwischen Band und Publikum, welche Nathan bisher für sich beansprucht hatte, und werden dabei von einer offensichtlich schwer betrunken Frau begleitet, die fröhlich hüpfend die politisch motivierten Songs feiert und dabei immer wieder das übrige Publikum abwertend mustert. Der Band ist es egal, und schließlich sind I AM HERESY nach 45 Minuten – und somit nach allen Songs, die sie bisher veröffentlicht haben – am Ende ihres Sets angelangt, bedanken sich und unterhalten sich noch länger mit den begeisterten Zuschauern.

FAZIT: Ein Abend, der den Begriff „Fannähe“ wohl sehr gut beschreibt. Sowohl die Italiener von HIEROPHANT, als auch die „Newcomer“ I AM HERESY wissen mit ihren heftigen, dabei jedoch stets atmosphärischen und leidenschaftlichen Songs zu überzeugen. Der Sound im Sunny Red war so mächtig, wie ich es persönlich seit Pianos Become The Teeth nicht mehr erlebt habe, und die Bands hatten sichtlich Spaß an ihren Auftritten. Sicher, das Publikum hätte sich unter Umständen stärker bewegen können – aber auch so kann man von einem rundum gelungenen Abend sprechen. Ein Pluspunkt: Dank dem frühen Beginn und der kurzen Umbaupause war das Konzert bereits um 21.30 beendet. An einem Sonntag ist so etwas tatsächlich großartig.

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